wahrt werden, und in den Museen von Utrecht und Kopenhagen werden ebenfalls Ueberreste gezeigt.

Die merkwürdigste und neueste Nachricht über einen solchen Riesen verdankt man dem Kapitän Bouyer von dem französi­ schen Aviso Alekton, welcher das Tier am 30. Nov. 1861 in der Nähe von Teneriffa beobachtete. Der Aviso traf zwischen Madeira und Teneriffa einen an der Oberfläche des Wassers schwimmenden Polypen, dessen Länge ohne die acht furchtbaren, gegen zwei Meter langen Fangarme fünf bis sechs Meter maß. Seine Farbe war ziegelrot. Seine am Kopf hervorgequollenen Augen waren ungeheuer und zeigten eine erschreckende Starrheit. Man suchte das Tier in einer Tauschlinge zu fangen und durch Schüsse zu töten, doch wagte der Kapitän nicht, das Leben seiner Mannschaft dadurch zu gefährden, daß er ein Boot aus­sezen ließ, welches das Ungeheuer mit seinen furchtbaren Armen leicht hätte entern können. Nach dreistündiger Jagd gelang es endlich, den spindelförmigen in der Mitte sehr angeschwollenen Körper mit einer Seilschlinge zu umfangen. Der Koloß erhob sich über dem Wasser, schon jubelte man über den Fang, da riß infolge des ungeheuren, auf 2000 Kilo geschäzten Körper­gewichts der Körper ab und verschwand im Dzean, so daß nur ein 20 Kilo wiegendes Stück vom Hinterteil erbeutet wurde, das man der pariser Akademie der Wissenschaften übersandte.

Seit einigen Jahren ist nun aber das new- yorker Aquarium in den Besiz eines leibhaftigen Kraken gelangt, leider aber nicht im lebendigen Zustande; er ist in einem 25 Fuß langen Glas­fasten in Spiritus konservirt. Derselbe gehört zur Gruppe der Decapoda( Behnfüßer), welche neben den acht gleich langen Armen noch zwei längere haben, die nur am Ende mit Saug näpfen besezt sind. Diese beiden Fangarme sind bei dem new­yorker Exemplar je dreißig Fuß lang, während die andern acht nur elf Fuß Länge haben. Der Rumpf hat zehn Fuß Länge bei sieben Fuß Umfang und endigt in einer quergestellten, gegen drei Fuß langen Schwanzflosse. Inmitten der Fangarme sizt ein horniger, papageienartiger Schnabel.

Das Monstrum wurde im September 1878 bei Catalina in der Trinitybucht, unweit von St. Johns , an das felsige Gestade geworfen infolge eines an den Küsten von Neufundland heftig wütenden Aequinoftialsturmes, der das Meer in seinen Tiefen aufwühlte. Das Ungetüm, dessen Schwanz bei dieser Gelegenheit zwischen zwei Felsen sich eingeklemmt hatte, machte vergebens verzweifelte Befreiungsversuche. Erst als das Tier von seinen Anstrengungen erschöpft war und die Flut sich zurück gezogen hatte, wagten die erstaunten Fischer von Catalina, sich dem Tiere zu nähern, das bald nach Eintritt der Ebbe ver­

endete.

Die Existenz riesiger Kopffüßler fann somit nicht mehr be­zweifelt werden; man nimmt an, daß es blos außerordentlich alte Tiere sind, die, wie das bei den Fischen der Fall ist, gleich den Bäumen beständig wachsen.

Im vierten Buche seines Romans Die Meerarbeiter" schildert Bittor Hugo den Angriff eines Kopffüßlers auf einen Menschen in so spannender Weise, daß wir die Stelle reproduziren wollen.

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Der Held der Geschichte ist Gilliat, ein Arbeiter. Er war auf einer Meeresflippe mit einem gestrandeten Schiff beschäftigt und lebte schon seit Wochen hauptsächlich von Meerigeln, See­kastanien, Seekrebsen und Krabben. Eines Tages verfolgte er eine Krabbe in eine Höhlung des Felsens, welche mehrere Grotten hatte. Nun lassen wir den Erzähler selbst sprechen. ,, Gilliat bemerkte über dem Wasserspiegel im Bereiche seiner Hand eine Duerspalte in dem Granit. Wahrscheinlich hatte sich die Krabbe dorthin geflüchtet. Er streckte also seine Hand, soweit es ihm möglich war, hinein und begann diese Höhle der Finsternis zu durchsuchen. Plözlich fühlte er sich am Arme ergriffen und er empfand in diesem Augenblick einen furchtbaren Schrecken. Etwas Dünnes, Scharfes, Flaches, Glattes, klebriges und Lebendiges hatte sich in der Dunkelheit um seinen nackten Arm geschlungen. Es stieg ihm gegen die Brust gleich dem Druck einer Walze und dem Stoße eines Bohrers. In weniger

