die Säugetiere, die im eminenten Sinn Riechtiere sind. Bei allen Säugetieren nun, oder doch bei sehr vielen, geht der Paarung stets ein Beschnüffeln voraus. Bei den meisten Säugetieren ist ferner die Paarung an eine ganz bestimmte Zeitperiode, die Brunstzeit, geknüpft. Es zeigt sich nun deutlich, daß in dieser Periode eine Variation des Ausdünstungsgeruches, und zwar ohne Zweifel in qualitativer Weise, auftritt. Am leichtesten beobachtet man die Sache beim Hunde. Der männliche Hund verhält sich gegen die Fährte eines nichtbrünstigen Weibchens ziemlich gleichgültig, nimmt dagegen die einer brünstigen Hündin sofort wieder auf und dasselbe gilt von allen Säugetieren. Ganz neu und überraschend war uns folgende Mitteilung Jägers:„ Bei wilden Tieren gelingt die Zähmung eines Männchens einer Frau leichter, die eines Weibchens dem Manne. Meine beiden zahmen Wölfinnen z. B. waren au mich und meine Kinder anhänglich wie Hunde, für Frau und Magd hatten sie nur Knurren und böse Blicke. Eine Hündin attachirt sich viel inniger und leichter einem Manne als ein Rüde, während es sich bei der Frau gerade umgekehrt verhält. Mancher Hundefreund würde viel lieber eine Hündin halten, da die Frau aber nicht mit ihr auskommt, muß er sich mit dem Rüden begnügen. Daß die Stiere von einer Magd sich viel leichter behandeln lassen als von einem Knecht, ist eine nicht minder bekannte Tatsache. Meine Erfahrungen erstrecken sich über Marder, Füchse, Bären, Antilopen, Hirsche, Kazen arten, Zibetkazen und Papageien."
Jäger führt auch diese Tatsachen auf den Ausdünstungsgeruch zurück, und er folgert, daß die Geruchsart jeder Spezies in zwei Modifikationen eristirt, als männliche und als weibliche und daß je die eine als Aphrodisiakum auf den andern Teil wirkt.
Auch die nicht sexuellen Sympatien und Antipatien beruhen nach Jäger auf der Spezifität des Geruchs. Wenn man einer neugeborenen Kaze das Bild eines Hundes zeigt, so läßt sie das, auch wenn sie schon sehen kann, ganz gleichgültig; hält man ihr dagegen eine Hand vor die Nase, welche zuvor einen Hund gestreichelt hat, so verzieht sie das Gesicht und faucht. Das umgekehrte Experiment fann man bei der Kaze mit der Maus machen: ihr Bild läßt sie gleichgiltig, ihr Ausdünstungsduft erregt sofort ihre Begierde, weil er ihr instinktmäßig angenehm ist.
Daß sich die Tiere bei der Nahrungswahl ohnehin vom Geruchssinn leiten lassen, ist bekannt. Die Erzählung, der griechische Maler Apelles habe Trauben so täuschend gemalt, daß die Vögel danach geflogen seien, erklärt Jäger für eine Fabel, indem selbst diese exquisiten Augentiere sich bei der Nahrungswahl nach dem Geruch richten, und der Gesichtssinn erst hinterdrein an der Hand des Geruchssinn seine Entwicklung und Erziehung erfährt.
Weiter behauptet Jäger, daß ein und dasselbe Individuum in freudiger Erregung anders duftet als im Unlusteffekt, besonders in der Angst. Unter anderem führt er folgenden Fall aus seiner Studentenzeit an. Er und sein Fachgenosse Dr. Günther wollten behuss Fertigstellung eines Sfeletts eine Kaze
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töten. Da wir es ungeschickt anfingen, gelang es uns erst nach mehreren verzweifelten Anstrengungen, wobei die Kaze ihren Harn auf dem Zimmerboden entleerte. Es erfüllte sich nun nicht blos sofort das Zimmer mit einem intensiven Gestant, sondern dies wiederholte sich durch länger als ein Jahr jedesmal, so oft der Zimmerboden wieder aufgewaschen wurde. Auch Brehm sagt in seinem Tierleben, daß einem von Berit tenen gehezten Wolfe, wenn er sich endlich in höchster Todes= angst gelähmt und wehrlos stelle, ein abscheulicher Geruch entströmt. Daß die Angstaufregung den Geschmack des Fleisches alterirt, ist bekannt. Das Fleisch von Hirschen z. B., die auf der Parforcejagd erlegt werden, ist so unschmackhaft, daß man es überall nur den Hunden zu fressen gibt. Um Hammelfleisch oder Schweinefleisch wild zu machen, d. h. ihm einen Wildpretgout beizubringen, hezt oder ängstigt man das Tier vor dem Schlachten. Angler wissen aus Erfahrung, daß selbst solche Fische, die von den Hausfrauen auf dem Markt als geschmacklos verachtet werden, wie z. B. die Nahe und der Schuppfisch. vortrefflichen Wohlgeschmack haben, wenn man sie unmittelbar nach der Entreißung aus ihrem Element tötet, während sie allen Wohlgeschmack verlieren, wenn man sie entweder im Trocknen sich zu Tode zappeln oder in einer Legel oder einem Fischkasten sich abängstigen läßt.
