Im zwölften Jahre stehend, trat nun Butzbach in Dienste bei einer böhmischen Adelsfamilie, da es mit dem Studium doch nichts werden zu wollen schien. Er hatte damit jedoch nur eine Sklaverei mit der andern vertauscht, er wurde von einer Herrschaft an die andere verdingt, vertauscht, mißhandelt und sehnte sich lebhaft nach den Fleischtöpfen der deutschen Heimat: endlich entfloh er und langte mit Hilfe gutherziger Menschen in Miltenberg wieder an, freilich ohne Doktor zu sein und statt der Kenntnis des Lateinischen nur die des Böhmischen heimbringend.
Sein Vater war inzwischen gestorben und ein Stiefvater, aber ein braver guter Mensch, empfing den Ankömmling mit gleicher Herzlichkeit wie die gute Mutter. Neuerdings ward beschlossen, daß Hans Schneider werden und zwei Jahre lernen sollte. Nicht wenig ward in der Lehre sein Gewissen beschwert über die Tuchlappen, welche zu eigenem Nuzen des Meister Schneiders in die Hölle wanderten, die dort zu Land das Auge genannt wurde. Dabei beruhigte ihn auch die Handwerksaus rede nicht, daß nur so viel Tuch abgezwackt werde, als man im Auge behalten könne. Nach zweijähriger Lehre nahm Hans in Mainz Arbeit, von wo er durch befreundete Geistliche nach dem Kloster St. Johannisberg empfohlen ward und als Laienbruder seine Kunst im Dienste der frommen Herren übte. Diese Zeit der stillen glücklichen Ruhe wurde jedoch getrübt durch die unwiderstehliche Sehnsucht nach Wissen und höherer Bildung, in deren äußersten Vorhallen ja unser Held schon geweilt hatte. So lebhaft war diese brennende Sehnsucht, daß der Geist des Vaters, dessen heißester Wunsch das Studium des Sohnes gewesen, diesem lezteren sowohl, wie übrigens auch dem jüngeren Bruder, im Traume erschien.
Ein Kranker, den er pflegte, ermutigte ihn und junge Geistliche rieten ihm die hochberühmte Schule von Devanter in den Niederlanden. Dort wirkte der weithin leuchtende gelehrte Hegius und suchte alle edele Bildung und geistige Freiheit auf den altklassischen Studien aufzubauen. Dazu kam, daß der Meister wie zum Lehrer geboren war und selbst in Erscheinung, Leben und Gebahren als edles Musterbild dastand. Milden Herzens gab er an arme Schüler mit vollen Händen weg, was er annahm und starb fast mittellos: so wandelte er, ein ganzer Mann, unter den Menschen seiner Zeit eines Hauptes höher emporragend.
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Hansens Abt, Johann von Siegen, gab diesem nach etlichen Schwierigkeiten die Erlaubnis, in Deventer seine Studien wieder aufzunehmen und gut empfohlen trat er dort vor den berühmten Meister, der ihn freilich bei einer vorgenommenen Prüfung viel zu leicht befand. Nach mühevollen Arbeiten und allerlei Duldungen und Entbehrungen, Hunger, Durst und Kälte, fiel er bei der Probe der Grammatikklasse, der siebenten, durch und ging beschämt wieder ins Kloster zurück zur Nadel und Scheere. Seine Mutter, welche er bei einer gelegentlichen Geschäftsreise in Frankfurt traf, trieb ihn jedoch wieder von neuem an, den Herzenswunsch des seligen Vaters doch noch in Erfüllung gehen zu lassen. Abermals ward nach vielen Schwierigkeiten der Abt endlich wieder dem Plane hold gestimmt und in Miltenberg vom Stiefvater und der Mutter freundlich aufgenommen und wohl unterstüzt segelte er den Main und Rhein hinab nach Deventer . Kurz nach Hansens Eintritt starb der hochverehrte Hegius; Hans war der lezte Schüler, den er selbst aufnahm und zwar in die achte Klasse. Da fand sich unser wissenschaft licher Abenteurer unter einer Anzahl älterer Scholaren, die eingetreten waren, um sich dem Militärdienst zu entziehen; deren einer mühete sich bereits 4 Jahre lang, um lesen zu lernen! Bei Hansen ging es jedoch jezt rüstig und glücklicher wie früher vorwärts. Nach einer schweren Krankheit, von der ihn namentlich die Mitteilung seines Aufrückens in die vierte Klasse heilte, unterstützt von der Bruderschaft des gemeinsamen Lebens, welche eifrig studirende Leute förderte, wo und wie irgend möglich, verließ er nach 4 Jahren Deventer und trat als Geistlicher in den Orden, zu dessen Zierden er gerechnet wurde, wenn er auch das Unglück hatte, durch eine wissenschaftliche Fehde in den
Geruch eines Dunkelmanns zu kommen. Hier enden die Wanderjahre Bußbachs und mit ihnen der für uns wichtige Teil seines Lebens.
