sog. Foraminiferen, wie noch jezt dort in gleicher Weise entstehen. Aehnliches leisten andere Tierfamilien, Schwämme, Würmer, Echinodermen, kurzum, ein gewaltiger Teil der ganzen Tierwelt ist an diesem Prozesse beteiligt. Wenn man dazu rechnet, daß auch die Wirbeltiere mit ihren Knochen zur Bildung von Felsschichten beitragen, so wird man mir wohl zustimmen, wenn ich daran verzweifle, angeben zu wollen, ob die Tierwelt oder die Pflanzenwelt geologisch bedeutsamer sei.
578
Jedenfalls sieht man aber auch hieraus, daß nichts in der Natur um seiner selbst willen da ist, daß ein jedes noch so unscheinbare Ding nicht nur eine, sondern viele Bestimmungen hat, denen seine Existenz genügen soll. Zugleich hat vielleicht der verehrte Leser eine Vorstellung von dem bekommen, was dem Geologen die Steine erzählen. Erich Stahn.
( In Bodenstedts Tägliche Rundschau".)
Wie die deutsche Schule von der Geistlichkeit, mehr unfrei willig als aus eignem Antrieb, sich trennte, davon habe ich schon in einem früheren Aufsaz gehandelt. Groß war zwar die Zahl der Kloster- und Domschulen und der Lateinschulen der Städte, aber ihr Zustand war keineswegs ein erfreulicher. Für diesen Abschnitt der deutschen Schulgeschichte sind wir in dem glücklichen Befiz dreier selbstverfaßter Lebensbeschreibungen, der des Burkhart Zingg, Ende des 14. Jahrhunderts, der des Johann Buzbach, welcher im fünfzehnten, und der des Thomas Platter , welcher im Anfang des 16. Jahrhunderts fahrender Schüler war. Beide lezteren namentlich werden uns in folgen dem gute Dienste leisten. Von der geringen wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der Hochschulen weiß schon Aeneas Sylvius Bartholomäus Piccolomini, später als Papst Pius II. genannt, als Mensch eben kein ganz sauberer Patron, ein Klagelied zu singen. Dieser berichtet um die Mitte des 15. Jahrhunderts über die wiener Universität wie folgt:„ Es sind viele Lehrer und Studenten in Wien , aber die Wissenschaft der ersteren ist nichts wert und bewegt sich in abgeschmacktem altmodischen Formelkram, die Studenten jagen lediglich ihrem Vergnügen nach und sind der Völlerei im Essen und Trinken durchaus ergeben. Wenige erlangen eine gelehrte Bildung; sie stehen unter keiner Aufsicht, Tag und Nacht treiben sie sich umher und verursachen den Bürgern der Stadt viel Aerger." Er rügt, daß bei Tag und Nacht häufig Händel , ja wahre Schlachten mit zugehörigem Mord und Totschlag, namentlich zwischen Studenten und Handwerkern entstehen.
Wahrlich, kein liebliches Bild von dem Leben der Träger von Wissenschaft und Bildung! Ebenso läßt sich Heinrich Bebel aus Juſtingen , seit 1497 ein gelehrter Professor der Sprachen, der Rechte und der Dichtkunst in Tübingen , hochangesehener Humanist und Lehrer Melanchthons, vernehmen in seinem lateinischen Gedicht Triumphus Veneris, d. i. der Triumph der Venus, worin er alle Stände, die Klerifer nicht ausgenommen, als eifrige Venussoldaten schildert. Unter anderen führt er auf die fahrenden Scholastiker, welche ausgelaufen" sind( so nannte die Sprache der Zeit das Verlassen von Klöstern und Schulen) und zerrissen und zerlumpt Länder, Städte und Dörfer durch ziehen. Kaum drei Worte Latein wissen sie und obgleich aller geistlichen Vorrechte entkleidet, flunkern sie den Bauern vor, sie hätten nur armutshalber die Weihen des Priesters nicht erhalten fönnen. Das Geld, was ihnen gutmütige Bauern oder Bäuerinnen reichen, verschlemmen sie dann.
