Wie oft hatte er sich in jungen Jahren darnach gesehnt, dies von der Natur und Kunst gleich herrlich geschmückte Italien besuchen zu können! Nun aber, da dieser Wunsch erfüllt, konnte er nicht mehr zu der alten Begeisterung gelangen. Kunst und Kunstschäze interessirten ihn sehr; die schöne Natur des Landes noch mehr. Er trank auch den feurigen Falernerwein sehr gern, der Horaz zu seinen schönen Versen begeistert hat, und er fand, daß die Römerinnen mit ihren feurigen Augen, dunkeln Locken und schlanken Gestalten recht schön waren. Aber er hatte ein Gefühl, als ob sein Inneres, der Mittelpunkt seiner Gefühle und Interessen, in zwei ungleiche Räume abgeteilt sei. Der kleinere Raum war angefüllt mit den Interessen für die Schön heiten von Kunst und Natur, der größere aber ließ eine empfindliche Leere verspüren, die weder in Rom , noch in Venedig , noch in Neapel , noch in Sizilien ausgefüllt werden konnte. Es gab nur ein Wort, das andeutete, wie diese Leere auszufüllen sei, und dies eine Wort hieß: Meta!
Jawohl: Meta! Das gestand er sich, nachdem er die Insel
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Sizilien kreuz und quer durchzogen und sich in dem Städtchen Marsala , an der Westküste, zur kurzen Rast niedergelassen hatte. Der berühmte feurige Marsalawein wollte ihm gar nicht schmecken. Früher hätte er sich in die Denkwürdigkeiten dieses uralten Ortes versenkt; heute dachte er gar nicht daran, wie heiß hier Karthager und Römer einst um den Besiz von Sizilien gestritten; er hatte auch vergessen, daß hier im Jahre 1860 Garibaldi mit seinen„ Tausend" gelandet war. Er dachte an ganz andere Dinge. Sein alter Gärtner hatte ihm nie etwas von Meta gemeldet; er hatte darum bei ihm angefragt, ob sie kein Lebenszeichen gegeben. Auch nach Kurt Rohlfs hatte er gefragt. Die Briefe hatte er nach Marsala bestellt. Er fand sie vor und der Gärtner meldete ihm, daß Kurt Rolfs wenige Tage nach seiner( des Doktors) Abreise in einem Raushandel erstochen worden sei, daß man aber von Meta gar nichts mehr gehört habe und daß ihre Eltern jede Auskunft verweigerten. Kein Mensch sonst im Städtchen wisse, wo sie sich befinde; im elterlichen Hause aber sei sie sicherlich nicht. ( Schluß folgt.)
Jägers Teorie.
Von Dr. Richard Ernst.
Die Hefte 15 und 16 dieser Zeitschrift brachten einen Artikel| dazu angetan ist, bösen Zungen Gelegenheit zu geben, ihn der über die Jägersche Seelenteorie und was damit zusammenhängt. Charlatanerie zu zeihen. Der Herr Verfasser jenes Artikels sieht in der Seelenteorie Jägers eine epochemachende Entdeckung, ja er verspricht sich von derselben die vollständige Lösung des Lebensrätsels, den Schlüssel zu den innersten Kammern der Biologie, welche bis jezt der Forschung verriegelt und versiegelt blieben. Ich meinerseits denke etwas kühler über die Sache; ja, bei Licht besehen, erscheint mir die Jägersche Seelenteorie gerade so nichtssagend wie die Seelenlehre der Teologen, d. h. als ein unter neuem Namen auftretendes asylum ignorantiae. Denn was soll damit erklärt sein, wenn angenommen wird, die Seele sei eine dusterzeugende Substanz? Sind wir damit dem Verständnis des biologischen Problems auch nur um einen Schritt näher gerückt? Wenn das Wort Seele im Munde eines Naturforschers irgend einen Sinn haben soll, so kann damit nur das gemeint sein, was die organischen Wesen von den anorganischen Dingen unterscheidet.
