schon mehr philosophirende Deuteronomiker und nach ihm alle Teologen bis heute darin zu finden glauben mußten, durchaus nichts antreffen, und zwar muß dieser Berichterstatter noch dazu ein schlauer Levite gewesen sein; denn er hat es verstanden, in geschickter Weise die Tatsache durchblicken zu lassen, daß, während Mose am Fuße des verbarrikadirten Berges das Volk im Zaume hielt, sein Bruder Ahron auf demselben hinter den rauchenden Wolfen sich verbirgt, wo die vermeintliche Gottesstimme sich herabgelassen haben soll. Bei dem Durchlesen dieses Kapitels Bei dem Durchlesen dieses Kapitels empfindet man ja deutlich, wie der Verfasser hauptsächlich auf diejenigen Stellen den Nachdruck legt, welche in den Maßregeln bestehen, die Ihwh angeordnet, das Volk dermaßen einzuschüch­tern, daß außer Mose und Ahron niemand es wage, den Berg zu besteigen. Weder Mensch, noch Vieh, weder Priester, noch Gemeiner durfte sich dem flammenden und rauchenden Sinai nahen, der noch zudem rings abgesperrt war, bei Strafe des Todes. Wer nur mit der Hand an der Einfriedigung rührte, sollte vom Hagel gesteinigt oder vom Blize getroffen werden. und Dieses wird wiederholt auf das strengste eingeschärft da man ohngeachtet aller dieser Vorsichtsmaßregeln der Be­sorgnis sich nicht entschlagen kann, es möchten immerhin Unbe­rufene sich erdreisten, ihre Neugierde( oder ihr Nichttrauen) zu befriedigen, so ruft Ihwh Mosen abermals zu sich hinauf und fonferirt mit ihm über diesen kritischen Punkt. Mose zwar sucht seinen Ihwh zu beruhigen, allein schließlich scheinen doch beide der Sache nicht recht zu trauen und so begibt er sich auf Wunsch Gottes hinab zum Volfe und weicht nicht mehr von ihm, bis diesem der Spektakel( K. 20, V. 15-18) zu arg wird, wogegen Ahron( S. 19, V. 24) während des ganzen Aftus auf dem Berge sich befand. Das Uebrige läßt uns der Herr Referent des 19. Kapitels im Erodus erraten es ist indessen nicht schwer, sich das Fehlende hinzuzudenken, und das war es eben, worauf ich die Aufmerksamkeit der Leser der Neuen Welt" zu lenken beabsichtigte.

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Nun folgen im Kapitel 20 die vermeintlichen zehn Gebote; allein, wie gesagt und wie wir sogleich zeigen werden, sind das nicht die echten. Um dieselben zu finden, müssen wir erst das 34. Kapitel aufschlagen. Dort erteilt Ihwh seinem Diener Mose den Befehl, sich wiederum zwei steinerne Tafeln auszu­hauen, um darauf die Worte zu schreiben, die auf den ersten von ihm im Zorne zerbrochenen Tafeln standen. Nun folgen die bekannten Anrufungen der gnadenwirkenden Eigenschaften Ihwhs von seiten Mosis, wie sie in den alten Mysterien ge­bräuchlich waren, um sich die Gottheit nach dem großen Abfalle des Volks wieder geneigt zu machen, sodann hastiges Verlangen und inbrünstiges Flehen um Verzeihung, worauf das überwäl­tigte göttliche Wesen in Beteuerungen alles Großen ausbricht, das es für sein Volk öffentlich tun werde alles echt orien talisch, menschlich- sinnlich. Nun erst folgen die Bedingungen, in zehn Punktationen bestehend, deren die Israeliten von jezt an Folge zu leisten hätten, dann werde Ihwh auch seinerseits seine Verheißungen( bez. der Erbschaft Kanaans ) erfüllen. Dieses gegenseitige Bundes- oder Vertragsverhältnis zwischen Ihwh und Israel zieht sich durch das ganze alte Testament hindurch. Würde man fragen, wie das Wort Religion nach diesen alten Schriften zu definiren sei, so dürfte man nicht etwa wie Kant: , Gottseligkeit," oder Hartmann: Gottinnigkeit" darunter ver­stehen, sondern den Vertrag" oder das Bündnis"( berith) zwischen Israel und seinem Gotte zu gegenseitigen Leistungen oder Verpflichtungen, daher auch die Gesezestafeln luchoth habbrith Bundestafeln hießen, die aus dem dauerhaftesten Material bestanden, was auf die beständige unzerstörbare Dauer des Bundes hinweisen sollte, wie z. B. auch der Salzbund" ( 3. Mos. 2, 13 und 4. M. 18, 19) auf die Unverweslichkeit desselben sich bezieht. Diese Idee zieht sich durch die ganze Geschichte des alten Bundes als leitender Faden hindurch, daher von einem freien Antriebe aus moralischen Gründen nicht die Rede, sondern immer nur ein auf gegenseitigen Egoismus gegründetes Handeln, daher auch immer der eine den andern verläßt und ihm zuwiderhandelt, wenn einer von beiden wortbrüchig gewesen.