Auch einen neuen Namen legen sich die sauberen Herren bei, welche sich eine eigene, Uneingeweihten nicht verständliche Sprache, eine Art Rotwelsch geschaffen hatten: sie nannten sich Kammesierer, d. i. gelehrte Bettler. Drastisch ist schon die Erklärung dieses Namens, welche Pamphilus Gengenbach, ein gelehrter Drucker in Basel , vielseitiger Schriftsteller und Vorfämpfer der Reformation, bedeutend namentlich für die Geschichte des deutschen Dramas, in seinem Siber vagatorum, d. i. das Buch von den Vaganten, beibringt. Da heißt es von ihnen: „ Das sint betler, das ist jung scholares, jungstudenten, die bater und muter nit volgen und iren meistern( Magistern) nit gehorsam wollen sein und apostatieren( abfallen) und kommen hinder bös geselschaft, die auch gelehrt sind in der wanderschaft,
die helfen in( ihnen) das ir( ihre) verjonen( rotwelsch verspielen), versenken( rw. versezen), verkummern( rw. verkaufen) und verschöchern( rw. vertrinken); so lernen sie betlen und kamme sieren und die fauzen( rw. Bauern) beseflen( rw. betrügen)." Das Buch Gengenbachs ward sehr volkstümlich nach seiner Umsezung in Prosa und Luther selbst hat 1528 eine Auflage besorgt und bevorwortet.
Martin Crusius ( 1526-1607), der Verfasser der schwäbischen Jahrbücher, schreibt zum Jahre 1544:„ Eine feine Art von heillosen liederlichen Gesellen kam um jene Zeit zum Vorschein in Deutschland . Das waren ungeschickte und verdorbene Schüler, welche gelbgestrickte Müzen trugen und sich fahrende Schüler nannten. Diese gaben vor, sie wären in dem Venus berg gewesen, hätten die Wunderdinge gesehen, wüßten das Vergangene und Zukünftige, könnten verlorene Dinge wieder herbeischaffen und gegen Hererei und Zauberei schüzen. Dabei murmelten sie seltsame unverständliche Worte zwischen den Zähnen, geboten Geistern und Menschen und wollten Schäze herbeischaffen. Dabei zogen sie den Degen, machten Kreise in der Luft und auf der Erde und stellten in die Kreise Lichter und geweihte Sachen, Salz, Wasser, Kräuter und glühende Kohlen, alles kreuzförmig und all dergleichen Dinge. Dabei räucherten sie mit Weihrauch, sprachen fremde Worte, geberdeten sich seltsam und betrogen die Leute." 1556 ließ Hans Sachs , der bekannte Meistersänger, einen Schwank ausgehen, in welchem der törichte Bauer Klaus Oft zu Langenau im Schwäbischen behandelt wird. Darin heißt es:
Eins tags an einem pfinztag( Pfingsttag) spat Ein fahrend schüler zu im trat, Wie sie denn umbgingen vor jarn Und lauter bauernbetrieger warn. Der sagt her große wunderwerk
Wie er fam aus dem Venusberg , War ein Meister der schwarzen Kunst
Macht den bauren ein plaben( blauen) Dunst.
Zuweilen drangen fahrende Schüler in die Kirchen ein und stimmten frivole Nachäffungen kirchlicher Gesänge an. Vielleicht sind von ihnen auch jene halb lateinischen halb deutschen Kirchenlieder verfaßt, von denen sich einige noch in heutigen Gesangs büchern finden, wie z. B. das Weihnachtslied:
In dulci jubilo
Nun singet und seid froh! Unsers Herzens Wonne Leit( liegt) in presepio Und leuchtet als die Sonne Alpha est et O!
Balthasar Schuppius, der wizige hamburger Stadtprediger und geistreiche Satirifer, wanderte, dem allgemeinen Zuge auch seiner Zeit des 17. Jahrhunders folgend, dritthalbhundert Meilen die deutschen Lande auf und ab, um Städte und Akademien zu sehen. Ja, noch ein Edift vom Jahre 1720 nennt unter andern Vagabunden fahrende Schüler, verstellte Geistliche und Ordensleute; unsere Fahrenden müssen damals in einem nicht eben seinen Geruche gestanden haben, da sie der Meinung der Zeit nach nicht weit zum Galgen hatten. Berichtet doch sogar Palmer, welcher in der pädagogischen Encyclopädie von Schmidt den Artikel Fahrende Schüler" verfaßt hat, daß ihn noch im