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Unverschämter," sagte sic, ich werde dich hinausbringen lassen, wenn du dich nicht sogleich entfernst."

Sie wich zurück, aber Kurt, sei es nun, daß die Trunken heit seine Leidenschaft entflammt hatte oder daß ihn sonst eine böse Eingebung trieb genug, er fiel vor der jungen Frau nieder und suchte ihre Knie zu umfassen, indem er einzelne unartikulirte Laute hervorstieß.

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Meta sah sich angstvoll um da in diesem Moment trat Doktor Ambrosius in das Gemach. Er blieb gleich einer Bild­säule stehen.

Meta sah noch, wie Kurt, feige und geduckt, wie ein im fremden Obstgarten ertappter Schuljunge die Türe gewann und an ihrem verächtlich auf ihn niederblickenden Gatten vorüber hinausvoltigirte. Sie fühlte, daß sie das Opfer eines Buben streichs und einer fürchterlichen Verkettung von unglückseligen Umständen sei; sie sah in das Gesicht ihres Mannes, dessen Züge alle Leidenschaften des Zorns spiegelten und in deren Aus­druck sich Härte, Schmerz und Verachtung um den Vorrang stritten. Das arme Weib sah ein, daß sie weder mit Vernunft­gründen noch mit Sanftmut den langbefürchteten Ausbruch seines Zornes werde bändigen können; ihre lang gequälten Nerven versagten endlich die gewohnten Dienste und sie sank in eine tiefe Ohnmacht.

Als sie wieder zum Bewußtsein fam, lag sie auf dem Ruhe­bett ihres Schlafgemachs; von den Dienstboten war niemand vorhanden, der sich um sie bemüht hätte. Eine beängstigende Dede umgab sie, und sie sann über die Ereignisse nach, die wie ein wüster Traum sich hinter ihr türmten da vernahm sie den festen Schritt ihres Gatten und gleich darauf erschien er im Zimmer. Sein Gesicht war wie versteinert in Härte und Hohn. Befinden Madame sich wieder wohl?" fragte er mit eisigem

Tone.

Meta zuckte jäh zusammen; ihr Antliz ward abwechselnd blaß und rot. Sie erhob sich mühsam, wankte zu ihm, fiel vor ihm nieder und indem sie ihr tränenüberströmtes Antliz zu ihm erhob, sagte sie leise:

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Ambrosius, verkenne mich nicht! Ich bin unschuldig!" Er stieß ihre Hand von sich und lachte grell auf.

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Wenn ich mich noch über etwas ärgern fönnte, so wäre es der Umstand, daß du mich für so töricht hältst und glaubst, mit deinen lügnerischen Worten mir ausreden zu können, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen."

" Höre mich nur erst an!" bat Meta.

" Was könntest du mir sagen wollen?" crwiderte er rauh. " Schon bevor ich mit dir getraut wurde, hat man mir mit­geteilt, daß ich auf deine Treue nicht werde rechnen fönnen."

Sie richtete sich hoch auf und ihre großen Augen hefteten sich angstvoll auf die seinen. Und das hast du geglaubt?"

" Nein," schrie er mit rauhem Lachen, das ist eben das Unglück, daß ich es nicht geglaubt habe. Ich Narr habe erst abwarten müssen, bis ich den handgreiflichen Beweis geliefert bekam. Nun ist der Beweis aber da, und ich muß mich vor der ganzen Welt als denjenigen auslachen lassen, der mit all seiner Gelehrsamkeit von seinem- Dienstmädchen dupirt worden ist. Eine herrliche Zukunft, die ich nebst dir hauptsächlich deinem Herrn Vater zu verdanken habe, der wohl gewußt hat, waram es ihm mit Verlobung und Hochzeit so sehr pressirte."

Er rannte mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, zuweilen ein kurzes und rauhes Lachen hervorstoßend.

Meta versuchte nochmals gegen seinen Zorn anzufämpfen. " Du tust mir entsezlich Unrecht, Ambrosius," sagte sie, am meisten dadurch, daß du mir keine Möglichkeit gibst, mich zu verteidigen."

" Das hast du gar nicht nötig," sagte er wütend; du bist ja meine Frau und ich bin an dich geschmiedet für alle Fälle!" Sie fuhr zusammen, aber sie geriet nicht in Erregung. Sie blieb sanft und fest.

" Ich werde noch in dieser Stunde das Haus verlassen, in dem ich dir lästig werde. Der Schein ist gegen mich und das Unglück hat mich zu seinem Opfer ersehen.

