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weilen ihnen sogar überlegen sind, findet der Schweizer   die Befriedigung feines Stolzes und Gemeinsinns in der Pracht seiner öffentlichen Bau­werke. Das Rathaus von Winterthur   entspricht dieser Anschauung und macht mit seiner prächtigen Säulenhalle, seiner großen Freitreppe und seinen ganzen harmonischen Formen einen imponirenden Eindruck auf den Beschauer. An der Vorderseite sehen wir eine hübsche Fontäne, während rechts und links geschmadvolle Anlagen sich ausdehnen. Das Rathaus ist von jenem berühmten Architekten Semper erbaut wor­den, der in Altona   gebürtig und vor einigen Jahren gestorben ist. Semper war Professor an der Kunstschule zu Dresden   und hatte sich schon einen weitreichenden Ruf erworben, als 1849 die Mairevolution losbrach, an der sich der berühmte Künstler wie Richard Wagner   und Ernst Röckel beteiligte. Man erzählt, daß er damals eine Musterbar­rikade aus Steinen gebaut habe. Nach Niederwerfung des Aufstandes mußte Semper flüchtig werden. Darauf ward er erst in London   an der königlichen Akademie, dann am Polytechnikum in Zürich   als Pro­fessor angestellt. Zu den berühmten Werken Sempers gehören: das Schauspielhaus in Dresden  , das er auch nach dem Brande von 1869 wieder neu erbaute; der Ausbau des Zwingers sowie die Synagoge und das Frauenhospital in Dresden  , der Ausbau der wiener Kaiser­burg und des wiener Hofburgteaters sowie der Ausbau des Polytech­nikums in Zürich   sind sein Werk. Semper hat auch viel über seine Kunst geschrieben. Seine Anschauung basirte auf dem Grundsaze, daß die Kunst sich dem Bedürfnis unterzuordnen habe, weshalb er stets be­strebt ist, zwischen dem Aeußeren und dem Innern eines Baues eine genaue Uebereinstimmung herzustellen. Er war zu der Ueberzeugung gekommen, daß die römische Kunst den Bedürfnissen unserer Zeit am meisten entspreche. Darüber läßt sich streiten. Bei alledem aber wird das prächtige Rathaus zu Winterthur  , der Versammlungsort freier Bürger, zwar nicht als die größte, wohl aber als eine der bedeutendsten Schöpfungen Sempers den Ruhm seines Namens der Nachwelt ver­

fünden.

W. B.

Aus dem Bereiche der Antropologie und Gesundheitspflege.

Geheimmittel. Die im Auftrage des berliner   Polizeipräsidiums während des Jahres 1881 untersuchten Geheimmittel sind nach der Busammenstellung Dr. Bischoffs folgende gewesen.

1. Bandwurmmittel des Apotekers Bräutigam: Kusso; Ol. ricini und Zuder.

2. Pastor Drehers Mittel gegen die Hundswut: Gemisch von ge­pulverter Meloë proscarabaeus und unfenntlichem Pflanzenpulver.

3. Auréoline, Mittel zum Goldfärben der Haare: Starke Auf­lösung von Wasserstoffhyperoxyd.

4. Haberechts berliner Universaltee gegen verschiedene Leiden: Ge­misch von Sennesblättern, Fenchel und Anis.

5. Stahns Miraculoinjektion: Aqua amygdalarum amararum mit einer Auflösung von Zincum sulfuricum, gemischt und versezt mit einer alkaloidischen Tinktur, anscheinend Tinct. opii, in geringer Menge. thaeae, Kino pulvis. 6. Stahns Miraculopillen: Ferrum sulfuricum, Pulv. rad. Al­

20. Kwietsches Pflaster: Ein Zugpflaster nach Art des Emplastrum fuscum, von schwachem Kampher- und Terpentingeruch, ein Bleipflaster als Basis.

21. Apoteker Bernards Keuchhustensaft: Als Ersaz des von dem­selben Apoteker( Einhornapoteke) verkauften sogenannten Dr. Beckschen Keuchhustensaftes, in welchem Himbeersaft mit Chlöralhydrat vorlag, ein Gemisch von Zudersyrup mit einem Dekokt indifferenter Pflanzen­stoffe und anscheinend Alteesaft.

22. Wendts Elementaröl gegen Gicht  , Rheumatismus 2c. Ein Ge­misch von Terpentinöl, fettem Del, Petroleum.

23. Apoteker Bernards Genfer   Bandwurmmittel: Gelatinekapseln mit Ricinusöl, Extractum filicis aethereum, Extr. cort. granat. 24. Aqua primavera des Fräulein Alwine Cotti: Ist parfümirtes Seifenwasser.( Schönheitsmittel.)

25. Herzigs Kaiſertropfen: Eine spirituöse Tinktur verschiedener Drastika 2c., Aloe, Saffran, Galgant u. A.

26. Kirchners Balsam oder Porenöl: Konzentrirter Seifenspiritus, gemischt mit Spiritus cochleariae.

27. Sachs Pain- Expeller: Ammoniakalische Tinctura capsici und Kampher.

28. Shakerextrakt: Eine gemischte Tinktur, in welcher Aloë, Cap­ sicum  , Salzsäure und pflanzliche Extraktivstoffe nachweisbar sind. Nach Angabe sollen mannichfaltige amerikanische   Pflanzen zur Bereitung des Extraktes dienen, u. A. Hydrastis, Schillingia, Evonimus atropur­purea, Iris versicolor, Veronica, Actaea racemosa, Leptandra vir­ginica, zum Teil stark drastische Stoffe enthaltend.

29. Volkmanns amerikanischer Balsam gegen Gicht, Rheumatismus und andere Leiden. Ein Gemisch verschiedener Fette mit dem Mycelium vom sogenannten Hausschwamm( Merculius destructor). ( Gaca.)

