Gräte, welche durch die Bienenzunge läuft, zu einer Art Haarröhrchen umgewandelt. Mittels dieses Haarröhrchens wird die Biene davor geschüzt, daß ein schlechter Honig, an dem sie zu saugen begonnen hat, in den Haarquirlen der Zunge hängen bleibt und der Biene den Geschmack verdirbt. Das Haarröhrchen hat unten, wo es aus der Zungenspize hervortritt, einen löffelförmigen Ansaz. Wird dieser in den Honig getaucht, so steigt ein Teil des Honigs bis an die Zungenwurzel hinauf; die Biene kostet den Honig auf diesem Wege und kann die Haarquirle frei halten, während sie den Inhalt des Haarröhrchens leicht wieder ausstößt. Welche Feinheit der Ausrüstung der Biene für ihren Beruf! Aber auch das ist noch nicht alles. An den Hinterbeinen der Bienen hat sich ein Ansaz von Haaren gebildet, an dem sich der Blütenstaub massenhaft ansezen kann. Die Bienen sammeln den Blütenstaub, denn sie ernähren ihre Larven von Pollenkörnern und Honig. Diese Haare haben sich zu einem förmlichen Pollensammelapparat entwickelt, und so verschleppen diese fleißigen und klugen Tiere den Blütenstaub leicht auf alle Blumen, die sie besuchen. Der berühmte Naturforscher Sprengel sagt, er habe Bienen beob achtet, die so stark mit Blütenstaub beladen gewesen seien, daß sie im kleinen denselben Eindruck auf ihn gemacht hätten, wie schwerbelastete Backpferde im großen. Diese Pollensammelbürste der Bienen erscheint auch in verschiedenen Gestalten; namentlich da, wo die Bienen den eingesammelten Blütenstaub mit Honig zu durchkneten pflegen, ist die Organisation der Sammelbürste eine dem entsprechende.
So haben sich einzelne Insekten im Lauf ihrer Entwick lung dem Beruf, die Kreuzbefruchtung der Blumen zu vermitteln, vollkommen angepaßt. Ihnen kam, aber von der anderen Seite ein ebenso großes Anpassungsbedürfnis der Blumen selbst entgegen, das nicht minder bewundernswürdige Resultate erzielt hat. So wird von beiden Seiten harmonisch darauf hingewirkt, durch natürliche Zuchtwahl( Selektion) oder Naturauslese, durch Anpassung und Vererbung die tierischen und pflanzlichen Organismen immer mehr zu vervollkommnen und ihr Verhältnis zu einander immer ergiebiger und nuzbringender zu gestalten.
Bei den Blumen findet ein förmliches Werben um den Besuch der Insekten statt, und eine starke Konkurrenz unter den einzelnen tritt hervor. Die Blumen locken die Insekten an durch ihre Farbe, ihren Duft und ihren Honig. Man weiß nicht genau, wie die schönen Farben der Blumen zustande gekommen sind, aber man hat beobachtet, daß sich der Insektenbesuch in gleichem Maße mit der Auffälligkeit der Blumenfarben steigert. Die Insekten erfreuen sich an schönen und bunten Blumenkelchen, die ihnen wie prächtige Paläste erscheinen mögen; die Blumen haben sich diesem Bedürfnis vollkommen angepaßt. Es gibt Blumen, die mit ihren Farben förmlich kokettiren, indem sie sich nur an einzelnen Tagen entfalten und so durch die Seltenheit den Reiz ihrer Farbenpracht erhöhen. Bei alledem sind der Duft und der Honig der Blumen stärkere Lockmittel als die Farben der Kelchblätter. Man kann leicht beobachten, daß das bescheidene aber süß duftende Veilchen mehr von Insekten besucht wird, als das Stiefmütterchen, welch lezteres mehr durch seine Farben auffällt, als das Veilchen.
Nun ist den Blumen auch nicht jeder Gast willkommen, namentlich wollen sie von solchen nichts wissen, die nur ihre Pollen fressen, aber zur Kreuzbefruchtung nichts beitragen. Ungeschlachte Käfer, freche Mücken, stinkende Wanzen und gefräßige Hummeln sind bei den Blumen nicht beliebt; ihre Lieblinge sind die fleißigen und zierlichen Bienen und die bunten, gaufelnden Schmetterlinge. Dem entsprechend haben sich bei den Blumen eine Menge von Schuzmitteln gegen das Ungeziefer ausgebildet. Zunächst liegt bei vielen der Honig so tief und verborgen, daß ihn nur die Insekten mit den am besten entwickelten Saugwerkzeugen, also Bienen und Schmetterlinge, erreichen können. Gegen kriechende Räuber und unsaubere Gesellen, als da sind Schnecken, Raupen u. s. w., schützen sich die Blumen durch Stacheln und Borsten, welche rings an den Sten
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geln stehen. Für besonders widerwärtige Gäste, für Aasfliegen, Mistkäfer und dergleichen Gesindel sind besondere Blumenarten vorhanden, die sogenannten Ekelblumen, welche der Geruchsund Geschmacksrichtung dieser Insekten entsprechen und sie so davon abhalten, sich in die anständige Gesellschaft der Bienen und Schmetterlinge auf schönen und wohlriechenden Blumen einzudrängen. Es gibt auch Blumen, in deren hohlen Blättern sich Wasser ansammelt, in welches die kleinen, den Blumen nicht angenehmen Insekten leicht hineinfallen, wo sie dann ertrinken.
