Er hatte dieses so durchaus liebenswürdige Schreiben mit kurzen Dankesworten erwidert, aber damit war ihr Briefwechsel zu Ende gewesen.
Er empfand es jezt erst, gleich einer Vernachlässigung, daß sie ihm nicht wieder geschrieben, aber sie bedurfte seiner auch nicht; niemals wohl hätte sie ihn zum Freund und Beschüzer gewählt, und jezt erfuhr er, daß sie Baron Reinthal liebe, seinen Bater.
Nichtsdestoweniger entstand eine heftige Neugier in ihm, ein brennendes Verlangen, sie wieder zu sehen.
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Am nächsten Morgen hielt Reinthals Wagen vor dem kleinen Palais der Gräfin Helene Falkenau, das in der Vorstadt ge= legen war.
Baron Reinthal und Doktor Lefebre wurden gemeldet und vorgelassen.
Sie trafen im Salon außer Helene deren Schwiegermutter, die siebzigjährige Aglaya v. Falkenau, die, obwohl sie sich nur selten von ihrem Lehnstuhl erhob, doch offiziell dem Hauswesen der jungen Frau vorstand, hierauf den Grafen Robert Falkenau und Pater Cölestin . Arnold in seiner Distinktion und männ lichen Schönheit erregte die Aufmerksamkeit aller. Helene war voll Anmut und sprühend von Geist und guter Laune. Sie gab sich dem bürgerlichen Doktor gegenüber so ungenirt, daß die alte Gräfin Aglaya davon choquirt unruhig auf ihren Siz hin und her rückte.
Graf Falkenau kam dem jungen Gelehrten mit Interesse entgegen; nur der Pater behielt seine reservirte beobachtende Haltung.
Als der Baron um die Gunst bat, bei der Comtesse eintreten zu dürfen, um ihr den Doktor vorzustellen, erhob sich werden konnte, erbot er sich in ihre Appartements hinüber zu gehen und anzufragen, ob sie die Herren bei sich empfangen oder im Salon ihrer Tante erscheinen wolle.
Der Pater ließ sich durch die alte Gerta, die mit Elsa hieher gekommen war, bei dieser melden und erhielt die Antwort, daß die Comtesse heute nicht empfange und um Entschuldigung bitten lasse.
und niemals schön gewesen war, die aber Temperament und die Gabe Lustbarkeiten zu erfinden besaß, war bei Hofe übel vermerkt worden und man hatte ihr dies bei verschiedenen Gelegenheiten fühlbar zu machen gewußt.
Sie fümmerte sich nicht darum; ihre Soireen, zu denen sie gerne Künstler und junge Männer von Talent tud, behielten ihr Renommé, und sie verstand es nach wie vor, all diejenigen, bei denen sie etwas durchsezen wollte, ihrem Willen dienstbar zu machen.
Sie saß an diesem Abend in mattweißer Seidenrobe in einer kleinen Causeuse von dunkelbraunem Plüsch, die Taille ihres Kleides war tief ausgeschnitten, und da sie entsezlich mager war und jeder sinnbetörenden Rundung entbehrte, so konnte man ungehindert und weit hinab die Anatomie ihres Knochengerüstes verfolgen. Ungeachtet der Enge der Nobe hatte sie ein Bein über das andere gelegt, und troz der immensen Schleppe, die in Windungen sie umringelte, konnte man hier wieder das elegante Schuhwerk und die gestickten seidenen Strümpfe weit hinauf bewundern. Ihr kleines unregelmäßiges Gesicht trug eine dicke Puderschicht; ihre dunklen lebhaften Augen erhielten durch die starke Malerei der Brauen und Wimpern etwas Gieriges und Flammendes zugleich und ihr kapriziöser Mund
mit den dünnen Lippen sah durch die rote Lippenschminke noch
farrifirter aus. Sie hatte so ganz jenen reizenden Chic, jene süße Halbweltsallüre der pariser Courtisane, die auch in der großen Welt Mode geworden.
Sie wiegte ihren dünnen Leib schaukelnd hin und her, gestikulirte mit den entblößten dürren Armen herum und plauderte und lachte.
