Gesichtskreis; eine Insel verschwindet nach der andern, als sänke sie hinab in die blaue Flut.

Da unten auf dem Markusplaze entzünden sie schon die Gasflammen, und der Glöckner schaut uns verwundert an, daß wir uns von dem schönen Schauspiel gar nicht trennen wollen.-

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Das Leben Venedigs   konzentrirt sich ganz besonders am Abend auf dem Markusplaze; er ist der Boulevard des Venetia ners. Und wie das wogt und treibt in den prächtigen Arkaden! All' die schönen und reichen Korallen-, Juwelier, Bilder, Glas­waaren und andern Läden sind erleuchtet und zeigen ihre blizenden Schäze. Mancher sehnsüchtige Blick wird da hinein geworfen. Wie zwei Ströme ziehen die Lustwandelnden neben­einander her; Reich und Arm, Eingeborener und Fremder, Damen und Herren, Frauen, Mädchen und Männer aus dem Volfe, alle genießen sie die milde Abendluft und das Schau­

spiel der hin- und herwogenden Menge. Ambulante Kramladen

dem Bilde, das sich uns jezt darbot. Wir landeten an der Piazetta, und vor uns lagen sie alle, die Zeugen der glor reichen Zeiten. Wenige Schritte vom Ufer entfernt, stehen die beiden gewaltigen Granitmonoliten, die der Doge Sebastian Ziani   gegen Ende des zwölften Jahrhunderts aus Konstantinopel  brachte, derselbe Doge, der zuerst am Himmelfahrtstage die feierliche Vermählung mit dem adriatischen Meere vornahm. Der goldstrozende Bucentaur, von dessen Deck herab der Doge mit Majestät den vom Pabste geweihten Ring in das Meer schleuderte: ,, Desponsamus te mare in signo veri per petuique domini,"" Wir vermählen uns mit dir, o Meer, im Namen des wahren und ewigen Herrn" ist zerschellt. Der Korse wollte alle Zeichen der ehemaligen Macht vernichten; Napoleon   ließ den Bucentaur zerstören.

Auf der linken Säule steht die Statue des heiligen Teodor, auf der anderen der geflügelte Markuslöwe; immer noch schaut mit allem Erdenklichen winden sich durch, und ihre Besizer schreien er hinaus auf das Meer, aber es gehorcht ihm nicht mehr; teilweise ihre Waaren aus; prächtige Südfrüchte, Muscheln, seine Tazen sind kraftlos geworden, sein Auge blickt trübe, und Schildkröten, Korallen, zierliche Gondeln, Bilder, Feuerzeug, als der Korse ihn sogar nach Paris   schleppen ließ, da entrann Zeitungen werden feil geboten. Vor den glänzenden Cafés dem ehernen Auge eine Träne. So erzählt es der Venetianer. stehen die Tische und Stühle bis weit auf den Plaz hinaus, Desterreich sezte ihn wieder an seinen Blaz; wie lange mag und durch die Gäste wogt das Gedränge und wie überall in nun Ruhe haben? Italien   mit Anstand, ohne jegliche Roheit.

Links von der Markuskirche mündet die Hauptstraße Venedigs  auf den Markusplaz   ein, die Merceria. Wie das flimmert und

a

Lange Schatten werfen die Säulen in dem Lichte bes Mondes. Cave Columnas! Hüte dich vor den Säulen, hieß früher die Warnung des Venetianers, und heute noch geht er die berühmten venetianischen Glaswaaren und die blinkenden sein Werk, und viele, viele Schuldige und Unschuldige starben blizt von Gold und Silber; von Korallen und Perlen! Dann nicht gerne zwischen ihnen durch; denn hier verrichtete der Henter Spiegel. Kein Wagen, kein Pferd und kein schlechtes Pflaster zwischen ihnen schmählichen Tod. Wie oft hing am frühen stört uns, es schlendert sich so angenehm und wir gehen immer Morgen die Leiche eines wackeren Mannes hier, der es gut mit haben wir das vielbesungene, vielgepriesene echt venetianische Wohl knirschte das Volk mit den Zähnen, wohl fluchte es im

Bild vor uns. Der Mond ist aufgegangen und gießt sein mildes Licht über den breiten Kanal, auf dem die schwarzen Gondeln gespensterhaft hin und her huschen. Signori fanno

dem Volke meinte, aber den obersten Zehn nicht genehm war.

Herzen aber cave columnas! es schwieg.

