wut gestillt und die Nachfrage geringer, so wird die entbehrliche Anzahl von Exemplaren antiquarisch verkauft. Auf diese Weise kann man die besten Werke, wenige Monate nach ihrem Erscheinen, in wohlgehaltenen Exemplaren billig zu kaufen bekommen. Wohlgemerkt: in wohlgehalte­nen Exemplaren billig zu kaufen bekommen. Weil die Geschäftsleiter dafür sorgen, daß stets eine für die Nachfrage genügende Anzahl von Exemplaren eines jeden Werkes vorhanden ist, gehen die Bücher nicht durch so viel Hände, als die Bücher unserer Leihbiblioteken und werden folglich nicht zerlesen.

Im höchsten Grade praktisch ist der Unterschied im Abonnementspreis für ganz neue und für ältere( d. h. nicht mehr funkelnagelneue) Werke.

Die Mudiesche Leihbibliotek verschickt ihre Bücher durch das ganze ,, Bereinigte Königreich", und durch die manchester   Filiale und zweck­mäßige Kontrakte mit zahlreichen Buchhandlungen ist es möglich ge­macht, daß die Provinzialabonnenten, und befänden sie sich auch in den abgelegensten Teilen des Landes, ihre Bücher ebenso billig beziehen wie die londoner Abonnenten, für welche leztere noch eine besondere Buch­gesellschaft eingerichtet ist.

In Deutschland   flagen Verleger und Schriftsteller darüber, daß die Leihbiblioteken dem Büchermarkt schaden. Und unzweifelhaft ist das auch der Fall. Die ungeheuere Mehrzahl der Leser denkt nicht ans kaufen; und die Leihbibliotekare, welche auf diese Abneigung gegen das Bücherkaufen spekuliren, schaffen selbst von den begehrtesten Werken nur wenige Exemplare an, denn sie wissen ja doch, daß die Abonnenten geduldig warten, bis die Reihe des Lesens an sie kommt.

Anders die Mudiesche Leihbibliotek. Sie schafft von vornherein so viel Exemplare an, als voraussichtlich begehrt werden, so daß die Abonnenten nicht zu warten brauchen, und auch Verleger und Schrift­steller nicht zu kurz kommen. Von den hernach zu halbem Preis und billiger verkauften Werken kann sich dann ein jeder leicht eine Privat­bibliotek anlegen.

nennen

Noch eine Gewohnheit man könnte sie fast eine Einrichtung gibt es in Deutschland  , welche die Verzweiflung der Ver­leger und Schriftsteller ist: wir meinen das Ausgeben der neuen Bücher zur sogenanten Ansicht". Man erhält mitunter gegen eine kleine Bergütung, meist aber umsonst von seinem Buchhändler die neueren Erscheinungen ins Haus geschickt, blättert und liest dieselben durch, schneidet die blos gehefteten Bücher und Broschüren dabei ungenirt an der Seite auf, und schickt, nachdem die Neu- und Wißbegierde aus­reichend befriedigt ist, alles oder beinahe alles, wieder an den Buch­händler zurüd. So kommt es, daß von neuen Werken gleich nach dem Erscheinen oft Massen von Exemplaren begehrt und gelesen werden, von denen hintennach der größte oder doch ein großer Teil die böse Krebswanderung anzutreten hat diesen Schreden der Verleger und Schriftsteller.

In England denkt kein Buchhändler daran, Bücher blos zur Ansicht auszugeben. Es wird nichts abgegeben, was nicht gekauft wird. Und da die Zahl der Käufer von neuen Büchern auch in Eng­land eine beschränkte ist, so hat die Mudiesche Leihbibliotek sich als Vermittlerin zwischen das Publikum und die Berlagsbuchhändler gestellt, fauft die Bücher für das Publikum, läßt sie gegen eine Ver­gütung, bei der sie ihren Vorteil findet und die für das Publikum nicht belastend ist, vom Publikum lesen und verkauft sie dann zu einem Preis, der auch Wenigbemittelten den Ankauf ermöglicht.

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So haben alle Teile ihren Vorteil: Verleger, Buchhändler, Schrift­steller, Publikum und Leihbibliotek. Denn um der schönen Augen des Publikums willen wird das Mudiesche Geschäft nicht geführt. Indes das tut der Nüzlichkeit und Gemeinnüzigkeit feinen Abbruch.