Neben ihr saß, ebenfalls dekolletirt, Prinzessin Marie, eine
Frau, die den Sommer des Lebens längst überschritten; ihr starres saures Gesicht war von bemerkenswerter Häßlichkeit. Sie trug herrliche Diamanten und sah unter diesem Gefunkel ungemein steif und langweilig aus. In ihrer eingebildeten Hoheit glaubte sie ein Recht zu haben, alle diejenigen, die sie an Rang tief unter sich glaubte, zu verachten. Ihrer großen Anmaßung kam allein ihre große Unwissenheit gleich.
Gräfin Dönhof, die ihre Großnichte Elsa soeben vorgestellt, Cölestin hatte diesen Resüs vorausgesehen, er hatte darauf hatte in dem Fauteuil neben Ihrer Hoheit Plaz genommen. gerechnet, um ihn den beiden Harrenden zu überbringen, so ihre Daran schloß sich im Cercle eine Anzahl der verschiedensten Bemühungen, Elsa zu sehen und zu sprechen, vereitelnd. Mit Persönlichkeiten. Lilli liebte es, mit vielen auf einmal zu konSchadenfreude hätte es ihn erfüllen sollen, daß der Coup so versiren, und in ihrer Lebhaftigkeit sprang sie dann oft auf, winkte
Stachel der persönlichen Beleidigung, die ihm das Mädchen sofort an den rechten Mann bringen mußte.
angetan.
Jezt klopfte sie mit dem kleinen Füßchen wiederholt auf den Boden, sie erwartete eine fremdländische Majestät und sie war
Seine Züge verzerrten sich im Schmerz, aber nur einen Augenblick hatte er die Gewalt über seine Muskeln verloren, ungeduldig, daß sie noch nicht erschienen war. dann hüllte er sich fast hochmutsvoll in seine Würde und kalt, In jurück und überbrachte Reinthal einen Bescheid, der ihm doch
Auch Toto, unser Toto kommt, ce petit farceur ravissant!"
nur allein gegolten.
Comtesse gesehen zu haben, aber beide vertrösteten sich auf den Der Baron und Arnold mußten sich entfernen, ohne die Abend, wo Elsa auf der Soirée der Fürstin erscheinen sollte.
8. Kapitel.
rief sie laut, mit dieſem Stoſenamen einen beliebten Schauspieler bezeichnend, und sich rasch nach einem Herrn umwendend,
der hinter ihr stand, sagte sie dezidirt:" Ich erkläre ihn für
unseren besten Komiker, er ist der einzige der Couplets singen
fann."
Sie nickte, als ihr dies Urteil bestätigt wurde, und sich in fast epileptischer Weise wieder nach einer anderen Seite schnellend, fuhr sie in gleicher Lebhaftigkeit fort:„ Der König, unser Gast,
Der große Empfangssaal der Fürstin Lilli war glanzvoll ist entzückt von seinem Vortrag, er findet Totos Mimit köstlich; erleuchtet und eine glänzende Gesellschaft war es, die sich darin
bewegte.
Es war die lezte Soiree, welche die Fürstin in dieser Sai
jon veranstaltete.
Bald nach den großen Frühjahrsrennen,
er will ihn auch jeden Abend hören, nichts könne ihn so belustigen als seine Späße, behauptet er, Toto wird dafür auch den Christusorden erhalten."
Der fromme aber geistvolle Prinz Stein, der ihr gegenüber
welche in der ersten Hälfte des Mai abgehalten wurden, pflegte saß, schnitt eine Grimasse. Es verlegte ihn immer, wenn der der Hof die Residenz zu verlassen, und das war zugleich das hohe Adel das Komödiantentum öffentlich protegirte. Ins Signal für die Aristokratie, sich ebenfalls nach ihren Landgütern geheim fonnte man das halten wie man wollte, und in der Tat zu begeben. Diese Soiree war daher überaus gut besucht, man
fonnten sich besonders dessen Trägerinnen solcher heimlicher Aus
Seine Majestät nimmt den Spaßmacher wohl gleich mit
war übrigens im voraus sicher, sich bei der Fürstin Lilli stets zeichnungen von ihm erfreuen. vortrefflich zu amüsiren. Ihr Gatte, ein geschickter Diplomat,
"
wußte man, daß sie das Vergnügen über alles liebe.
gehörte der kirchlichen und konservativen Richtung an, von ihr sich auf die Reise?" sagte er scharf.
" Ich denke doch nicht," rief Lilli lachend, da der König
Diese bekannte Weltlichkeit der Dame, die nicht mehr jung ja nach Palästina geht, das heilige Grab zu besuchen."