Wenige Schritte weiter und wir stehen vor der prächtigen Façade des Dogenpalastes, der ebenso durch seine gewaltige una passeggiata?" fragt neben uns eine Stimme, und Filippo Größe als auch durch seine ganz eigene architektonische Schöns erscheint wie gerufen. Wir steigen in seine Gondel ein, um das heit imponirt. Nach zwei Seiten hin erheben sich, einer über schönste Schauspiel, Venedig   vom Wasser aus, im vollen Lichte dem anderen, zwei prächtige Säulengänge; auf dem obersten des Mondes zu genießen. Es ist wunderbar schön, zwischen durften nur die Senatoren gehen. An dem einen Ende des

den hohen Palästen dahinzufahren; aber es ist gar so still, so

Portikus  , nach der Markuskirche zu, stechen unter den weißen traurig still. Unter den hohen Fenstern schlägt kein schmucker Marmorsäulen zwei rote hervor; zwischen ihnen verkündete ber Senator dem untenstehenden Volke die gefällten Todesurteile Wie oft stand das Volk hier in ohnmächtiger Wut, wie ballie

Kavalier die Laute mehr, und auf dem Balkon erscheint keine dunkeläugige Signora, um dem Schwärmer da unten zu zeigen, daß er gehört wurde. Alles still und öde. Hier Palast an Palast, auf dem Markusplaze lauter schimmernde Pracht und da drinnen in der Stadt die größte Armut. Mehr als 25000

tersten Kampf ums Dasein. Was wäre die stolze Dogenstadt,

sich die nervige Faust um das Stilet, aber es schwieg,

die

wenn sie nicht von den Fremden besucht würde! Und wie peln der einzigen Markuskirche und feenhaft treten sie in der

wünschen sie, die jeden deutsch   Redenden verfluchten, die Fremd­

Spione der Zehn standen unter ihm. Ein unvorsichtiges Wort, eine leis gemurmelte Verwünschung, ein Fluch auf die blutigen Menschen fristen ihr flägliches Dasein von den Unterstützungen tyrannischen Häupter: und ein neues Todesurteil war schon ge des Staates, und viele tausende kämpfen Tag für Tag den bit schrieben. Die Säulen standen gar zu nahe cave colum nas! Das Licht des Mondes spielt auf den orientalischen Sup milden Beleuchtung hervor. Es ist ein Bild, wie die kühnfte herrschaft, die Desterreicher, zurück. Man muß sie hören, die Phantasie es sich nicht vorzustellen vermag, ohne es gefehen zu jene Zeiten zurückdenken." Ja, wir haben sie gehaßt, wir haben berühmten Fahnensäulen, an denen einst die Fahnen der drei haben. Der Kirche gegenüber steht der Kampanile, und die brei eroberten Königreiche Cypern, Morea und Kandia flatterten bringen, und jezt müssen wir es bitter bereuen. Wir haben werfen ihre langen, langen Schatten weit über den Marku

Gondoliere, die Kaufleute, die Wirte, wie sie mit Wehmut an

alles getan, heimlich und öffentlich, um die Tedeschi fortzu­

es getan aus Liebe zum Vaterlande, wir wollten Italiener sein, aber dafür hungern wir jezt. Süß ist's, für das Vaterland zu sterben, aber aus Hunger sterben, das ist kein Heldentod." So

plaz hin.

,, La place de Saint Marc est un salon auquel le ciel flagen sie alle und es ist auch nicht abzusehen, daß es besser Saal, dessen Gewölbe einzig und allein der Himmel zu fein Iseul est digne de servir de voûte,"" der Markusplaz ist ein wird. Der Handel von Venedig   liegt brach, das zu nahe Triest   verdient," rief Napoleon aus, als er das prächtige Schauspiel

nimmt alles weg. Der Handel, die Industrie suchen keine historischen Orte auf, wenn sie an dem prosaischsten Orte für ihre Zwecke einen besseren Plaz finden.

Wir

Es ist gar zu traurig um dieses prächtige Venedig  . hatten uns auch ablenken lassen von dem nächtlichen Schauspiel dieser Art, aber sie verschwanden, sie mußten verschwinden bei

genoß.

Auf dem Uhrturm am Eingang der Merceria heben die zwei riesigen Eisenmänner hoch oben die schweren Hämmer und ber fünden die zwölfte Stunde. Es ist Mitternacht  ." Gute Nacht

Filippo." ,, Felicissima notte, Signori." ( Fortsezung folgt.)