Von einem spezifischen Völfergeruch hat schon Richard Andree im Korrespondenzblatt der Anthropologischen Gesellschaft( 1876) gesprochen, und Jäger schließt sich ihm vollständig an. Es werden dafür mehrere Mitteilungen von Reisenden angeführt, welche namentlich die Spezialität des Negergeruchs konstatiren.
Auf den Geruchssinn wird auch von Andree der bei mehreren un- oder halbzivilisirten Völkern übliche Nasengruß zurückgeführt, darin bestehend, daß die einander Grüßenden die Nasen gegenseitig reiben. Der Nasengruß, schon von Linné in Lappland beobachtet, soll dort noch heutzutage bestehen.„ Die lappische Begrüßung," sagt Fries, besteht in einer halben Umarmung, wobei man die rechte Hand auf des andern linke Schulter legt, Wange an Wange und Nasenspize an Nasenspize reibt, mit dem Wunsche därvan, därvan, wohl, wohl!"
Duftorgane des Menschen und der Säugetiere sind nach Jäger die Haare, beim Vogel sind es die Federn.
In seine weiteren außerordentlich reich detaillirten Ausführungen wollen wir Herrn Jäger nicht folgen, da er mit denselben, wie uns scheint, mehr und mehr von der geraden Straße erafter Forschung abkommt und sich in die Irrfahrten der Phantastik verliert. Selbst das reiche Material an Tatsachen, das er auf Grund eigener und fremder Beobachtung beibringt, können wir nicht immer gläubig hinnehmen, da subjektive Befangenheit eine nicht geringe Rolle dabei gespielt zu haben scheint. Mit dem Vorstehenden dagegen glauben wir, das, was von der Jägerschen Teorie ferngesund ist, herausgegriffen zu haben, und es genügt unseres Erachtens hinlänglich, die physiologische Bedeutung der animalischen Düfte wie des Geruchssinus zu erkennen und zur besseren Ausbildung des bisher so sehr vernachlässigten Geruchssinns anzuregen.
Charles Dickens , der größte Humorist Englands, ist einer der wenigen Schriftsteller, welche schon bei Lebzeiten in ihrem Vaterlande warme Anerkennung und Bewunderung fanden; in Deutschland dagegen wurde ihm erst in neuerer Zeit die volle Würdigung zuteil, welche sein seltenes, eigenartiges Talent verdient.
Charles Dickens wurde am 7. Februar 1812 in Landport auf Portsea geboren; Portsea ist, wie bekannt, eine kleine Insel am Eingang des Hafens von Portsmouth . Sein Vater, John Dickens, war ein färglich besoldeter und vielbeschäftigter Beamter im Zahlamt der Marine und am Dockyard von Ports mouth angestellt; seine Mutter, Elisabeth Barrow, war eine
gutmütige, fleißige Frau, allein ihre vielen häuslichen Sorgen und die zahlreiche Familie ließen ihr nicht viel Zeit übrig, sich eingehend um die geistige Erziehung Charles und seiner Geschwister zu bekümmern.
Dickens Vater wurde einige Jahre nach der Geburt Charles von Portsmouth nach London versezt, wo die Familie in Norfolf- Street, nahe dem Middlesex Hospital wohnte. Wir finden in Dickens Werken manche Erinnerungen an diesen Aufenthalt. Schließlich wurde Dickens Vater in dem Dockyard von Chatham angestellt; dort wohnte die Familie in St. Mary's Place; in der nächsten Nachbarschaft befand sich ein Betsaal der Baptisten, Providence Chapel; der junge Geistliche dieser