Unsere dritte Quelle ist bereits allgemein zugängig, nämlich in der hübschen Ausgabe von Boos.*) Der alte Thomas Platter beschrieb sein Leben auf Wunsch seines Sohnes und einiger anderer seiner Schüler.
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Zu Visp in Wallis am 10. Februar 1499 ward Platter geboren, grade beim Messeläuten, darum glaubte man ihm schon damals eine geistliche Zukunft weissagen zu sollen. Vom 6. bis zum 8. Jahre lag unser„ Thomillin" dem Amte des Ziegenhütens ob, was bei einer Zahl von 80 Schuzbefohlenen für den kleinen Knirps keine geringe Arbeit war, die er zu großer Zufriedenheit ausführte. Ferner führte Platter sein Bildungsgang in die Stellung eines Kuhhirten, von wo er 9 Jahre alt zum Pfarrer getan ward, um die Schrift zu studiren", d. i. sich auf den geistlichen Beruf vorzubereiten. Da erging es unserm Scholaren gar übel, obgleich ihn sein Lehrer sehr lieb gehabt haben muß, weil geschrieben steht: Je schärfer die Rute, je lieber das Kind. Ein Bachant aus seiner Verwandtschaft nahm nun Platter mit sich auf die Fahrt und es ist belustigend, die naiven Schilderungen des weltunerfahrenen ABCschüzen zu lesen, der einen mondbeglänzten Kachelofen für ein Riesenkalb ansieht, oder um einen Sechser zu verdienen, sich nackt prügeln läßt. In Zürich sammelten sich 8 bis 9 Schüler, dabei drei Kleine Schüzen, und man wollte ins meißner Land ziehen, worin, wie man Platter weiß machte, das Gänserauben erlaubt sei; eine Probe, bei welcher der geschickte Steinwerfer und ehemalige Geisbub eine Gans erlegte, da man ihm fälschlich sagte, man sei jezt im meißner Land, fällt ziemlich schlecht aus. In Naum burg war die erste längere Rast, wo sie, ohne die Schule zu besuchen, etliche Wochen bettelsweise sich nährten.
Die einheimischen Schüler jedoch wurden schwierig und nach einem tapfren Treffen mit Steinen zogen unsere Schweizer ab nach Halle, Dresden und Breslau . Damals war grade( am 13. und 14. September 1515) die Schlacht bei Mailand geschlagen worden, in der die bisher für unüberwindlich gehaltenen Schweizer furchtbar gelitten hatten, daß man sagte:„ jezt hand die Schwizer ihr best pater noster verloren." Als Schweizer nun, und als der kleinste Schüler der Truppe immer bemit leidet, erhielt Platter immer reichlich geschenkt. Als er jezt frank wurde, kam er in das„ besundrige spitall" zu Breslau , der Schule, welche sein volles Lob erhält bis auf die Menge fabelhaft großer Exemplare jener kleinen grauen Tierchen, welche der Volkswiz:„ Sachtemarschier" nennt.
Was Platter über eine der neun breslauer Schulen sagt, der zu St. Elisabeth, welche er besuchte, sezen wir wörtlich und zugleich als Sprachprobe im Urtext hierher:" In der schull zu s. Elizabeth lasen alwägen einsmals zu einer stund in einer stuben 9 baccalaurii**). Ward doch graeca lingwa( griechisch) noch nienerts( nirgends) im land, des glichen hatt niemand noch kein truckte Biecher, allein der präceptor( Lehrer) hat eins truckten Terentium( lateinischer Lustspieldichter des 2. Jahr hunderts v. Chr.). Was man laß, mußt man erstlich dictierren, dan distingwieren, dan construieren, zulezt erst exponieren, das die bachanten große scartefen mit ieren heim hatten zu tragen, wen sy hinweg zugen!"
in dessen Nähe Platter wieder der Hauptheld einer Gänsejagd Von Breslau zogen 8 Mann wieder zurück nach Dresden , war, welche in dieser Stadt selbst, auf dem Ferdinandsplaz, in der vortrefflichen Brunnenstatue von dem tüchtigen Diez ver
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und Bodens, dann ein junger Krieger, der fremdem Banner Folge **) Baccalaureus iſt ursprünglich ein Bächter kirchlichen Grund leistet, endlich seit Gregor IX. ( 1227-41) an der Universität zu Baris ein Student, welcher nach einer Prüfung und Disputation Vorlesungen halten durfte; eine rote Kappe zeichnete ihn vor den übrigen akademischen Bürgern aus. Bon Paris wanderten Sache und Name des Baccalaureats an alle übrigen Universitäten.