Bevölkerung war in großer Aufregung, und es wäre unserem Thomas schlimm ergangen, wenn seine Tat bekannt geworden wäre. Der inzwischen gefaßte Plan, Priester zu werden, ward zu Wasser, als Platter zur Kirchweih in Sälnau eine Predigt des Magisters Ulrich Zwingli hörte, dessen nähere Bekannt­schaft er auch noch machte. Bei einer neuen Anwesenheit in Zürich litt unser Held viel Hunger und Not, ward auch in die Reformationswirren verflochten, und kehrte endlich dem Studium den Rücken, um das Seilerhandwerk zu lernen. Wenn er seinen Strick drehte, hatte er immer dabei einen Homer oder ein anderes Buch künstlich an einer Holzgabel aufgesteckt und studirte weiter zum großen Mißbehagen seines Meisters. Der Leztere gab endlich zu, daß Platter täglich eine Stunde he­bräisch lernte, worin Platter schnelle Fortschritte machte. Eines Tages kam ein Franzose in die Schule, welchen die Königin von Navarra geschickt hatte, hebräisch zu lernen. Als nun der Franzose, welcher mit mehreren vornehmen Schülern an einem Tische saß, den Magister Ogorinus fragte: ,, wann kommt unser Professor?" zeigte dieser hinter den Ofen, wo unser Seiler­gesell in seinen schlechten Kleidern saß. Der Franzose wollte

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diesen mit nach Frankreich nehmen und der Königin von Na­ varra empfehlen. Wie nun späterhin Platter ein Weib nahm, und Schulmeister der Landschaft Wallis wurde, und seine übrigen Erlebnisse, alles das gehört nicht hierher, weil es nicht im Zusammenhange steht mit seinem fahrenden Schülertum.

Die Schülererlebnisse seines Sohnes Felix, von dem eben­falls Tagebuchaufzeichnungen vorhanden sind, haben für uns weniger Interesse, da die günstigeren äußeren Verhältnisse dieſem einen glatteren Bildungsgang ermöglichten.

Hiermit beschließen wir unsere Naturgeschichte der akademi­schen Wanderratten, welche, wie wir hoffen, nicht nur von dieser eigenartigen Gattung ein einigermaßen anschauliches Bild gibt, sondern auch geeignet ist, über das gesellschaftliche und geistige Leben unseres deutschen Volkes Winke zu erteilen, wie es in einem anderen Zusammenhange nicht tunlich gewesen wäre. Die Bierreisen und Fechtfahrten des modernen Studententums haben für mich persönlich ein sehr untergeordnetes Interesse, da ich bei ihnen einen kulturhistorischen Hintergrund nicht finden fann und andere Leute für geeigneter halte, Lobsänger dieser irrenden Ritter der Gegenwart zu werden.

Voetische Aehrenlese.

Das war eine wilde Reise Da wir froh nach Burschenweise Stiegen auf zum Brockenhaupt Ueberall in deutschen Landen Ward ein hohes Fest gefeiert: Goethefest gespielt, geleiert.

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Brockenfahrt.

28. Auguft( Goethes Geburtstag) 1849.

Doch nach andrer Feier standen Uns die Sinne, und wir fanden Uns ein Fest, so recht romantisch, Nicht voll Reden, nicht pedantisch, Nicht so professorisch. kühl, Nein, so recht im Blocksbergstyl.

Lustig schien die Herbstessonne Ueber unsre Wanderwonne, Köstlich war die Luft, und klar. Freudig schallten Wandersänge Durch der hohen Felsenmassen Ungebahnte, steile Straßen. Doch die schroffen Bergeshänge Stuften sich im Felsgedränge Immer höher, immer grauer, Und ein kühler Nebelschauer Zauberte durch Nebel schwarz Um uns her den echten Harz.

Denn des Blocksberg wilde Trosse Wollten heut zu Fuß und Roſſe Feiern auch ihr Gocthefest. Bang die Sonne sich verstecket,

Und schon läßt der Sturm sich hören Dumpf in des Gebirges Föhren,

Und sein Brausen rust und wecket Schnell das Heer. Und kreischend strecket, Sich begrüßend, aus der Lauer All der wilde Koboldschauer,

Springt und tanzt mit Teufelssang Wild von Fels zu Felsenhang.

Und nun weiter, immer weiter,

Auf des Brockens Felsenleiter

Schrillt und brüllt und jauchzt und stürmts. Angstvoll fliehn der Vögel Schaaren, Das Gewild im schwarzen Forste Flieht herab vom Waldeshorste. Tannen mit zerfausten Haaren Stürzen krachend hin zu Paaren. Schwarz umwölfet droht der Himmel Ueber dem Naturgetümmel,

Und vom Donner mit Getos

Reißt der Widerhall sich los.

Halt! Wo ist der Weg? Verloren! Auf die Lust der Erdentoren

Legt der Teufel seinen Schwanz.

Welch ein Schrecken, welch ein Grausen Antwort durch die finsteren Lüfte Schreien höhnend alle Klüfte, Und wir stehn im Sturmesbrausen In des Festes tollstem Hausen. Und auf Besen, Ziegenböcken, Hexentanz in allen Ecken, Regenguß und Nebelmacht Weh, wir sind im Höllenschacht!

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