Und wir fragen zum Schluß: Ließe sich denn in Deutschland  nichts Aehnliches einrichten?*)

Lb.

Das Tuchmacherhandwerk in der Oberlausit. In allen oberlau­fißischen Städten bildeten die Tuchmacher der Zeit sowohl als dem Range nach die erste Zunft oder Innung. Dem Beispiel der größeren Städte folgten die kleinen Landstädtchen, und so blühte denn schon im vierzehnten Jahrhundert überall dieses erste zünftige Handwerk des Landes. In Bittau allein betrug 1367 die Anzahl der Meister und Knappen" über sechshundert. Der Export von Bittau ging wesentlich nach Böhmen  , der von Görlig und den benachbarten Landstädtchen nach Schlesien  , Polen  , Ungarn   und der Türkei  . Die Wolle ward meist auf den Wollmärkten zu Kamenz  , Baußen, Görlig eingekauft, der zum Färben ausschließlich verwendete Waid( Isatis tinctonia) von thüringi­schen Händlern bezogen, die ihn auf der uralten Handelsstraße durch Meißen   und die Oberlausit weiter bis Schlesien   zu führen pflegten. Seit sich im Jahre 1339 die Stadt Görlig von König Johann von Böhmen   das Privilegium der ausschließlichen Waidniederlage ausge­wirkt hatte, wurde diese Stadt der Mittelpunkt für den oberlausißischen Tuchhandel. Bufolge dieses Privilegiums mußten alle Waidhändler, welche mit ihrer Waare die Oberlausiß berührten, zuerst bis Görlig fahren, dort dieselbe abladen, von den dasigen Tuchmachern schäzen, d. h. den Preis dafür festsezen lassen und sie sodann mindestens vier Wochen lang zum Verkauf ausstellen. Gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts wurde von den Herzögen von Sachsen   zu Großenhain  eine ebensolche Waidniederlage errichtet, welche nun derjenigen zu Görlitz  

*) Wenn wir nicht irren, besteht in Berlin   ein ähnliches Geschäft. Näheres darüber gegebenen Falls in einer folgenden Nummer.

Red.

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großen Abbruch tat. Die Tuchmacher gelangten auch in den städti­schen Verwaltungen zu großem Einfluß; oft gingen den Wahlen in den oberlausißischen Städten harte Kämpfe zwischen den Patriziern und Plebejern vorauf, die nicht selten blutig endeten und je nach ihrem Ausgang die Zusammensezung des Rates in den einzelnen Städten verschiedenartig gestalteten. Dr. M. V.

Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.

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Kleine pädagogische Kezereien. Bitte, lieber Papa, gib mir doch zehn Pfennige, ich brauche ein neues Schreibebuch! Wie oft ergeht wohl im Laufe eines Monats diese Bitte an einen Vater, der mehrere Kinder in der Volksschule hat? Ein paarmal habe ich darauf erwidert: Mein guter Junge, das Papier in deinen Schreibebüchern ist herzlich schlecht, es ist dünn, durchscheinend und blau; ich habe aber in meinem Schreibtische ein großes Packet schönes weißes und starkes Schreibe­papier liegen; auch graues und blaues habe ich zu Umschlägen; ich will dir davon geben, so viel du brauchst, nimm Nadel und Zwirn und hefte dir selbst ein neues Schreibebuch. Da heißt es aber jedes­mal: Ach, bitte nein, Papa, das dürfen wir nicht, wir müssen alle ganz egale Schreibebücher habe, mit blauen Linien, zwölf Zeilen auf der Seite; bei Mitscherlichs im Eckladen an der Schulstraße bekommt man sie affurat so, wie wir sie brauchen, die ganze Klasse kauft bei Mit­scherlichs, ich gehe vorbei, wenn ich in die Schule muß, bitte, gib mir die zehn Pfennige!( Zur Erläuterung bemerke ich, daß Herr Mitscherlich in der Tat an der Ecke der Schulstraße einen Laden hat, an dessen Schaufenster eine Papptafel hängt mit der Aufschrift: Schreibuten­filien" ein Wort, das für die vorbeigehende Schuljugend einen um so größeren Zauber hat, je weniger sie sich darunter denken können; meine Kleine, die gern über die Bedeutung der Wörter grübelt, fragte mich neulich, ob Utensilie wohl mit Petersilie zusammenhinge.)

