Das beste ist, du ziehst dich morgens etwas besser an, denn cs kommen auch Damen in deinen Laden."
Ich war plözlich all meiner Unterwürfigkeit enthoben worden, die man mir anerzogen. Das Betragen dieser guten Leute hatte das fertig gebracht.
Niemand wagte mehr, mich weiter zu interpelliren, aber ich ward noch denselben Abend meinen Eltern zurückgeschickt. Als ich dort ankam, wurde allerdings kein Kalb geschlachtet, wie beim verlorenen Sohn des Dekonomen Damian.
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So kams, daß ich kein Pfarrer ward. Das ist auch sehr gut für mich gewesen.
Und Fanny? Nun, nach zehn Jahren sah ich sie wieder. Ich hatte es zu einer ganz guten Stellung in der Welt ge bracht; Fanny war noch bei ihren Eltern. Sie mußte mich doch auch für einen Taugenichts halten, denn sie ging mir sorgfältig aus dem Wege, was mir nicht leid tat, denn ich hatte inzwischen einen bedeutend anderen Geschmack bekommen.
Moderne Schicksale.
Novelle von Earl Görlik.
Leopoldine hüllt sich in einen großen Mantel, wirst Hut und Schleier über, besteigt an der nächsten Straßenecke eine Droschke und trifft nach kurzer Zeit bei Harders ein.
Schluchzend umarmt sie die Justizrätin und ist in ihrem Schmerze kaum eines Wortes mächtig.
" Beste Freundin," fragt die Justizrätin erschreckt,„ was sezt Sie in solche Aufregung?"
Damit zog sie Leopoldinen neben sich auf das Sopha nieder. „ Ach," schluchzte Madame Senger," Angst und Aerger töten mich fast; seit gestern Nacht habe ich meinen Mann nicht gesehen; er ließ mir sagen, daß er im Hotel Mohrmann speisen würde, und dort wohnt ja auch jene abscheuliche Engländerin, wie Sie mir gestern sagten!"
Die Justizrätin bestätigte dies.
" Vor einer Stunde," fuhr Leopoldine fort, sandte er mir die zweite Nachricht, daß er vielleicht in Geschäften die Nacht
ausbleiben könnte."
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„ Geschäfte? so?!" spottete die Rätin, was doch die Männer bisweilen für fleißige Geschäftsleute sind."
„ Da litt es mich nicht mehr daheim," fiel Frau Senger ihr in das Wort, und ich eilte in meiner Herzensangst zu Ihnen!"
"
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„ Das haben Sie brav gemacht," sagte die Justizrätin, " Sie fommen mir gerade zur rechten Zeit!" Leopoldine sah sie groß an, die Tränen rannen ihr noch immer die Wangen herab, während jene eifrig fortfuhr:„ Denken Sie nur, beste Frau, mein Mann ist auch nicht zu Hause, trozdem jezt seine Sprechstunde im Bureau ist, und ich habe allen Grund zu glauben, daß auch er sich bei dieser plözlich von England hergewehten Person befindet!"
"
Der auch?!" fragte Leopoldine und trocknete sich die Tränen. " Ich habe es Ihnen gestern gleich gesagt, daß es so eine ist, die alle Männer in der Tasche hat!"
Leopoldine rang die Hände. Alle Männer in der Tasche, das war ihr eine zu schreckliche Vorstellung.
,, mein Gott," flagte sie verzweiflungsvoll, wie drohend steht mir heute unaufhörlich meines Vaters Bild vor Augen! Den ganzen Tag tönten mir seine Warnungsworte in meiner Einsamkeit durch die Seele und mich quält die Erinnerung, daß der väterliche Segen meinem Ehebunde fehlt!"
" Peinigen Sie sich doch nicht mit Sachen, die nicht mehr zu ändern sind," versezte die resolute Justizrätin,„ handeln wir lieber, mir fommt da ein ganz famoser Plan!"
