-

562

den Fluß gelangen. Da fein anderes Boot in der Nähe war, mußten| sich leztere mit erfolglosen Büchsenschüssen begnügen. Hier Freund", sagte der brave Schiffer zu dem endlich aufatmenden Flüchtling, hier auf oldenburgischem Grund und Boden seid ihr frei, lebt wohl, Gott  helf euch weiter." Das geschah vor hundert Jahren. Jener Jüngling, Seume   war damals zwanzig Jahre alt hat sich später einen Plaz unter der Schaar der Unsterblichen erworben. Zwar ist er unserer Zeit etwas fremd geworden, seine einfache und liebens­würdige, launige und poetische Reisebeschreibung:" Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802" wird nur noch wenig gelesen, und der größte Teil seiner Gedichte, die er in bescheidener Weise nur als Herzensergießungen und Herzenserleichterungen bezeichnet, ist ver­geffen, aber einige Worte von ihm sind für immer Volkseigentum geworden. Wer kennt nicht:

"

-

Wo man singt, da laß' dich ruhig nieder, Böse Menschen haben keine Lieder!"

( Allerdings lautet die Seume'sche Poesie etwas anders; der Volksmund hat sie in die bekannte Form gebracht.) Wer hat nichts gehört von seinem Gedicht: Der Wilde, der Europens übertünchte Höflichkeit" nicht kannte, der da ferner sagte: Seht, wir Wilden sind doch bess're Menschen", und der sich zulezt seitwärts in die Büsche schlug?"

Ueber jene Fürsten   aber, welche vor hundert Jahren in so ent­sezlicher Weise ihre Macht über wehrlose, friedliche Völker mißbrauchten, hat die Geschichte unerbittlich Gericht gehalten. Das tröstet mich immer, wenn beim Betrachten des oben genannten Denkmals Bilder des Schreckens in mir aufsteigen. Ja, es gibt eine aussöhnende Gerechtig­keit! H. Allmers sei auch hier gedankt, daß er durch diese Stiftung die Erinnerung an einen edlen Dichter, an Retter in der Not und an eine der traurigsten Zeiten unserer Geschichte wachhält. Dr. L. B.

"

Die East River Brücke in New York.  ( Illustr. S. 544-545.) Wie New- York   selbst auf der Insel Manhattan  , so liegt auch die große, etwa 400,000 Einwohner zählende Vorstadt Brooklyn   auf einer Insel, nämlich Long Island  . Die beiden Inseln sind durch den Meeres­arm East- River getrennt, der ziemlich breit ist, wodurch bei Eisgang und Hochwasser oft sehr nachteilige Störungen des Verkehrs zwischen beiden Inseln eingetreten sind. Um dieser Kalamität abzuhelfen, ent­schloß man sich, eine feste Brücke über den Meeresarm East- River zu bauen, und es ist tatsächlich gelungen, eine solche herzustellen. Die menschliche Kunst hat wiederum eines der größten natürlichen Hinder­niffe glänzend und siegreich überwunden, und es ist ein Wunderwerk entstanden, welches zu den größten Triumphen menschlichen Geistes und menschlicher Arbeit gehört. Die East- River Brücke ist für Eisen­bahnverkehr, für Wagen und für Fußgänger eingerichtet und ruht auf zwei mächtigen Pfeilern, die nach geradezu staunenswerten Anstrengungen in den schlammigen Grund des East- River selsenfest eingelassen worden sind. Ein großartiges stählernes Hängewerk, aus mächtigen Hebeln bestehend, trägt die eigentliche Brüde mit ihrem Schienenweg, mit ihrem Weg für Fuhrwerk und mit dem Pfad für Fußgänger. Es ist ein großartiger Anblick, wie weit über die Gebäude der verbundenen Städte hinweg sich diese Brücke erhebt, die aus Stem, Stahl und Eisen be stehend, allen Naturgewalten zu trozen befähigt ist. Die Brücke hat eine Länge von 1800 Metern; sie erhebt sich 41 Meter über die ge­wöhnliche Höhe des East- River. Der Bau dieses gewaltigen Verkehrs­werkes wurde im Jahre 1870 begonnen. Der Ingenieur, welcher die Pläne entworfen hatte, und auch mit der Ausführung beauftragt war, John A. Roebling  , verunglückte gleich beim Beginn des großen Unter­nehmens und verlor sein Leben; sein in Deutschland   ausgebildeter Sohn, Washington Roebling  , ward sein Nachfolger und zog sich eine Lähmung an allen Gliedern zu. Das Unternehmen verschlang über­haupt eine nicht gering anzuschlagende Zahl von Menschenleben, wie es viele der mitwirkenden Arbeiter schwer an ihrer Gesundheit geschä­digt hat. Nach den Roebling  'schen ursprünglichen Kostenanschlägen sollte die Brücke auf etwa 15 Millionen Dollars zu stehen kommen; allein sie ward viel kostspieliger, denn die Brückenbau- Gesellschaft war teilweise aus sehr gefährlichen Elementen zusammengesezt. Der berüch­tigte Millionendieb Tweed wußte sich mit einigen Genossen aus dem Tammany- Ring   in dem Unternehmen festzusezen, und da dauerte es gar nicht lange, bis an den Händen einzelner Unternehmer" gewal= tige Summen, weit in die Millionen hinein, hängen blieben. Da Tweed und seine Spießgesellen damals noch allmächtig waren, so fonnte man nichts ausrichten, trozdem eine Zeitung eigens zu dem Zwed gegründet wurde, um jene Betrügereien aufzudecken. So haben Ingenieure und Arbeiter das Verdienst an jenem großartigen Bau, und haben Leben und Gesundheit wo nicht geopfert doch aufs Spiel gesezt; verschmizte und gewissenlose Finanzbarone aber haben den Profit. Die Bürger von New- York   und Brooklyn  , die etwa 20 Mil­lionen Dollars für den Brückenbau zugeschossen haben, müssen jezt Brückengeld bezahlen, wenn sie die Brücke passiren wollen, und aus diesem von ihnen selbst bezahlten Brückengeld bekommen sie wieder die Zinsen für ihre Vorschüsse gezahlt! Das sind allerdings unangenehme