Sehr interessant sind die Täuschblumen. Das Fliegenblümchen ist ein solches; es will sich auch mit anderen seiner Art befruchten, aber die Schmetterlinge und Bienen haben das arme Ding von jeher ſizen lassen, wie ein häßliches Mädchen beim Tanz sizen bleibt. beim Tanz sizen bleibt. Das Fliegenblümchen ist aber listig; darum hat es sich mit der Zeit einen braunen, mit einem fahlbläulichen nackten Fleck versehenen Ansaz angeschafft, auf dem sich zwei glänzende Knöpfchen befinden, die wie Wassertropfen aussehen. aussehen. Die dumme Fleischfliege hält dies für Fleisch, und obwohl sie stets enttäuscht wird, fliegt sie doch von Blume zu Blume und läßt sich immer wieder anführen. Dabei aber schleppt sie Pollenkörner mit fort, an die sie angestreift ist, und vermittelt die Kreuzbefruchtung.
Es gibt Ekelblumen, welche einen Blütenkessel haben, der die ersehnten Gäste eine zeitlang gefangen hält. Einen Ausweg suchend, rennen die Gäste in dem Gefängnis herum und wenn sie ihn endlich finden, sind sie voll Pollenkörner, so daß sie die Kreuzbefruchtung wohl oder übel vermitteln müssen. Andere Blumen klemmen die sie besuchenden Fliegen fest und entlassen sie erst wieder, wenn dieselben mit Blütenstaub bedeckt sind. In Afrika gibt es sogar eine Blumenart, die durch ihre Fleischfarben die Aasfliegen so sehr täuscht, daß leztere ihre Eier auf die Blätter dieser Blumen abladen, wo das junge Ungeziefer umkommen muß.
Da die Schmetterlinge sehr unbeständige, wählerische und sprichwörtlich ungetreue Liebhaber sind, so bieten die Blumen alle ihre Künste auf, um diese windigen Gesellen an sich zu locken. Die Blumen, die auf Tagfalter spekuliren, haben sich ein äußerst prächtiges Gewand zugelegt, denn die Schmetterlinge sind Stuzer und haben sich durch natürliche Zuchtwahl in die schönsten Farben gekleidet. Die Blumen, welche auf Nachtfalter erpicht sind, sind meistens mit weißen Glocken versehen, welche von den Nachtschwärmern leicht erkannt werden.
Auch den Wespenarten haben sich die Blumen angepaßt. Die Grab- und Schlupfwespen legen ihre Eier in die Körper anderer Tiere und suchen dann eine Höhle, wo sie das mit dem Ei belegte Beutetier unterbringen. Eine ganze Reihe von Blumen, z. B. das Löwenmaul und der Fingerhut, haben Blumenhöhlen gebildet, wo die Wespen ihre Brut niederlegen und die Lokalmiete dann in Form der Kreuzbefruchtung entrichten. Diese Höhlen sind für Wespen gut möblirt und sogar den eigentümlichen Bewegungen jener Juseften angepaßt. Die fleißigen Bienen sind das Ziel der Anlockung vieler Blumen; diese intelligenten, Schäze sammelnden Insekten kümmern sich weniger um schöne Farben, sie suchen, wo Honig in Hülle und Fülle aufgestapelt ist. Nur die niederen Bienenarten lassen sich durch Geruch und Farbe zum Besuch von Blumen bestimmen, die ihnen sonst gleichgültig sind; die höheren Arten kennen die Blumen, welche reichen und guten Honig bieten, sehr genau. Manche Bienenblumen mit angenehmem Geruch und vortrefflichem Honig sind in ein ganz einfaches Gewand gekleidet, un dadurch der Aufmerksamkeit lästiger und zudringlicher Besuche: zu entgehen.
Man sieht, wie die Intelligenz der Insektenarten sehr verschieden ist. Besonders die Käfer sind dumm. Der kleine Bockfäfer läuft oft auf einer Grasähre auf und ab und Klappt hungrig die Kiefern zusammen, kann aber keinen Honig finden, weil er zu dumm ist. Der Rapskäfer ist noch dümmer. Er friecht oft in die Frauenschuhblume, welche eine Falle für Bienen hat. Die Falle hat eine Hintertür. Der Rapskäfer bleibt beim Heraustriechen an den klebrigen Pollen hängen, ist zu schwach,