Gliederbau, mit den zierlichen Bewegungen und jenen schönen großen dunklen Augen, die so rührend den grausamen Verfolger um Schonung anflehen können. Der Araber vergleicht Augen und Gestalt seiner Geliebten so gerne mit denen der Gazelle. In einem Liede, das die Nomaden der Wüste singen, heißt es: ,, Du wirst Scherifa sehen, ein stolzes Mädchen, Sie ist stolz, sie ist edel,

Ihre Augen sind der Gazelle Augen,

Wenn sie sorgsam bangt um die Jungen u. s. w."

Die flinke Gazelle wird auch mit eigens dazu abgerichteten Falken gejagt eine grausame Jagd. Der blutgierige Vogel schlägt der fliehenden Antilope die Fänge in die Augen und hindert sie an der Flucht, bis die Jäger herankommen und sie

töten.

Der Wüstenfuchs mit seinen großen Ohren, den Schall­fängern, duckt sich im Gestrüpp und lauert auf Beute. Er ist ein hübsches und zierliches Tierchen, das auf unglaubliche Ent­fernungen hört und sich leicht verbergen kann, da sein Fell graubraun ist und mit der Farbe des Wüstenbodens in Eins zusammenläuft. Dazwischen schwirren die Springmäuse umher, als ob sie flögen, zierliche, leichte Geschöpfe, mit langen Hinter­beinen und kurzen Vorderpfoten. In der Nacht hört man weit­hin das widrige, langgezogene Geheul des blutdürftigen Scha­kals, und die leichenwitternde feige Hyäne schleicht heran, die gerne in die Kirchhöfe einbricht, die Gräber aufwühlt und Leichen verzehrt. Sie ist wohl die Urheberin der Sage von den Ghuls, jenen bösen Geistern, welche Leichen verzehren und Menschen dazu verführen sollen. Wilde, grausige und blutige Szenen spielen sich innerhalb dieser Tierwelt ab, und der Lö­wenritt", den Freiligrath in einem seiner berühmtesten Gedichte geschildert, mag vielleicht doch nicht so ganz ein Spiel der Phantasie sein. Aber wie Freiligrath sich endlich abwendete von dieser Tierwelt der Wüste, wo die schlanke Gazelle und die Giraffe den blutdürftigen Fleischfressern zum Opfer fallen, wie er sich lossagte mit den Worten:

Zum Teufel die Kameele, Zum Teufel auch die Leu'n; Es rauscht durch meine Seele Der alte deutsche Rhein -"

so wollen auch wir uns wieder zur ruhigen Betrachtung der verschiedenen Erscheinungen des Wüstenlebens wenden.

Wie schwer es ist, die einzelnen Wüstenstriche zu durch forschen, wenn die Natur nicht mit Dasen, Duellen und Wasser­becken an die Hand geht, das beweist die Tatsache, daß Wüsten­striche, die ganz nahe an den kultivirten Ländern liegen, noch

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kaum erforscht sind. So erstreckt sich die libysche Wüste ver­hältnismäßig gar nicht so weit vom Mittelmeer zwischen Egypten und dem Lande Barka, dem alten Cyrenaifa, und doch gibt es in dieser Wüste noch Strecken genug, die kein Europäer je be­treten hat. Das Klima duldet es nicht. Eine epochemachende Reise durch diese Wüste hat Gerhard Rohlfs im Anfang der siebziger Jahre im Auftrag und mit Unterſtüzung des Khedive von Egypten ausgeführt. Trozdem er mit allen modernen, einem solchen Zweck dienenden Mitteln bis zum Ueberfluß aus­gestattet war, stieß er doch auf unüberwindliche Hindernisse. Selbst auf französischem Gebiet, in Algier , hat man südlich des Atlasgebirges noch nicht weit vordringen können, und die dortigen militärischen Stationen haben mit den größten Schwie­rigkeiten zu kämpfen. So ist der Weg von dem algierischen Orte el Golea nach Insalah, einer Stadt der Tuat, heute noch einer der gefährlichsten. Im südlichen Algerien vermitteln den Ueber­gang des Landes in die Wüste die bekannten Halfa-( Alfa-) Pflanzungen. Das Halfa ist eine große, saftige Grasart, die teils als Futter für die Tiere dient, teils zur Anfertigung von Matten und Flechtwerk dient; in neuerer Zeit wird das Halfa viel nach Europa ausgeführt, um zu Papier verarbeitet zu werden.