"

Zugaben zu der allgemeinen Freude, welche die im Mai diten das ist erfolgte Vollendung der East- River Brüde hervorrief. Allein häufig so, und man kann es unter den bestehenden Verhältnissen nicht ändern; man wird aber für die Zukunft eine große Lehre daraus ziehen und ernsthaft darnach streben, jenen Makel der großen Republit zu

beseitigen, jene unglaubliche Korruption, welcher der herrschende rohe Materialismus erlaubt, sich auch an ideale Unternehmungen hinan­zudrängen. Möge die East- River Brücke ein hochragendes Wahrzeichent für die Notwendigkeit einer Beseitigung jener Korruption sein! W. B.

Unbeständig. Die junge Schöne auf unserer Illustration( S. 549) und schön ist sie, das muß ihr der Neid lassen hat sich ganz dem Sommervergnügen hingegeben und ist hinausgeeilt ins Grüne, um sich an den schönen Gaben des Sommers zu erfreuen. Der Sommer, so hat sie wohl gedacht, ist nicht so unbeständig wie der Herbst und der Frühling, und so ist sie denn hinausgeschwebt im leichten Hütchen und im leichten Gewand, nur mit einem Fächer bewaffnet. Aber auch der Sommer hat seine Launen. Oftmals strahlt er uns noch des Morgens aus wolfenlosem tiefblauen Himmel an und Mittags schon verfinstern schwarze Wolken seine Stirn, aus denen oft der Bliz her­vorzuckt, vom rollenden Donner gefolgt, oder aus denen ein mächtiger erfrischender Regen niederrauscht auf die vertrockneten Gelände. Auch unsere junge Schöne ist einer solchen Laune des Sommers anheim­gefallen. Im duftigen Gebüsch ist sie fröhlich umhergeschweist und hat in ihrer Sommerfreude die Welt um sich her vergessen; nun aber ver­fündet ein scharfer Windstoß, der wie ärgerlich an ihren Gewändern zerrt, und ein fernhin dumpf rollender Donner das Nahen eines Ge­witters. Sie hält wie zur Abwehr den Fächer vor sich hin, überlegend, wo sie wohl Schuz und Obdach finden könnte; dabei hat sie wohl keine besondere Furcht, denn sie blickt immer noch mit schelmischem Ausdruck unter dem wehenden Schleier hervor. Möge sie ein gutes Obdach vor Nässe und Rheumatismus bewahren; möge sie aber auch denjenigen, den die Pfeile ihrer Augen ins Herz getroffen, nicht mit einer plöz­lichen Veränderung überraschen, wie ihr der Sommer mit üblem Bei­spiel vorangegangen. Denn diese Augen, die so scherzhaft blicken, sind gefährlich, und die ganze leichthin schwebende, durch das Leben tän­zelnde und scherzende Erscheinung gehört zu jenen, wie sie Heine be­fingt: Habe mich mit Liebesreden Festgelogen an dein Herz, Und, verstrict in eignen Fäden,