Mitteilungen aus den Gebieten der Industrie und Technik.

Ueber die Verbreitung der Notationsschnellpreffen in Deutschland  und Oesterreich- Ungarn. Mit der stetig wachsenden Vervollkommnung in Konstruktion der modernen Rotationsschnellpressen( auch Rotations­maschinen oder Endlose genannt), mit den Fortschritten der Rund­stereotypie, mit der in erfreulicher Weise verbesserten Qualität für den Rotationsdruck benötigten Materialien( Rollenpapier, Farbe, Walzen­masse u. dergl.), und nicht zum wenigsten mit dem Lesebedürfnisse der zivilisirten Menschheit wächst naturgemäß die Anwendbarkeit und Ein­führung der Rotationsschnellpressen, welche bei Massenproduktion nicht sei nur billigst, sondern auch schnellstens und gut jede Druckarbeit dieselbe eine ordinäre Zeitung, ein Werk oder seinillustrirtes Journal zu liefern imstande sind.

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Vor zehn Jahren ging man auf dem europäischen   Festlande erst sehr zögernd zur Einführung der in England und Amerika   bereits viel­fach zum Zeitungsdruck benuzten Endlosen über; es erklärt sich dies hauptsächlich daraus, daß man bei uns feineswegs so große Auflagen zu bewältigen hatte wie drüben, wo verschiedene Tagesblätter in 200 bis 300 tausend Exemplaren zu drucken waren, während man es in Deutschland   nur zu Auflagen bis etwa 30 tausend brachte.

Neuerdings sind unsere Zeitungen jedoch bedeutender und unsere Druckereien unternehmender geworden, wie sich dies schon aus der be­

7. Baron von F.... Kräuter- und Gesundheitssaft, fabrizirt verse Apoteker erster Klasse Höhne: Ein schwachweiniger Walzertraft, ständig und schnell wachsenden Zahl der zur Aufstellung gelangten Rota­

versezt mit einem Dekokt indifferenter Pflanzenbitterstoffe, Enzian und

ähnlichen.

8. Franz Ottos( Baunscheidtist) Lebensöl: Gemisch von Olivenöl

und Krotonöl.

and sons and their agents. Auxilio divino. For external application 9. Sogenannter Heilessig: Guaranted acetic. acid. sold by Couths

( Preis 5 Mr.)

wonnene Effigfäure.

ist 30 Prozent etwas unreine, aus Holzessig ge­

10. Amyna, Mittel gegen Gicht und Rheumatismus 2c.  , von Bierenz: Ein Tee, bestehend aus Fol. sennae, Stip. dulcamarae, Rhiz graminis; Lign. santali rubrum, Rad. levistici und vereinzelt Rad.

sarsaparillae.

11. Heymanns Kräutermagenliqueur, gegen Trunksucht: Schwach Spirituöser Auszug von Bitterstoffen, wesentlich Enzian  .

12. Hageriche Katarrhpillen, vom Drogisten Fabian, enthalten: Cinchonin, freie Salzsäure, Alteewurzel, Sandelholzpulver, Enzian

wurzelpulver und als Bindemittel Tragant.

13. Kamekameha, vom Drogisten Harnisch, gegen Kopfschmerzen: Gemisch von Pfeffermünzöl und Alkohol.

14. Boff'iche Katarrhpillen: Pul. rad. althaeae, Pulv. rad. gentianae und Cinchonidin, Tragacanthan, Semen lycopodii, freie Salzsäure. misch von Extr. Aloës mit Pulv. rad. gentianae und anderen Bitter­15. Sogenannte Schweizerpillen aus der Straußapoteke: Ein Ge­stoffextrakten, soweit feststellbar, Extr. gentianae und Extr. absynth. 16. Heilpflaster der Witwe Schulz: Mit Notholzpulver verseztes

Harzpflaster.

17. Dr. Neßsch Bräuneeinreibung: Mischung von absolutem Al­fohol, Karbolsäure, Nelkenöl, gefärbt mit Kochenille. 18. Dr. Nezsch Verdauungs- und Lebensessenz: Gemisch einer wäfferigen Lösung von Succus liquiritae und einer schwach spirituösen Tinktur verschiedener Bitterstoffe und Drastika, unter denen Aloë   und

Rad. rhei vorwiegend sind.

mit Lavendelöl, gefärbt mit Alfanna.

19. Vollmers Hautpomade: Vaselinsalbe mit etwas Fett, versezt

tionsschnellpressen erkennen läßt. So z. B. arbeitet die Kaiserstadt Berlin  jezt bereits mit 21 Endlosen, welche Zahl demnächst auf 23 steigen wird. Wie Berlin   inbezug auf Großartigkeit des Zeitungswesens alle übrigen Städte des deutschen Reichs weit hinter sich läßt, so befizt es auch weitaus die meisten Rotationsmaschinen; dies ergibt sich bestens aus folgender Zusammenstellung aller Endlosen des deutschen   Reiches: beschäftigt 23 Rotationsmaschinen

Berlin Frankfurt   a/ M. Hamburg Leipzig Stuttgart Breslau

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6

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München  

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Dresden  

Hannover  

Augsburg Köln a R.

Chemnitz

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8478500222222222

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3

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3

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Magdeburg Barmen

3

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" 1

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Braunschweig  

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Bremen  

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Königsberg i P.

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Nürnberg  

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Oberndorf a/ M. Stettin

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1

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Oberhausen   a/ Ruhr

1

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Halle

Dortmund

Görliz

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Jm Ganzen 100 Rotationsmaschinen

Das deutsche Reich hat somit gerade jezt das erste hundert Rota­tionsmaschinen erreicht.