weißen und nur an den Fingerspizen und den ovalgeformten Nägeln rosig angehauchten Hände mit einem goldenen Kreuz, das sie an dunkelblauem schmalen Sammetbande um den schönen vollen Hals gehängt trug und das, da wo sich die Kreuzbalken trafen, mit einem großen funkelnden Brillanten geschmückt war. Der Anblick, den so die junge Frau gewährte, war ganz dazu angetan, Männerherzen zu entflammen, und Herr von Köstlin schien nicht gewillt, dem Zauber, der den blizenden Augen ihm gegenüber entstrahlte, sich ängstlich zu entziehen.
Er wurde warm bei all dem Tand, um den sich die Rede in geistvollem Wortgefecht drehte, und auch seine Augen blizten schließlich fast begehrlich zu dem schönen Weibe hinüber.
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Das sichtliche Behagen der beiden aneinander blieb nicht unbemerkt. Zuerst war es der Pastor, der zuweilen unter seinen buschigen Brauen hervor einen forschenden Blick über die Gruppe streifen ließ. Seine falten Mienen wurden nicht freund licher dabei, im Gegenteil, fälter und unfreundlicher wurden sie. Auch der alte Herr sah, ruhig, wie er stets zu sein pflegte, auf die Hausfrau und ihr vis- à- vis, und er lächelte gleichen nach seiner Gewohnheit leise vor sich hin, Lächeln, von dem schwer zu sagen war, ob es Spott oder Behagen, Ueberlegenheit oder Teilnahme ausdrücke.
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des
ein
Nur das junge Mädchen beachtete die Dame des Hauses nicht, sie war vielleicht zu sehr mit eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigt, träumerisch genug schaute sie in das Buch, das sie auf dem Schoße liegen hatte und kaum mehr zu lesen schien.
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Die halbe Stunde war noch nicht verstrichen, als sich die Gesellschaft aufzulösen begann.
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Der Pastor hatte das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Er habe noch Amtsgeschäfte, hatte er gesagt, die ihn einige Stunden in Anspruch nehmen würden. Der alte Herr schloß sich ihm an, und so konnte auch Herr von Köstlin nicht länger bleiben. Er empfing seitens der Hausfrau eine Einladung zum Souper für den nächsten Tag, auf heute Abend wolle sie ihn nicht belästigen, junge Leute, die zumteil kaum den Kinderschuhen entwachsen seien, wie sie die Gesellschaft des heutigen Abends in ihrem Hause bilden würden, möchten für einen so welterfahrenen und geistvollen Mann doch wohl gar zu leichte Waare sein. Herr von Köstlin versicherte zwar höflich, daß er überzeugt sei, im Hause der Frau sich niemals anders
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als vorzüglich unterhalten zu können, sezte jedoch hinzu, daß er für diesen Abend ohnehin bereits versagt sei. Die Einladung zum Souper nahm er mit warmem Dank an.
Beim Hinausgehen ließ er dem alten Herrn, der sich kurz aber mit freundschaftlicher Wärme verabschiedete, den Vortritt. Auch den Pastor wollte er höflich voranschreiten lassen, aber dieser schien seiner Schwester, die allein zurückblieb, noch etwas sagen zu wollen. Als die Hausfrau die beiden andern Herren bis vor die hohe portièrenverhüllte Flügeltür des Salons begleitete, kam auch er rasch hinterdrein und verabschiedete sich von ihr. Die beiden andern waren bereits durch den geräumigen und elegant ausgestatteten Vorsaal geschritten, als der Pastor seinen Abschiedsworten leise flüsternd und beinahe wie in verhaltener Leidenschaft zischend hinzufügte:
" Ich hoffe, daß es nicht ernst wird, das Tändeln mit diesem Köstlin
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"
Die Augen der Dame öffneten sich soweit sie nur konnten. „ Was soll das heißen?" fragte sie in augenscheinlich heftiger Bewegung, aber auch leiser, als sie gesprochen hatte.
" Daß ich es nicht dulden würde-
"
Und als er den Zorn sah, der in ihrem Antlize purpurrot heraufstieg und den unverkennbaren Troz, der sich um ihre schönen Lippen lagerte, sezte er rasch hinzu: „ Und wenn es ein Unglück gibt
nie
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so wahr mir
Dann ging er hastig und ohne sich noch einmal umzuwenden, von dannen.
Vor der Haustür verabschiedete er sich kurz von den andern Herren. Von dem Greise mit erzwungener Herzlichkeit, von Köstlin mit unverhüllter Kälte.
„ Ist der Herr Pastor ein Verwandter des Hauses?" fragte Herr von Köstlin, der sich beim Hinaustreten aus der Vorsaaltür umgesehen hatte, vielleicht um noch einen Blick der schönen Frau aufzufangen und den Paſtor mit gedämpftem Tone sprechen gehört hatte, ohne ein Wort verstehen zu können.
