Fierasfer in freiem Zustand. Dies Fischchen trägt einen langen Fortsaz auf dem Rücken, von welchem ein langer, mit kleinen schwarzweißen Wimpeln besezter Faden ausgeht. Dieser Faden mit seinen Anhäng­seln gleicht einer Kolonie von Röhrenquallen, die sehr bitter schmecken, und das soll die Raubfische abhalten, den Fahnenträger zu verschlingen. Das flingt abenteuerlich; wenn dem so ist, dann wäre hier wieder fonstatirt, daß die Zweckmäßigkeit in der Natur oft eine nur sehr rela­tive ist, denn hier wird eine Larve mit einem Aufgebot von Mitteln geschüzt, das sicherlich verkehrt ersch it, wenn man bedenkt, daß diese Larve, zum Fierasfer entwickelt, feinen anderen Zweck hat, als die un­schuldige Seegurke zu quälen. Doch scheinen diese Beobachtungen, von dem Italiener Emery ausgehend, noch der Ergänzung zu be dürfen. W. B.

563

Eine Säkularerinnerung der Wissenschaft. Vor dreihundert Jahren saß in der Katedrale zu Pisa   ein blühender Jüngling von neunzehn Jahren unter der Schaar von Gläubigen, welche mit Gruseln auf die Predigt des Paters hörten, der die furchtbaren Dualen der Hölle, welche des Ungläubigen und Sünders harren, mit den lebhaften Farben einer fanatischen Priesterphantasie ausmalte. Unverwandt starrte des Jünglings Blick in die Höhe, als ob er von des Priesters Feuerworten in Verzüdung geraten wäre. Wer ihn aber genauer beobachtet hätte, hätte entdeckt, daß des Jünglings Auge weder am Munde des Red­ners, noch an den Malereien der Decke hing, noch auch ins Leere gerichtet war, sondern daß es mit ünnender Aufmerksamkeit die Be­wegungen verfolgte, welche die im Dome an langen Ketten hängenden Lampen machten. Als der Gottesdienst schon zu Ende war und die Andächtigen sich entfernt hatten, saß der Jüngling immer noch brü­tend da. Endlich glättete sich seine hohe Stirn, und wie von einer plözlichen Offenbarung erleuchtet erhob er sich und rief zum wieder­holtenmal: Es kann nicht anders sein! Gewiß, es ist nicht anders! Der Name des Jünglings war Galileo Galilei  , und die Ent­deckung, die er in dieser Stunde gemacht hatte, war für die Natur­wissenschaft überhaupt, zunächst aber für die Physik von höchster Be­deutung. In der Quelle aller mittelalterlichen Wissenschaft, im Ari­ stoteles  , stand zu lesen, daß Körper von verschiedenem Gewicht, welche von einer Höhe gleichzeitig zur Erde fallen, nicht gleichzeitig auf die Erde gelangen, sondern daß der schwerere je nach dem Gewichtsverhältnis um so rascher falle. Was Aristoteles   lehrte, war für die Scholastik unanfechtbar, ihr war Aristoteles   der infallible Wissenschaftspabst. Der freie Fall der Körper steht im Verhältnis zu ihrem Gewichte, war daher für die Scholastik ein physikalisches Dogma. Galilei  , der nach­malige große Reformator der Naturwissenschaft, dessen Genie schon in frühester Jugend die Schwingen regte und die Fesseln der Autorität abzustreifen strebte, hatte mit Verwunderung wahrgenommen, daß die gleich lang herabhängenden Leuchter gleichzeitige Schwingungen machten, eine scheinbare Kleinigkeit, welche den meisten gleichgiltig gewesen wäre, für einen scharfsinnigen Kopf aber, wie Galilei   von der größten Er­heblichkeit war. Wie Newton durch einen vom Baume fallenden Apfel auf die Entdeckung des Gesezes der Schwere geführt ward, so kam Galilei  durch seine Beobachtung der Lampenschwingungen auf die Entdeckung, daß das Gewicht eines Körpers auf dessen Fallgeschwindigkeit von gar feinem Einfluß sei und somit ein schwerer Körper nicht schneller zur Erde falle als ein minder schwerer. Denn er erkannte ganz richtig, daß die schwingenden Lampen als schwere Pendel ganz im Falle zweier Gewichte seien, welche auf gleich geneigten schiefen Flächen herabrollen. Da nun die Pendel in einerlei Zeit zur untersten Stelle tamen, so zog er daraus den Schluß, daß die schweren Körper durch den freien Fall in gleicher Zeit auch gleiche Räume durchlaufen.( Nur bei ganz leichten Körpern, welche den Luftwiderstand zu besiegen haben, zeigt sich ein Unterschied; im luftleeren Raum aber fällt eine Flaumfeder ebenso schnell zur Erde wie eine Bleikugel.) Aber Galilei   begnügte sich nicht mit der aus den Lampenschwingungen gezogenen Schlußfolgerung; er wollte diese durch direkte Versuche nachweisen, wie er denn das den Scholastikern verhaßte Experimentiren, die einzig solide Basis einer egatten Naturforschung, erstmals zu Ehren brachte. Er stieg auf den schiefen Turm zu Pisa   und warf vor Zeugen Steine von verschiedener Größe herab, und siehe da, sie kamen immer wieder, ohne Rücksicht auf ihre Größe, gleichzeitig unten an, und mit jedem aufklatschenden Fall zerbröckelte ein Stück nach dem andern von der alten Zwingburg mittelalterlich- scholastischer Wissenschaft. Diese Versuche, welche wegen ihrer Neuheit vieles Aussehen machten, und auf keine Weiſe widerlegt werden konnten, zogen ihm sehr viele Feinde zu, so daß er sich genö­tigt sah, Bisa zu verlassen und die ihm angetragene Lehrstelle zu Badua zu übernehmen. Jeder fußbreite Fortschritt mußte mit schweren Kämpfen errungen werden. Galilei   untersuchte und fand nun auch in der Folge die für Physik und Mechanik überaus wichtigen Fallgeseze, die heut­zutage in jedem Lehrbuch der Physik nachgelesen werden können. Wie viele Entdedungen und Erfindungen die Naturwissenschaft dem Genie Galilei's   verdankt, kann hier nicht ausgeführt werden, und sein Prozeß, der ihm, dem Verfechter des Kopernikanischen Systems, von der Inqui­ sition   gemacht wurde, ist hinlänglich bekannt, wie auch sein berühmtes Bort: Und sie bewegt sich doch!" Gegenwärtig ist die Lehre von der Bewegung der Erde, um derentwillen Galilei   Kerker und Folter er­dulden mußte, auch von der Kurie anerkannt. Mögen wir hierin eine Gewähr erbliden, daß auch andere Bewegungen zum Bessern, die von