Nun wissen wir längst, daß dies die Zelle ist; was die Wissenschaft aber bis jezt unbeantwortet lassen mußte, ist die Frage: Welches sind die Bedingungen, unter welchen sich das Anorganische zur Zelle bildet und welche Kraft liegt sämmtlichen biologischen Erscheinungan zu Grunde? Oder um mit Jäger zu reden: Wir kennen so ziemlich die Mechanik des lebenden Körpers, wir kennen die Lokomotive und die Geseze, nach welchen sie wirkt, aber der Lokomotivführer hat sich bis jezt unserer Nachsuche zu entziehen gewußt und man nannte ihn die Seele. Nun sagt uns Herr Jäger, die Seele sei ein riechbarer Stoff. Es mag ja nun wohl wahr sein, daß sich damit manches biologische Phänomen erklärt, wenn man annimmt, daß diejenigen Bestandteile des Protoplasma, welche riechbar sind, zugleich die eigentlichen Träger der Lebenserscheinungen sind. Damit ist aber der Kern der Frage ganz und gar nicht beantwortet. Die Bedeutung der Jägerschen Entdeckung, vorausgesezt, daß sie sich bewahrheiten sollte, liegt also nur darin, daß er die ricchbaren Bestandteile des Protoplasma als die Seele bezeichnet. Dies berechtigt doch aber Herrn Jäger gewiß nicht, sich als Entdecker der Seele aufzuspielen, oder man müßte denn beispielsweise auch nicht Korpernifus als Begründer des Kopernikanischen Systems bezeichnen, sondern Kepler , da er durch seine drei Geseze erst dasselbe vervollständigt hat. Jägers Redensarten über seine Seelenentdeckung, die vielleicht zunftwissen schaftlichen Köpfen imponiren mögen, sind vielmehr geeignet, seine wissenschaftlichen Untersuchungen zu diskreditiren wie seine neueste Erfindung des von ihm sog.„ Stimmzaubers" u. dgl.
Was nun an Jägers Entdeckungen bezüglich der Zellensubstanzen und ihrer speziellen Funktionen Wahres ist, hierüber zu urteilen ist Sache der Fachmänner. Ein doppeltes Verdienst aber werden wir Jäger unbedingt zugestehen dürfen, nämlich 1) daß er mit seiner wollenen Normalkleidung die hygienische Seite der Bekleidungsstoffe betont und die Vorteile der Wollenfaser vor der Pflanzenfaser( die er freilich mit seinem Wetterfest, Seuchenfest, Affektfest ins Aschgraue übertreibt) hervorgehoben hat und praktisch zur Geltung zu bringen weiß; 2) daß er über das Wesen der Düfte gründliche Untersuchungen angestellt und eine Wissenschaft der Düfte, eine Odorologie, wenn ich so sagen darf, angebahnt hat. Freilich, mit den Schlagwörtern:„ Luſtdust, Unlustduft, Angstduft" hat sein Pferd wieder jene Kapriolen geschnitten, die uns bei Jäger nicht mehr überraschen, denen er aber vielleicht gerade seine Popularität verdanken mag. Denn, wie Immermann einmal sagt, die Vernunft ist wie reines Gold, zu weich, um Façon anzunehmen; es muß erst ein tüchtig Stück Kupfer, so eine Portion Verrücktheit darunter getan werden, dann ist dem Menschen erst wohl, dann macht er Figur und stellt seinen Mann." Denn wenn es auch zutreffen sollte, daß der Mensch im Wohlbefinden und in der Freude anders duftet als in der Unlust und der Leidenschaft, so hat man noch lange fein Recht zu jener höchst einseitigen Kategorisirung und den darauf gebauten Behauptungen.
In diesem Artikel soll nun Einiges von der Jägerschen Geruchlehre dargestellt werden; d. h. nicht die seltsamen Schlüsse, die er zieht, sondern die Tatsachen, die er zum Teil selbst gefunden und die er zu systematisiren sucht.
Jäger geht von der Erfahrung aus, daß jede Tierart ihren spezifischen Ausdünstungsgeruch hat( wie das Fleisch jeder Tierart seinen spezifischen Geschmack hat und wie die Pflanzen ihre spezifischen Gerüche haben). Selbst ein unge schultes Geruchsorgan(?) wird mit verbundenen Augen ein Pferd von einem Rind, eine Ziege von einem Reh, einen Hund von einer Kaze, einen Marder von einem Fuchs, eine Krähe von einer Taube, einen Papagei von einer Henne, eine Eidechse von einer Schlange zu unterscheiden vermögen. Der Ornitologe Dr. Julius Hoffmann, Jägers Freund, hat sogar diesen überzeugt, daß man auch eine Rabenkrähe und eine Nebelfrähe, also Lokalformen dergleichen Art, am Ausdünstungsgeruch mit Sicher heit unterscheiden kann.
Der Saz vom spezifischen Geruch( und Geschmack) wird nun von Jäger zunächst folgendermaßen erweitert: Nicht blos jede