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Zwei Tage später hat wieder einer sein Rechenbuch ausgeschrieben, den dritten Tag sein Diarium", und den vierten quälen sie wieder um ein paar Pfennige, um bei Mitscherlichs Stahlfedern zu kaufen. Zwar habe ich auch davon mindestens noch dreiviertel Groß im Schreib­tische liegen, eine weiche, leicht ansprechende Feder mit breitem Schnabel. Aber die Jungen verschmähen sie stets mit angsterfülltem Gesicht, wenn ich ihnen eine aufreden will: Ach, bitte nein, Papa, wir dürfen nur mit der Alfredfeder F schreiben, die ganze Klasse schreibt damit, Herr Bretschneider zanft, wenn einer eine andere Feder hat.( Zur Erläu­terung bemerke ich wieder, daß die Alfredfeder F ein abscheulich hartes und spizes Instrument ist, mit dem ich nicht imstande wäre, eine Zeile zu schreiben.)

Ich bin ein harmloser Familienvater und kann mich an pädago­gischer Einsicht natürlich nicht entfernt mit den wadern jungen Männern messen, die drei Jahre lang das Seminar besucht haben. Alles, was ich tun kann, um meine pädagogische Einsicht zu erhöhen, ist dos, daß ich gewissenhaft alle die Artikel leje, in denen in der Tagespresse heut­zutage Schulfragen erörtert werden, vor allem die Berichte über Ver­sammlungen und Vorträge, welche im Lehrerverein, im Pädagogischen  Verein und in der Pädagogischen Gesellschaft unsrer Stadt gehalten worden sind. Leider habe ich dabei über die Schreibebücher- und Stahl­federfrage, die mir ganz besonders am Herzen liegt, nie etwas erfahren fönnen, bin also zur Zeit noch darauf angewiesen, mir meine eignen Gedanken darüber zu machen. Und da denke ich denn so. Es ist doch seltsam, daß die Schule, die jezt so viel davon redet, wie notwendig es sei, die Individualität" der Kinder, soweit sie eine gute Indivi­dualität ist, sich ungestört entwickeln zu lassen, doch in Dingen, in denen diese Individualität sich zeigen und aufs unschuldigste sich aus­sprechen könnte, in überflüssiger Weise uniformirt und schablonisirt; es ist ferner doch seltsam, daß die Schule, die ihre Böglinge auf der einen Seite durch die epochemachende Errungenschaft der Schulsparkassen" zum Sparen anleiten möchte, sie auf der andern Seite geradezu zur Verschwendung nötigt; es ist doch seltsam, daß eine Zeit, die es für nötig hält, durch besondern Handfertigkeitsunterricht" ein herr­liches Wort, mindestens ebenso schön wie Kleinkinderbewahranstalt"! für die Ausbildung praktischen Geschickes bei der Jugend zu sorgen, doch die Gelegenheit unbenuzt läßt, welche die Schule ganz von selbst zur Betätigung der gewünschten Handfertigkeit bietet.

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Als ich in die Schule ging, fiel es feinem Menschen ein, fertige Schreibebücher zu kaufen: geheftet, beschnitten, liniirt, mit einem roten Löschblatt und mit einem weißen Schildchen auf dem Umschlage ver­sehen, und der Umschlag nochmals in ein graues Papier eingeschlagen. Alles dies machte sich vor dreißig Jahren ein richtiger Junge selber zurecht und hatte dabei mannigfache Gelegenheit, Handfertigkeit zu ent­wideln und sich anzueignen. Ich denke noch mit Bergnügen daran, wie wir durch Ausschneiden zierlich geränderter Buchschildchen einander zu überbieten suchten. Heute stehen die Kinder dabei und staunen den Bater wie einen Tausendkünstler an, wenn er ein Buch heftet, ein Brief­fouvert bricht und schneidet, ein gedrucktes Buch zur Schonung des Einbandes mit einem kunstgerechten Papierumschlage versieht. Solche Dinge haben wir in früherer Zeit in der Schule gelernt; das war unser Handfertigkeitsunterricht".

Wir waren aber dabei früher auch sparsamer als die heutige Jugend, die ihre Hefte mit unglaublicher Geschwindigkeit vollschreibt. Durch übermäßig breiten Rand und weitabstehende Zeilen in den Schreibe­