der Gegenwart gehemmt und angefeindet werden, einst allgemein zur Geltung gelangen werden, entsprechend dem schönen Dichterwort:

Wahrheit! du mußt deine Märtyrer haben; Ohne sie winket dir nimmer der Sieg! Als man den Dulder schon lange begraben, Lange sein Mund, der begeisterte, schwieg, Und nun fein Mensch mehr spricht: ,, Nein, sie bewegt sich nicht!" Kündet ein Denkmal am heiligen Orte: Wahrheit, du siegſt!

-

Und es huldigt dem Worte

Selber die Kirche noch:

" Ja, sie bewegt sich doch!" Fesselt die Erde in zwängende Schranken! Greifet der Zeit in das rollende Rad! Bindet die Flügel der fühnen Gedanken! Haltet die Menschheit auf strebendem Pfad! Törichter Blödsinn spricht:

,, Erde  , beweg' dich nicht!" Nimmermehr zwingt ihr sie, stille zu stehen! Vorwärts und vorwärts wird ewig sie gehen! Hindert und hemmet noch Und sie bewegt sich doch!

-

Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.

St.

49

Elsässische Haussprüche und Inschriften. Aus den Mitteilungen des Vogesenklubs" liegt uns ein Separatabdruck vor: Haussprüche und Inschriften im Elsaß  , gesammelt von Kurt Mündel ( Straßburg   1883). Es sind Inschriften an Häusern, in Wirtsstuben, auf Geräten, Ofenplatten, Grabsteinen und Gloden, die der Heraus­geber auf langjährigen Wanderungen durch das Land zusammengebracht hat und durch deren Veröffentlichung er zur Nachahmung, zur Aufzeich­nung der noch fehlenden Inschriften anregen möchte. Sollte durch dieses Zusammenarbeiten ein möglichst vollständiges Inventarium der elsässischen Haussprüche entstehen, so würde dadurch ein Beitrag für die Kulturgeschichte des Landes geliefert sein, klein, aber interessant, wie ihn meines Wissens noch kein Teil Deutschlands   besizt." Wir können uns nicht versagen, einige karakteristische Sprüche zur Probe hier anzuführen. So trägt ein Hofbrunnen in Kaysersberg   folgende Inschrift vom Jahre 1618:

Drinkstv waser in deim Kragen Bber Disch es kalt din Magen. Drink masig alten subtilen Wein. Rath ich vnd las mich waser sein."

Ebenda an der St. Michaelskapelle, dem Beinhaus: So ist's recht

Da liegt der Meister bei seinem Knecht."

oder etwas anderes an der St. Arbogastkirche zu Rufach  :

"

Gont   her und sehent das Recht.

Hier liet der her bi dem Knecht.

Nun gont für bas in

Und luget wer mag der here sin."

Aus Straßburg   greifen wir folgende heraus: Inschrift von 1588 an einem Hause der Drachengasse( jezt verschwunden):

"

Wo Landsknecht sieden und braten Pfaffen zu weltlichen Dingen rathen

Und d' Weiber führen das Regiment Do nimmt's selten ein guts End."

Ebenfalls verschwunden ist folgende Inschrift am Hause der Seiler­familie Kammerer in der Kaufhausgasse:

,, Die kleinen Diebe hängt man auf

Die großen läßt man laufen. Wär dies nicht der Welten Lauf

Würd ich mehr Sträng verkaufen."

Auch französischer Wiz hat sich in Form eines Rebus dort ver­sucht. Am Estaminet du Pêcheur in der Schiffleutstaden Nr. 4 liest man über der Tür:

0. 20. 100. O!

( d. h. Au vin sans eau, 3. D.: Dem Weine ohne Wasser.) An einem Hause in Obermodern, Kreis Babern, steht: ,, Wer da aus und eingeht

und sein Sinn zum stehlen steht der bleib drausen.

Unsere Kazen können selbst mauſen."

Und über einer Gartentür zu Zinsweiler, Kreis Hagenau: ,, Und wenn Du in mi Gärdle geeschd

So wirf i di mit Steine

Und triff i di, so ischt's schon recht

Ein andermal blieb d'heime."