einige Erregung. Mittags 1 Uhr vor Tisch, nachdem um 9 Uhr freudige Nachricht eingetroffen: Mittel 139, höchste 204, nie­drigste 72, also die Differenz 122; d. h. in froher Erregung die Nervenzeit abgekürzt, aber dabei große, freudige Unruhe. Die freudige Erregung erhält Nachmittags neue Nahrung: Abends 7 Uhr: Mittel 140, höchste 172, niedrigste 114, Unter­schied 52; die Zahlen also ziemlich gleichmäßig, niedriger als am Morgen, deuten auf ruhige, heitere Stimmung.

Herr Jäger untersucht nun seine Nervengeschwindigkeit in den verschiedensten Fällen und findet, daß die Erregung des Hungers schon durch das Einatmen von Speisedüften, noch mehr allerdings durch den Genuß der Speisen beseitigt wird; daß durch Einatmen widriger Düfte die Erregung größer, die Nerven­geschwindigkeit geringer wird. Er prüft namentlich Personen, welche sich in erregtem Zustande befinden, und solche, welche den Duft der ersteren eingesogen haben; die Zahlen, welche sich bei beiden ergeben, stimmen auffallend überein, woraus folgt, daß die Lust- oder Unluftduftstoffe bei anderen Personen die entsprechend gleichen Erregungen hervorrufen. Er beschreibt eingehend die verschiedenen Gerüche, welche er hat prüfen können. Man sieht, daß die Wirkungen der Düfte gerade die von den Metaphysikern der Seele zugeschriebenen Eigenschaften sind, und daß Herr Jäger vollständig recht hat, wenn er sagt: Ich habe die Seele entdeckt." Wir erwähnen nur noch zwei Punkte seiner Ausführungen. Er beschreibt und beweist durch Zahlen den beruhigenden Einfluß, welchen unter allen Umständen der Aus­dünstungsstoff seiner Gattin auf ihn ausübt, und gründet darauf seine Ansicht von der Sympatic. Sympatie, wie Antipatie be­stehen in angenehmen und stinkenden Gerüchen und bezeichnen immer nur die Beziehungen der chemisch- physikalischen Be­schaffenheit zweier Menschen, wie sich die ganze Seele aus Ge­stank und Wohlgeruch zusammensezt. Die Ausführungen des Herrn Jäger, besonders die statistischen und die gesundheits­polizeilichen Inhalts( Entdeckung der Seele, pg. 248-254) sind von hohem Interesse für jeden, welcher die Zusammensezung der menschlichen Gesellschaft überhaupt studirt.

Die Psychologie ist somit den philosophischen Disziplinen entrissen und den experimentellen Naturwissenschaften zugewiesen, so sehr sich auch Metaphysik und Realismus dagegen sträuben mögen. Aber auch das weite und dunkle Gebiet der Ideen lehre wird in bedenklicher Weise durch die Jägerschen Lehren beeinflußt. Da Herr Jäger diesen Punkt garnicht berührt, so­gar augenscheinlich unser Gegner hier sein dürfte, und wir keine Kritik üben, sondern nur eine Darstellung versuchen wollten, so fönnen wir diesen Einfluß nur kurz andeuten. Das Angenehme, soweit wir es durch den Geruch und Geschmack wahrnehmen, ist nur ein harmonisches Verhältnis zwischen den Duftstoffen des genossenen oder gerochenen Gegenstandes und der genießenden Person. Dasselbe findet auch statt, wenn wir es durch Augen oder Ohren wahrnehmen, oder es sich auf eine rein geistige Wahrnehmung bezieht. Welcherlei die Bewegungen oder sonstigen Vorgänge im Innern des Menschen sein mögen, immer müssen sie mit den äußeren übereinstimmen, wenn die Wirkung eine angenehme sein soll. Das Wahre, Gute, Schöne, Erhabene, Tragische u. s. w. sind nur Steigerungen nnd Modifikationen des Angenehmen, also auch nur Verhältnisse und keine Ideen, doch wirklich bestehende, übersinnliche Wesen. Ein Bild ist schön" bedeutet nur: Seine Wirkung auf den Beschauer ist diesem angenehm, schön." Ist es auch dann noch schön, wenn es niemand sieht? Ja, auch dann ist es noch so, daß es eine angenehme Stimmung des Beschauenden hervorrufen würde, wenn es jemand sähe. In abgeleitetem Sinne nennen wir In abgeleitetem Sinne nennen wir denn auch das Bild schön. Das Häßliche und verwandte Ideen sind umgekehrt von unangenehmer Wirkung auf den Wahr­nehmenden. Wir dürfen hier nicht ausführlicher sein. Wir kommen damit allen Einwänden zum Troz auf den alten Saz zurück: Der Mensch ist das Maß der Dinge, oder modern aus­gedrückt: Wir vertreten das Recht der Persönlichkeit, welches jede in gleicher Weise hat, wie jede andere.

