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abgeschrieben, in seinen Tristram übertragen. Yorik zog einst eine Nessel aus, die auf Lorenzos Grabe gewachsen war, das kostete keine Mühe. Wer wird das Pflänzchen losreißen, das ihm Ferriar auf das seinige gepflanzt hat?"
Jeder, der auch nur notdürftig die Geschichte der Weltliteratur kennt, wird mir zugestehen, daß ich soeben eine möglichst illustre Schriftstellergesellschaft heraufbeschworen habe.
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Der, welchem ich die Möglichkeit dieser Beschwörung in nächster Linie zu verdanken habe, ist der große Naturforscher, Satiriker und Stilist Georg Christoph Lichtenberg , der 1742 als achtzehntes Kind einer bescheidenen Predigerfamilie in der Nähe von Darmstadt geboren wurde und als Professor in Göttingen 1799 gestorben ist. Voltaire, den er eines nicht eben bedeutenden Plagiats, d. h. eines kleinen literarischen Diebstahls, bezichtigt, brauchte ich eigentlich wohl niemanden erst vorzustellen. Er ist der Stolz der französischen Nation, die vornehmste Zierde der französischen Literatur, der Freund desjenigen Friedrich bon Preußen, den die Geschichte den Großen nennt, unbestritten einer der geistreichsten Menschen, die je gelebt haben.
Nun,
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Und er der aus dem Füllhorn seines eigenen Geistes für die Lebensarbeit von tausend Geringeren Stoff übergenug zu schöpfen vermochte, er ein literarischer Dieb!? -man tönnte sagen, mit der von Lichtenberg angeführten Stelle, dem einen Verse, sei das noch lange nicht bewiesen, und man hätte damit keineswegs so ganz unrecht. Daß so ein paar Worte genau in dem gleichen Sinne und Silbenfalle bei zwei Schriftstellern sich finden, ohne daß einer von dem andern auch nur weiß, gehört keineswegs zu den Un
möglichkeiten.
Aber daß Voltaire von Cassagnes gewußt und das betreffende Werk desselben gekannt habe, daran kann nicht gezweifelt werden, und daß es ihm, bei seiner Karakteranlage, auf eine kleine literarische Anleihe sicher nicht ankam, ist auch nicht zu be= zweifeln. Er war troz der Fülle seines Geistes völlig der Karakter dazu, das was ihm gefiel und in seinen Kram eben
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paßte, zu nehmen ohne jede Spur moralischer Bedenken, wo er es fand, und wenn er wirklich nicht mehr gestohlen hat oder hätte, als das oben zitirte Verslein, so könnte man, wie Lessing tut, so etwas als einen unschuldigen Borg passiren lassen. Anders steht es nach Lichtenberg mit Yorik. Er, einer der größten Humoristen Englands auch einer der größten literarischen Diebe, der ganze Perioden- natürlich ohne Quellenangabe„ periodenweise wörtlich abgeschrieben" hat. Da hätte selbst Lessings Geduld und Nachsicht ein Ende gehabt und er hätte seinem: Ein elender Schriftsteller, der nicht zuweilen etwas borgt, hinzugefügt: ein noch viel elenderer der, welcher so stiehlt, mag er sonst noch so beanlagt und bedeutend sein. Aber wir kochen ja doch alle mit Wasser", hat mir ein biederer Kollege, einer der gewandtesten und fleißigsten Abschreiber der Gegenwart, entgegengehalten, als ich ihn bei einem literarischen Diebstahl erwischte und festnagelte. Damit meinte der Gute, wie er mir auf meine sehr derbe Entgegnung schlau lächelnd auseinandersezte, daß doch keiner von uns nur aus Eigenem schöpfe, daß jeder auf den Schultern seiner Vordermänner stehe und oft viel besser tue, etwas Gutes einfach abzuschreiben, als es durch Umarbeitung abzuschwächen und zu verballhornen.
"
Wissen Sie zunächst, wozu der gütige Schöpfer Himmels und der Erden die Gänsefüße geschaffen hat?" fragte ich den literarischen Pfiffikus.
" Gewiß," nickte er ernsthaft, damit die Gänse fortlaufen können, wenn der Fuchs kommt, der sie aus Hunger oder Liebe
fressen möchte. Die Gänse wissen aber leider von dieser Gottesgabe keinen rechten Gebrauch zu machen."
,, Warten Sie, mein Bester," war nun meine Antwort ,,, ich
- der Literatur
will Sie sogleich mit anderen Gänsefüßen bekannt machen, die die Füchse und das übrige kleine Raubgesindel nicht zu gebrauchen versteht."
Wenn der gütige Leser die nötige Geduld hat, kann er der
Rekapitulation jener Lektion, welche ich dem Landsknecht von der Feder erteilt habe, in nächster Nummer beiwohnen.
Ein Ehepaar.
Von H. Rackow.
London , die Millionenstadt, die Sehnsucht und Hoffnung so vieler Fremden, war seit kurzem mein Aufenthalt, es sollte meine bleibende
Wohnstätte werden.