Wird zum Ernste mir mein Scherz.

Wenn du dich mit vollen Rechte Scherzend nun von mir entfernst, Nah'n sich mir die Höllenmächte

Und ich schieß' mich tot im Ernst".

So gefährlich wird's nun nicht gleich werden, denn in unserer Zeit stirbt man nicht so schnell on Liebeskummer, aber die Unbeständig­feit in der Liebe ist bei beiden Geschlechtern größer als die Unbe­ständigkeit des Wetters. Domit wollen wir unsere Schöne natürlich W. B. nicht gekränkt haben.

Ein Schmarozerfisch.( Siehe Illustration S. 557.). Zu den zahl­reichen Arten der interressanten Gattung der Holothurien, der Stachel­häuter, jener walzenförmigen Tiere, die sich auf dem Grund des Meeres aufhalten, gehört auch die Seegurfe( Holothuria cucumaria), die viel an der englischen   Küste gefunden wird. Mund und After dieses Tieres befinden sich an den beiden Enden des walzenförmigen Körpers und am Mundende zeigt sich ein Büschel von Fühlern. Die Tierchen werden bis zu 60 cm. groß; sie sind träge und bewegen sich teils mit ihren Saugfüßchen am unteren Teil ihres Körpers, teils auch mittels wurmartiger Krümmungen oder mittels des Mundbüschels fort. Wenn diese Tiere, wie oft geschieht, mit einem Fischernez emporgezogen werden, liegen sie wie leblos da, plözlich aber öffnet sich das eine Walzenende, die inneren Organe des Tieres kommen zum Vorschein und zugleich wird auch noch ein lebendiger Fisch ausgeworfen, der sich darüber sehr unwirsch geberdet.

Dieser Fisch, von den Naturforschern der Fierasfer acus genannt, ist ein Schmarozerfisch, und quartiert sich als ungebetener und unver schämter Gast bei der armen Seegurke ein, die ihn nur dann hinaus­werfen kann, wenn sie sich selbst sehr wehe tun will. Die Art, wie dieser Hausfriedensbrecher in die Seegurke hineinkommt, ist, wie man beobachtet hat, eine sehr originelle. Die Seegurte hat nämlich inner­lich eine Wasserlunge, der sie von Zeit zu Zeit frisches Atemwasser zuführen muß. In dem Augenblick, da sich das eine Ende der Walze weit öffnet, um frisches Wasser aufzunehmen, schießt der Fierasfer herbei, biegt sich fast freisförmig zusammen und läßt sich, wenn die Deffnung der Walze sich wieder zusammenzieht, mit großer Schnelligkeit in das Innere der Seegurte teilweise sozusagen hineinschlürfen, teils dringt er mit hinein.

Im Innern der armen Eeegurfe richtet sich nun der freche Schma­rozer ganz häuslich ein. Er legt sich so, daß er mit dem Kopfe gegen das Afterende der Seegurke gerichtet ist, und schmarozt in der Wasser­lunge, die er sehr häufig völlig zerstört.

Seegurfe noch eingehende Beobachtungen notwendig sind, sieht wie ein

Dieser Fierasser, über den und über dessen Verhältnis zu der

Aal aus, und ist fast ganz wie dieser gebildet. Nach neueren Unter­suchungen hat man entdeckt, daß der sogenannte Fahnenträger( Beyil­lisex), ein fleines Fischchen, nichts anderes ist, als die Larve des