„ Wir könnten diese Heuchler vielleicht entsarven und ihnen eine gehörige Blamage als Strafe angedeihen. lassen!" eiferte
die Rätin immer hiziger.
Leopoldine bereute in ihrer Unentschloss mheit schon halb, daß sie hierher gegangen war, da das deter minirte Wesen der Rätin sie erschreckte.
,, Was wollen Sie tun?" fragte sie ängs klich.
„ Unsere beiden Herren Gemahle in flagranti ertappen!"
hohulachte die Justizrätin.
„ Um Gotteswillen nicht!"
( 6. Fortsezung.)
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bedacht; wir vermummen uns, daß uns kein Mensch erkennen soll, begeben uns nach dem ominösen Hotel, spioniren dort unter geschicktem Vorwande umher, und wenn wir sie treffen, na, mein Justizrätchen, dann frene dich! Wir wollen dann unseren Männern eine Szene machen, die uns für immer das lebergewicht verleihen soll!"
Bei diesen Worten hatte die Justizrätin einen Kleiderschrank geöffnet und die Schubfächer einer Kommode aufgezogen.
Sie musterte verschiedene Kleidungsstücke und Kopfbedeckungen, die sich in beiden vorfanden und zog endlich zwei dunkle Mäntel hervor.
Dann trat sie an Leopoldine und nestelte deren Umhang auf. Leopoldine wollte sich widersezen.
„ Schäfchen!" rief die Justizrätin mit ihrer gewohnten Energie, ,, vertrauen Sie doch nur meinen Dispositionen; in Ihrem ge streiften Umhang würde Sie ja ein Blinder erkennen; nein, heute müssen wir unsere Toilette so sorgsam wie nie im Leben machen, denn unsere ganze Zukunft hängt davon ab!"
Madame Senger gab jeden Widerstand auf.
Wenige Minuten darauf waren beide Damen in große Mäntel gehüllt und durch dichte Schleier unkenntlich gemacht. So ausgerüstet, verließen sie Arm in Arm das Haus.
10. Jm Hotel.
Mistreß Jonston war im Laufe des Tages, wie die Justiz rätin es Leopoldinen mitgeteilt hatte, wirklich bei Harder ges wesen.
Leider hatte sie auch dort eine bittere Erfahrung machen müssen.
Als der Justizrat sie eintreten sah, hatte er geglaubt, daß er von ihr eine Erklärung über den Vorfall des lezten Abends erhalten würde und daß sie bezüglich Sengers durch eine frappante Aehnlichkeit getäuscht, jezt aber zur Erkenntnis ihres Irr tums gelangt sei.
Wie erstaunte Harder aber, als der von ihm erwartete Widerruf der Dame nicht nur nicht gemacht wurde, sondern ihm Dokumente und Schriftstücke von ihr vorgelegt wurden, die nach oberflächlicher Durchsicht allerdings einige Berbindlichkeiten von Herrn Ernst Senger gegen den Vater der Mistreß Jonston
motivirten.
Als Harder imstillen überlegte, was den so hochgeachteten und reichen Senger hatte veranlassen können, sich einer verhält nismäßig fleinen Schuld nicht zu entledigen, und die Dokumente genauer prüfen wollte, war Mistreß Jouston plözlich mit einer neuen Beschuldigung gegen Senger aufgetreten, indem sie dem Justizrate von der Fälschung ihres Passes und den ihr dadurch
verursachten Unannehmlichkeiten erzählte.
Er stellte ihr das Mißliche und Unwahrscheinliche ihrer Behauptungen vor, sie widersprach. Ein Wort gab das andere, und zulezt hatte sich Mistreß Jouston im Bewußtsein ihres Rechts und ihrer Würde verlezt erhoben und sich empfohlen, indem sie durchblicken ließ, daß sie es bedauerte, sich an ihn gewandt zu haben.
Dem Justizrate war es im Geheimen ganz angenehm ge " Lassen Sie mich nur alles arrangiren; ich habe schon alles wesen, daß sie auf seinen Rechtsbeistand verzichtete.