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Auf dem Kontinent hört man viel von dem Reichtum Londons , von seinem Elend, seiner Armut hört man weniger.
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Alles, alles kann man hier finden, alte Kleidungsstücke und geräucherte Heringe auf demselben Karren, Schmudgegenstände, echt und unecht, neben Orangen, Aepfeln und Birnen, Pfandleiher neben schmuzigen jüdischen Restaurationen, in denen man koscher speisen kann; foscher, 8. h. rein speisen in diesen Schmuzhöhlen, man möchte lachen, hätte. die Sache nicht einen so ernsten Hintergrund.
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Am Ausgang eines Hofes stand ein junges Mädchen, das mir auffiel, weil es, wenn auch sehr einfach, doch sauber gekleidet war.
Mein Blick ruhte einen Moment auf dem Gesicht des Mädchens, es war ein hübsches Gesicht, rund und voll, ein leichtes Rot färbte die
bescheiden, sie wangen, schönes, reiches, blondes Haar rahmte das Geficht ein und war
still endlich ganz still
machen nicht viel von sich reden. Arm, elend, hungrig und des Abscheus empfunden zu haben beim Anblick des namenlosen Elends, Doch wer hat hier gelebt, ohne ein Gefühl der tiefsten Trauer, ja des ungeheuren Lasters, das ihm auf jedem Schritt entgegenstarrt!
Welcher Bewohner Londons kennt nicht die Seven- Dials, dieses Gewirre von engen, schmuzigen Gassen und Höfen, wo man, selbst bei schönem, trockenen Wetter, faum den Fuß vom Pflaster lösen kann, wo man des Abends nicht atmen kann vor all dem ekelhaften Dunst und Geruch, welcher den Lampen der vielen Karrenhändler und den un
zähligen
aller
Bratfifchläden entströmt.
Und wer fennt nicht Whitechapel, dies Viertel Londons , wo Arme c europäischen Nationen zusammengepfercht sind, mit seiner Bettycoat
Lane, diesem Schmuzpfuhl des Lasters und der Armut.
Elend dieser Welt, ich wollte nur eine Geschichte erzählen.. Doch entschuldige, lieber Leser, ich wollte nicht flagen über das Freilich eine Geschichte der Armut. -
Es war an einem schönen, sommerhellen Montag Nachmittag. Das schöne Wetter hatte mich verleitet, nicht wieder an die Arbeit zu
gehen, ich machte blau.
Ich wollte ein paar Stunden ungestört Landluft genießen und lenkte meine Schritte der Aldgate- Station zu, um von da mit der unterirdischen Stadtbahn das Land zu erreichen.
mein Ziel. Mein Weg führte mich durch Pettycoat- Lane. Richmond , dieser herrliche Bunft in der Umgebung Londons war
Welch buntes Getriebe in dieser engen, schmuzigen Gasse; Polen icheint seine ganze arme jüdische Bevölkerung hierher gesandt zu haben, fie halten jedes Haus, jeden Winkel befezt mit ihren Handelsartikeln.
am Hinterkopf, nach der hiesigen Sitte, in einen losen Knoten aufgedreht. Obgleich sie erst ungefähr 15-16 Jahre zählen mochte, sah man doch einen gewissen herben Zug um ihre Lippen spielen, den ja leider die harte Lebensschule den Kindern der Armen schon so früh aufdrückt. Aber hatte ich dies Mädchen nicht schon einmal irgendwo gesehen? Im nächsten Augenblick erinnerte ich mich deutlich, gewiß, ich hatte sie schon gesehen, in derselben Fabrik, wo ich arbeitete, hatte ich auch dies Mädchen einmal nur flüchtig gesehen..
In den modernen Fabriken einer Großstadt lernen die Arbeiter sich faum gegenseitig kennen, man sieht sich einmal flüchtig beim Hineinoder Hinausgehen, das ist alles, man fümmert sich nicht weiter um einander; wozu auch? Helfen fann man doch einander nicht.
Aber wenn sie in der Fabrik arbeitete, weshalb stand sie da, es war doch Arbeitszeit, oder machte sie auch blau, wie ich?
Ich trat auf sie zu mit der Frage: Wie gehts Ihnen, Miß?" Ganz gut, soweit es unsereinem überhaupt gut gehen fann," war die Antwort.
Es schien mir, als wollte sie noch mehr sagen und nur innehielt, weil ihr etwas an mir aufgefallen war.
Arbeiten Sie nicht bei W. E. in C. St?" fragte sie. " Ja," antwortete ich und sezte hinzu:" Ich glaube auch Sie dort gesehen zu haben, sind Sie nicht mehr dort?"
Während dieser Frage hatte sie sich von der Wand, an der sie bisher lehnte, entfernt und stand jezt neben mir; ein lebhafteres Rot übergoß ihre Wangen, als sie nun sagte:
" Nein, ich bin fort von da, das war mir denn doch zuviel Sklaverei, ich sollte dort lernen und mich auf fünf lange Jahre verpflichten mit der Aussicht, die ersten zwei Jahre nicht mehr zu verdienen als
et
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