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So hören wir denn, wie diese zehn Punkte lauteten, auf Grund deren der Herr mit Mose und Israel den Bund schloß, und die nun, wie Goethe seiner Zeit eruirte, die wahren zehn Gebote( dem negativen Sinne nach Verbote) darstellen, die Mose auf die Tafeln des Bundes schrieb, wie ausführlich zu ersehen aus Vers 27 und 28 des in Rede stehenden Kapitels*):

1) Hüte dich, einen Bund zu schließen mit den Bewohnern des Landes, wohin du kommst 2c., sondern du sollst einreißen ihre Altäre, ihre Bildsäulen zerbrechen und ihre Haine aus­roden 2c.( V. 12, 13, 14, 15. 16).

2) Gegossene Götter sollst du dir nicht machen( V. 17). 3) Das Fest der ungesäuerten Kuchen sollst du halten sieben Tage( V. 18).

4) Jede Erstgeburt mußt du mir geben 2c.( V. 19 u. 20). 5) Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebenten ruhen 2c. ( V. 21).

6) Das Wochenfest sollst du halten als Erntefest des Weizens und das Einsammlungsfest am Ende des Jahres( V. 22). 7) Dreimal im Jahre soll alles Männliche erscheinen vor Ihwh 2c.( V. 23 11. 24).

8) Du sollst nicht schlachten auf Gesäuertem das Blut meines Opfers und nicht übernächtig werden lassen das Passahlamm ( V. 25).

9) Die Erstlinge deiner reifen Früchte sollst du bringen ins Haus deines Gottes Jhwh ( V. 26 erste Hälfte).

10) Du sollst nicht kochen das Böckchen, so lange es saugt an der Milch seiner Mutter( V. 26 zweite Hälfte).

Dieses und keine anderen sind die echten sinaitischen zehn Gebote.

Aber angenommen, wir hätten bislang die richtigen zehn Gebote, wie sie der Deuteronomiker und unsere Teologen an­genommen, uns eingeprägt, so liegt denn doch nicht das Groß­artige für alle Zeiten und Völker darin, das die Gläubigen in ihrer überschwenglich gedankenlosen Verehrung darin zu finden wähnen.

C. Radenhausen hat schon längst in seinem großartigen Werke Isis" diese unberechtigte Meinung zerstört, wonach es faum einer irdischen Weisheit möglich gewesen, alle Bezüge des menschlichen Lebens in solcher Vollkommenheit und Kürze zu fassen, und halten wir es daher für nötig, die Nachweise aus dem besagten Werke hier beizubringen.

So ist im 1. Gebote nur verboten, vor dem Angesichte Ihwhs andere Götter( Bilder) aufzustellen, somit im Orafelzelte vor der Lade, von dessen Guadenstuhle aus Ihwh zu Mose redete. Die Vielgötterei ist also darin nicht verboten, man denke nur an den Asasel( springender Bock), das gefürchtete Verheerungswesen des israelitischen Volfes, den man sich eben so gut wie den Ihwh durch einen Sündenbock am Versöhnungs­tage geneigt zu machen suchte, ja, Mose stellt beide Verehrungs­wesen einander gleich; denn er läßt das Loos zwischen den beiden Böcken entscheiden, um jeden Anlaß zur Eifersucht zwischen diesen Gottheiten zu vermeiden. Ja, noch mehr, der Priester hält zu dem über der Wolke sich aufhaltenden Ihwh, das ganze Volt aber huldigt noch dem Asasel, der bösen Welt­seite, dem teuflischen Ahriman, der seinen Aufenhalt in der Tiefe( daher Teufel von der Teufe) hat und dem man deshalb sein Opfer in die Felsenschlucht hinabsenkt.**)

Das 2. Gebot verbietet den Mißbrauch des göttlichen Namens, wozu auch der Eidschwur zu rechnen ist. Dasselbe ist natürlich nur anwendbar für diejenigen, welche an einen persönlichen Gott im biblischen Sinne glauben, der die geringste Beleidigung seiner erhabenen Person als Majestätsverbrechen unnachsichtlich bestraft, und zwar eigenhändig.

*) Luther übersezt fälschlich Vers 27: Der Herr sprach zu Moses , ich will dir aufschreiben" anstatt: Schreibe auf diese Worte; denn auf Grund derselben schließe ich mit dir und Israel einen Bund.

**) Näheres über die dabei im zweiten Tempel zu Jerusalem statt­gehabten feierlichen Handlungen kann man aus Nr. 2 der philosophi­schen Dichtungen des Verfassers Kopf und Herz oder Natur und Bibel im Geiste Heinr. Heines" ersehen.