als einer Sekunde hatte ihm eine unbeschreibbare Schneckenlinie Hand und Arm umschlossen und berührte seine Schulter. Die Spize drang unter seiner Achsel ein. Gilliat wollte zurück­springen, konnte sich aber kaum bewegen. Er war wie ange­nagelt. Mit seiner freigebliebenen linken Hand ergriff er sein Messer, welches er zwischen den Zähnen hatte, stüzte sich mit der Hand gegen den Felsen und versuchte mit einer verzweifel­ten Anstrengung seinen Arm zurückzuziehen. Es gelang ihm nur, das Band, welches den Arm umwickelt hatte, etwas zu beunruhigen, so daß es ein wenig zurückwich. Es war ge­schmeidig wie Leder, fest wie Stahl und kalt wie die Nacht.- Ein zweites, scharfes und schmales Ding kam aus dem Loche in dem Felsen hervor, wie eine Zunge aus einem Maule, leckte Gilliats nackten Rücken zu seinem höchsten Entsezen und sezte sich plözlich endlos und ganz fein langziehend fest auf sein Haupt und umschloß seinen ganzen Körper. Zu gleicher Zeit durchflog ein unerhörter, mit nichts vergleichbarer Schmerz Gilliats ge­spannte Muskeln. Es war ihm, als ob unzählige Lippen sich an sein Fleisch anhefteten und sein Blut auszusaugen suchten. Noch ein drittes Ding wagte sich aus dem Felsen hervor, taſtete auf Gilliat umher, peitschte ihm die Seiten wie eine Sehne und befestigte sich dann an seinen Seiten. Die Angst in ihrer höchsten Erregung ist stumm. Gilliat stieß nicht einen Schrei aus. Es war hell genug, daß er die widerlichen, ihm anhaftenden Formen erkennen konnte.-Ein viertes Band sprang ihm, schnell wie der Bliz, gegen den Bauch und rollte sich darauf fest. Un­möglich war es ihm, diese scheußlichen Pfriemen, welche sich eng und an vielen Stellen seinem Körper angelegt hatten, durchzu­schneiden oder loszureißen. Sie verursachten ihm furchtbare und eigentümliche Schmerzen. Es war ihm, als wenn er von einer Menge kleiner Mäuler auf einmal verschlungen würde.- Ein fünftes Ding schnellte aus dem Loche, legte sich über die andern und umschnürte Gilliats Zwerchfell. Der Druck vermehrte die Beängstigung, er konnte faum noch atmen. Diese an ihrem äußersten Ende scharf zugespizten Riemen weiteten sich immer mehr aus. Alle fünf gehörten sicherlich demselben Mittelpunkt an und marschirten und fletterten auf Gilliat hin und her. Er fühlte, wie sich jene dunklen Deffnungen, welche ihm als eben so viele Mäuler erschienen, von ihrem Plaze fortbewegten. Plözlich kam unten aus der Höhlung ein großer, runder und flacher Schleimkörper hervor. Es war der Mittelpunkt, in wel­chem jene fünf Riemen wie Strahlen um einen Brennpunkt zusammenliefen; an der andern Seite dieser Scheibe unterschied man drei andere Fühler, welche unter der Vertiefung des Felsens geblieben waren. In ihrer Mitte befanden sich zwei Augen, welche um sich blickten und Gilliat ansahen. Gilliat erkannte den Alp. Um an den Alp zu glauben, muß man ihn gesehen haben. Die Seeleute nennen diese Ungeheuer Tierfrüchte, die Wissenschaft heißt sie Kopffüßler und die Sage Kraken.

Der Kraken schwimmt, aber er läuft auch. Etwas Fisch, ist er auch etwas Reptil. Mit Hilfe seiner acht Fühler kriecht er auf dem Meeresboden umher und schleppt sich wie eine Stachelraupe fort. Er hat keine Knochen, kein Blut, kein Fleisch. Es ist ein leerer Beutel, eine Haut. Man kann seine acht Fühlfäden völlig von innen nach außen kehren wie die Finger eines Handschuhes. Nur eine einzige Deffnung, gerade in der Mitte seiner Strahlen, findet sich an ihm. Das ganze Tier ist falt. Keine Fessel hält so wie das Umspannen des Kraken. Das Tier überzieht den Menschen mit seinem tausendfachen Höllenmund, die Hydra vereint sich mit ihm und geht in sie über. Der Tiger kann den Menschen nur verschlingen, der Kraken, o Schreck! atmet ihn ein. Er zieht dich an sich und in sich hinein, und so gefesselt, aufgelöst, ohnmächtig fühlst du dich langsam in diesen furchtbaren Sack entleert. Ueber das Entsezliche, lebendig gefressen zu werden, geht das Unbeschreib­liche, lebendig getrunken zu werden.

Einem solchen Wesen gehörte Gilliat seit einigen Augen­blicken an. Das Ungetüm war der Bewohner der Grotte, der Schreckgeist des Ortes, eine Art finstrer Wasserdämon. Gilliat hatte seinen Arm in das Loch gesteckt, der Alp ihn ergriffen und