Obwohl sogar die schüchterne, wenn auch konsequente Päda

406

-

gogik es dahin gebracht hat, eine rein materialistische Erklärung der geistigen Tätigkeit des Menschen aufzustellen, indem sie dieselbe aus wiederholter Beobachtung, Erfahrung und Ver­knüpfung der Beobachtungen erhaltenen Gedanken ableitet Darwin   sagt: Die Nervenkraft fließt gewohnte Wege- so versucht Herr Jäger, als ein Schüler Darwins, den Geist im Unterschiede von der Seele als eine metaphysische Substanz, etwas übersinnliches und überirdisches, himmlisches zu erklären. Wenn wir zu den gewöhnlichen Kritikastern gehörten, wie sie heut zu Hunderten herumlaufen und schreiben, so würden wir jezt Herrn Jäger noch viel weiter herunterreißen müssen, als wir ihn erhoben haben, indem wir seinen Namen in eine Reihe mit denen Cuviers, Meckels, Darwins stellten. Aber wir haben selbst das Recht der Persönlichkeit verteidigt und halten es auch den Gegnern gegenüber heilig, andrerseits sind wir noch einer reinen Bewunderung und Hochachtung fähig, welche nicht allein den Gedanken, sondern auch den, der ihn entwickelte, ehrt, und verachten jene moderne, welche überall ihre Bedenken und Vor­behalte im Munde führt. Wir folgen daher Herrn Jäger auf dieses Gebiet überhaupt nicht, da es unmittelbar mit seiner Teorie nichts zu tun hat.

4. Die Jägersche Gesundheitslehre.

Es bleibt noch übrig, die eigentlich praktische Seite der Jägerschen Teorie zu erörtern, nachdem wir unsere Anschauung über den naturwissenschaftlichen und philosophischen Wert der­selben dargelegt haben. Dieser lezte Punkt ist der bekannteste. Ist ja doch die Wollkleidung von vielen angenommen worden und bewährt gefunden. Dieselbe ist aber auch durch ein Patent geschützt. Wenn wir einen Vorwurf gegen Herrn Jäger er­heben, so ist es der, daß er auch die Wissenschaft in den Dienst von geschäftlichen Unternehmern gestellt hat. Geboren werden, Krankheit und Sterben fosten schon viel Geld, nun will das Kapital auch seine Prozente für die Gesundheit! Das Vorurteil der Laien könnte dadurch versucht werden, den Professor Jäger in eine Reihe zu stellen mit dem Apoteker Daubiß, dem Dr. Airy, den Geheimmittelschwindlern und Konsorten; das Gerücht erzählt bereits verleumderischer Weise, er habe auf den Vorwurf, die Wollkleidung sei nichts nüze, geantwortet:" Was tut das, bringt sie doch Geld ein." Unsere Leser werden solcher Rederei nicht ohne weiteres Glauben schenken; aber wie anders stehen z. B. Siemens und Halske   da! Luther   weigerte sich für seine Schriften Geld anzunehmen, weil seine Ideen Gemeingut sein sollten. Doch der Zug der Zeit kann auch dem einzelnen kein Makel sein. Ziemlich allgemein ist aber die Ansicht verbreitet, der eigentliche Kern der Teorie sei die Gesundheitslehre, während sie doch nur eine notwendige Konsequenz ist. Das hat seinen Grund darin, daß das Publikum heut sich nur an das praktisch verwendbare hält, der Wissenschaft aber die ganze Lehre unbequem ist, weil sie nicht in das alte System paßt, sondern revolutionär ist.

Am nächsten liegt, Geisteskrankheiten mit den Duftstoffen in Zusammenhang als Wirkung und Ursache zu bringen. Herr Jäger deutet dies an, lehnt aber ab näher darauf einzugehen, da er kein Psychiatriker sei. Dagegen spricht er sehr ausführlich über die allgemeine Gesundheitslehre, und seine Gedanken muß die Naturheilkunde zum wissenschaftlichen System erweitern, wenn sie sich zu der Stellung emporarbeiten will, welche ihr gebührt.

Stellen wir uns die Lebensvorgänge im menschlichen Körper einmal folgendermaßen vor, wobei wir an unsere obige kurze Notiz über die Nahrungsmittel erimern. Wer des Tages dreimal Nahrung zu sich nimmt, hat bei der folgenden Mahl­zeit die vorhergehende noch nicht völlig verdaut. Die Ver dauung ist aber die eigentliche Zufuhr von Nahrungsstoffen für den Körper. Die Stoffzufuhr ist also als eine stetige aufzu­fassen. Ebenso ist der Stoffverbrauch ein stetiger. Bei jedem Atemzug, jeder Muskelbewegung, jeder Zusammenziehung und Ausdehnung des Herzens, des Magens, jedem Gedanken, jeder Sinnestätigkeit wird aufgespeicherter Stoff verbraucht, d. h. zer­sezt; zugleich ist jede denkbare Lebenstätigkeit von einer Zer sezung von Gehirnstoffen begleitet. Inwiefern zersezte Stoffe