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"

" Natürlich!" höhnte er.

Es war nicht recht," fuhr sie ruhig fort, mich mit einem entehrenden Verdacht zu belasten"

Der sich bestätigt hat," fiel er ein.

Und auf fremder Leute Worte mehr zu hören, als auf die der eigenen Frau ohne sich erst Gewißheit verschafft zu haben."

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" Ich habe mir die Gewißheit verschafft, daß du mich nicht mehr täuschen sollst."

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Nun, ich gehe schon," sagte Meta ruhig und wandte sich. ,, Natürlich zu dem Geliebten deiner Jugend," sagte er höhnisch. Sie wandte sich noch einmal um. Ambrosius," sagte sie mit zitternder Stimme, möchtest du nie bereuen, mich so be­handelt zu haben!"

Er war allein. Nach einer Viertelstunde sah man eine ver­hüllte weibliche Gestalt raschen Schrittes das Haus verlassen und in dem fühlen regnerischen Abend verschwinden.

Aber auch Doktor Ambrosius entfloh. Schon am dritten Tage fühlte er sich in dem nun vereinsamten Hause nicht mehr heimisch. Er hatte geglaubt, mit Metas Eltern eine harte Auseinandersezung bestehen zu müssen. Aber es kam niemand, und das ärgerte ihn, wie es ihn geärgert hätte, wenn jemand gekommen wäre. Dann hoffte er immer, Meta werde irgend etwas von sich hören lassen. Aber sie gab kein Lebenszeichen; er blieb allein in den Räumen, die ihm nun verödet erschienen, nachdem sie sein Glück und dessen Abschluß gesehen.

Es regten sich doch leise Gewissensbisse bei ihm. Wic, wenn er ihr doch Unrecht getan! Konnte den all ihre Zärtlich­keit nur Heuchelei gewesen sein? War ihr Abschied der einer Frau, die ihren Mann betrogen hat? Waren denn diese sanften blauen Augen wirklich nur die Verhüllung einer häßlichen und gemeinen Seele?

Er zwang sich dazu, in diesen Regungen seines Herzens Schwächen zu erblicken und sich über dieselben hinwegzusezen. Aber im Hause litt es ihn nicht mehr. Die Räume, welche die Zerstörung seines Glückes gesehen, wurden ihm unerträglich. Auch wollte er dem nun unvermeidlichen Stadtklatsch ausweichen. Er vertraute sein vereinsamtes Hauswesen seinem alten Gärtner und dessen Frau an, von denen er wußte, daß sie ihm ergeben waren. Die übrigen Dienstboten entließ er. Dann packte er seine Koffer und ging auf Reisen, nachdem er noch bei seinem alten Gärtner reichliche Geldmittel deponirt hatte für den Fall, das Meta wieder auftauchen würde. Sie sollte keine Not leiden. Auch sollte sie das Haus jederzeit beziehen können. Der alte Gärtner wurde verpflichtet, von allen etwaigen derartigen Vor­fällen dem Doktor Ambrosius sofort Nachricht zu geben. Dieser war immer ein guter Herr gewesen und dem alten Hausbesorger und seiner Frau standen die Tränen in den Augen, als der Doktor sich so bleich und verstórt verabschiedete.

Er wolite reisen und vergessen. Das Reisen wurde ihm wohl leicht, aber das Vergessen viel schwerer.

Die Küsten der nordischen Meere mit ihrem Flachlande schienen ihm nicht geeignet, seinen Gedanken eine andere Rich­tung zu geben. Im Norden erinnerte ihn alles an Sie, Sprache, Tracht und Sitte. Er wollte das Ferne und das Fremde aufsuchen. Und so fam er nach dem sonnigen Süden, ins Land, wo die Zitronen und die Goldorangen blühen, nach Italien  . Als er die Alpen   hinter sich hatte, glaubte er zwischen der Vergangenheit und sich eine Scheidewand errichtet zu haben. Aber er täuschte sich; er sollte erfahren, daß man sich nicht so rasch losreißt von Menschen, mit denen man glücklich ge= wesen ist.

Er besah Venedig  , die Königin der Adria  , und bewunderte die Ueberreste jener stolzen republikanischen Seeherrschaft; er sah die Kunstschäze von Florenz  ; er stand in der Siebenhügelstadt an der Tiber   vor den stummen Zeugen einer gewaltigen Ver­gangenheit. Nach dem schönen Neapel   und nach dem roman­tischen Sizilien trieb es ihn; er schaute in den Krater des Vesuv   und befuhr die berühmte blaue Grotte von Capri  .