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„ Keineswegs," antwortete der Gefragte in seiner ruhigen Art.„ Nur ein Freund des Hausherrn nichts weiter." Ob er das Wort Herrn absichtlich betont hatte, blieb Köstlin zweifelhaft, aber betont hatte er es. Seine Antwort war Köstlin angenehm,- er wußte selbst nicht weshalb. ( Fortsezung folgt.)
Eine Gedenkfeier.
( Seume's Verfolgung vor hundert Jahren.)
Wenn man in Bremen die Börsenbrüde überschreitet, so findet man am linken Weserufer, an der Wand des Arbeitshauses das„ SeumeDenkmal", ein Medaillonbild in Erz mit der Inschrift:" Johann Gottfried Seume , 1783 durch bremer Bürger vor seinen Verfolgern gerettet." Der liebenswürdige Marschendichter Her mann Allmers ist es gewesen, der 1864 dieses Andenken gestiftet hat. Schon früher schilderte er in eingehender Weise in seinem berühmten Marschenbuche die Begebenheit, auf welche sich das genannte Denkmal bezieht. Er sagt: Diese stille Gegend( das linke Weserufer unterhalb Bremen ) war einst Zeuge einer Begebenheit, wie sie nur ein Jahrhundert des empörendsten Fürstendespotismus geschehen lassen fonnte. Wie ein edler Hirsch, den die blutlechzende Mente verfolgt, wurde bis hierher in entsezlicher Todesangst einst ein deutscher Dichter gehezt, und ein Herz, so ties, groß und herrlich wie je eins geschlagen, rang hier in jäher Verzweiflung. Aber gerade im Augenblick der höchsten Not war auch hier die Rettung die Freiheit am nächsten. Wer sollte ihn nicht kennen, um dessen Haupt hier die Kugeln hessischer Schergen sausten, wer sollte ihn nicht lieben und hoch verehren, eben so sehr seines Karafters und seiner traurigen Schicksale als seiner Seume war zum Theoden armen Seume!? logen bestimmt; aber durch philosophische Studien angeregt, brach er mit der christlichen Ortodoxie. Sein Edelsinn verabscheute die Heuchelei, und da er wußte, daß sein Gönner, der Graf von HohenthalKnauthain einem Freisinnigen die Unterstüzung beim Studium verjagen würde, beschloß der junge Mann, sich auf eigene Füße zu stellen und sein Glück in Paris zu versuchen. Mit einem Vermögen von neun Talern wanderte er aus Leipzig . Schon nach drei Tagen wurde er von hessischen Werbern aufgegriffen und jenen Unglüdlichen eingereiht, die der berüchtigte Seelenverkäufer in Kassel nach Amerika ver
Lieder wegen
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kaufte, damit sie den Engländern im Kriege gegen die nordamerikanischen Kolonien dienten. Seume's Abteilung nahm am Kampfe nicht teil, sondern blieb im Lager bei Halifax . Als der Friede verkündigt wurde, spedirte man die Menschenwaare", welche nicht im Kriege konsumirt worden, nach Europa zurück. Bei der Ankunft in der Wesermündung verbreitete sich unter den Unglücklichen das Gerücht, man wolle sie nun in Minden an die Preußen verkaufen. Um dieser neuen Knechtschaft zu entgehen, entwarf Seume mit einigen Freunden den Plan zur Flucht. In der größten inneren Aufregung spähten sie vergeblich mehrere Nächte nach günstiger Gelegenheit. Und als eine solche sich darbot, war Seume in tiefer Erschöpfung in den Schlaf gesunken, so daß die Genossen allein davongingen. Aber bald darauf konnte er doch in Bremen seinen Schergen entspringen. Lassen wir wieder Allmers berichten: Wackere Bürger halfen ihm über die beiden Brücken, durch die Neustadt und aus dem Tore, indem sie auf alle Weise die ihm nachsezenden hessischen Jäger, welche schon im ersten Augenblicke seine Flucht gewahr wurden, aufhielten und irre leiteten, so daß er einen Vorsprung bekam. Aber die Verfolger ließen nicht ab, und der Arme rannte nun in entsezlicher Hast längs der Weser stromabwärts und lief in einem fort vier Stunden weit, immer die Jäger ganz nahe hinter ihm. Matter und matter werdend, wollte er fast zusammenfinken vor Erschöpfung. So trieben sie ihn auf den Winkel zu, welchen die Ochtum, ein Nebenflüßchen der Weser, mit dem Strome bildet. An ein Fortkommen war kaum mehr zu denken. Mit Entsezen sieht er den lezten Weg abgeschnitten und schon will er hinstürzen und in dumpfer Verzweiflung sich wieder in sein trauriges Schicksal ergeben, als er plözlich hinter Weidengebüsch am Ufer einen Fischer mit seinem Boote erblickt. Mit einem Saze feiner lezten Kraft springt er in dasselbe hinein. Um Rettung fleht er angstvoll den Schiffer an, und dieser, der entsezt die gräßliche Menschenjagd mit angesehen, heißt ihn rasch auf den Boden des Fahrzeugs sich niederstrecken, rudert fort und er= reicht gerade in dem Augenblicke das andere Ufer, als die Jäger an