Die Dasen sind je nach der Bodenbeschaffenheit größere oder kleinere fruchtbare Landstriche, die sich innerhalb der Wüste vorfinden. Ihre Zahl ist eine sehr große, und sie haben teils eine seẞhafte, teils eine wandernde( nomadische) Bevölkerung. Meistens liegen sie da, wo das Urgebirge von Gneis oder Granit aus den Sandstein- Hochebenen der Wüste heraustritt und schattige Täler bildet. Ein gewisser Wasserreichtum muß zum Bestand einer Dase vorhanden sein. Um die Quelle herum erstreckt sich dann ein Dorf oder eine kleine Stadt, mit einem Palmenhain umgeben; in der weiteren Umgebung das dürftige Weide und Ackerland, das die genügsamen Bewohner der Wüste zur Fristung ihres Daseins nötig haben. Wir sehen auf einemt unserer Bilder die berühmte Duelle von Rhadames ( genannt die Stuten oder Krokodilquelle), welche als die eigentliche Schöpferin der Dase betrachtet werden muß. Rhadames, eine schöne, große Dase an der südwestlichen Grenze von Tripolis , wo dies mit Algier zusammenstößt, gelegen, zeigt deutliche Spuren römischer Kultur, und die aus Steinquadern bestehende Ein­fassung der Duelle ist ebenfalls römische Arbeit. Früher muß, nach der Ausdehnung der Anlagen, mehr Wasser vorhanden gewesen sein. Das Wasserwerk wird auf Staatskosten betrieben und trägt der Regierung jährlich 50,000 Frants ein.

Preußisches Wörterbuch.

Von Eduard Hack.

Wie man die Geschichte eines Menschen, eines Ortes, eines Hauses, eines Kunstwerkes, ja eines Möbels schreibt, so fann man auch die Geschichte eines Wortes schreiben. Die Geschichte vieler Wörter ist außerordentlich interessant und lehrreich, und wer sich davon überzeugen will, braucht nur einige größere Artikel im Grimm'schen Wörterbuch zu lesen. Noch bedeut­Noch bedeut samer in dieser Beziehung sind diejenigen Wörterbücher, welche die einer Landschaft allein angehörigen, oder durch Verände­rungen ihr eigentümlich gewordenen Wörter enthalten. Je reicher eine Mundart an eigentümlichen Wörtern und Wort­formen ist, desto wertvoller ist sie dem Sprachforscher und dem Kulturhistoriker. Namentlich wird dieser in den Sammlungen, welche die einer Mundart eigentümlichen Wörter mit Erklä­rungen über ihren Ursprung und Gebrauch enthalten( Idio­tifen), ein reiches Material für die Erklärung und Darstellung der Bräuche und Sitten, der Meinungen und Handlungen, der sozialen Zustände und Formen, kurz des gesammten Volks­lebens finden. Die Geschichtsschreiber, auch die, welche sich Kulturhistoriker nennen, haben sich bis jezt vorzugsweise mit

( Schluß folgt.)

den sogenannt höhern Klassen" beschäftigt und nur sehr wenig, und auch dann meistens nur beiläufig mit dem Volke". Frei­lich, das Volk" hat keine Aften geschrieben und keine Doku­mente aufbewahrt, und darum ists nicht leicht, seine Geschichte zu erforschen; aber es gibt doch manches, was sich recht gut dazu verwerten läßt, und nicht am wenigsten die Sprache.

Von besonders hervorragender Bedeutung für Kulturhisto­rifer und für Sprachforscher ist das Preußische Wörter­buch", welches soeben H. Frischbier in Königsberg i. Pr. herausgibt. Es gibt wohl keine zweite Landschaft in Deutsch­ land , deren Sprache so viele und so absonderliche, ihr aus­schließlich angehörige Wörter besizt, als die Provinz Preußen. Vor 650 Jahren begann der deutsche Ritterorden die Erobe­rung dieses von slavischen Völkerstämmen bewohnten Landes. Seit dieser Zeit hat dort bis zur Mitte des vorigen Jahr­hunderts eine nur zeitweise unterbrochene Einwanderung statt­gefunden. Aus allen Gegenden Deutschlands , aus Holland und der Schweiz 30gen Ritter, Priester, Gelehrte, namentlich aber Bauern und Handwerker in das Land jenseits der Weichsel .