Georg lächelte ernst.
" Ich kenne Ihr gutes Herz, es ist wie damals noch, aber hat es Ihnen Ihr Vater nicht gesagt, daß ein einzelner hier nichts vermag? Seien Sie in diesem Falle beruhigt, Eva und der: Buben wird es an dem Nötigsten nicht fehlen. Es sind Aermere hier, die in einem Elend leben, daß einem das Herz bebt. Aber ich und der Balentin, wir gehören zu den Jungen. und Kräftigen, wir haben nicht Weib und Kind, wir können für andere sorgen und wir werden es auch."
Elsa senkte den Kopf. Sie kannte den Stolz Georgs von früher her, und sie fühlte, daß derselbe ein berechtigter sei, da das Gegenteil bereits die moralische Verkommenheit bedeute.
Nichtsdestoweniger nahm sie sich vor, als Evas Freundin helfend einzugreifen.
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Eva kam herangelaufen und sie bat Georg, nicht länger zu verweilen, die Mutter warte gewiß schon mit dem Frühstück auf ihn. Du wirst dein Donnerwetter schon friegen," meinte sie mit einem kleinen, fast spizbübischen Lächeln. Auch die Mädchen nahmen Abschied, sie küßten sich wiederholt und drückten sich die Hände. Dann gingen Elsa und Georg nebeneinander dem See und dem hart daran liegenden Häuschen der Mutter Hofer zu. Wenn ich Ihnen jezt die Broschüre übergebe," sagte Georg leiſe,„ so werden Sie niemandem sagen, daß Sie diese in Amsee
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und von mir bekommen haben."
Elsa nickte verständnisvoll:„ Gewiß nicht."
In dem Augenblick, als der Salzarbeiter mit dem Fräulein vor der niederen Tür seiner Hütte angelangt war, wurden sie von einem Manne, der auf dem Serpentinenweg den Salzberg hinaneilte, bemerkt. Es war Cölestin , der seit einer Stunde in wildester Aufregung den Flüchtling suchte.
Er sah sie eintreten. War es ein Ausdruck übermächtiger Freude, war es eine Verwünschung, die hinter ihnen drein in einem halberstickten Schrei sich von seinen Lippen löste? Mutter Hofer hatte soeben einen halben Löffel voll Schoten in das heiße Wasser geworfen und verrührte ihn übereifrig. Sie kehrte der Tür den Rücken und wendete sich auch nicht um, als diese geöffnet ward. Sie wußte, daß es ihr Sohn sei, und die ange janimelte Galle über sein nächtliches Ausbleiben begann sich sofort zu cutladen. Schon hatte sie ihm einige seiner Berbrechen an den Kopf geworfen, als sie plözlich innehielt und sich umbrehte. Sie hatte einen zweiten Schritt neben dem ſeinigen gehört und blieb nun, den Rührlöffel in der Hand, ganz verbuzt,
zum Gebrauch ihrer Zunge kam.
Elsa gab ihr die Hand und fragte, wie es ihr gehe. " Schlecht genug, Dank der Nachfrag," sagte sie, zur Er
hatte den Rührlöffel aus ihrem Fürtuch gerissen und platschte mit ihm in den Topf hinein, daß die Suppe nach allen Seiten heraussprizte.
Seit dem Unglück, das den Frieder getroffen, war Mutter Hofer in der grimmigsten Laune.
Und diese Behandlung fehlte noch zu all dem anderen, das man ihr seit zwei Tagen angetan und angesonnen. O, sie kannte ihre Söhne, sie wußte nur zu gut, wie diese dachten, und was dabei auch für sie herauskommen würde, den ganzen Zorn des Himmels, der den Frieder getroffen, den sollte sie nun mit tragen, gleichsam auf sich nehmen.
Die Hofer war ein Weib von der gewöhnlichen Gutmütigkeit, aber sie war alt und hatte ihr lebtag so viel Kummer und Elend durchgemacht, daß sie dessen müde geworden war. Jezt, wo ihre Söhne verdienten, wo es ihr endlich etwas besser ging, wo sie sogar hie und da, durch die kombinirteste Sparsamkeit, einen Kreuzer zurücklegen konnte, jezt sollte ihr das wieder entrissen werden und sie sollte abermals die grausamsten Entbehrungen erdulden müssen? Und das alles wegen dem Frieder, dem alten Sünder, den sie nie leiden konnte, und weil ihr Valentin, der Narr, sich in die Everl verliebt hatte?! Aber der Valentin wird sich kein graues Haar darüber wachsen lassen, und so wird die größte Sorge halt wieder den Georg treffen und damit auch sie. Und sie sollt das alles so hinnehmen? sollt sich das alles gefallen lassen, und nicht mucksen dürsen? Ihr Zorn kämpfte mit dem heimlichen Respekt, den sie seit einiger Zeit vor ihrem jüngeren Sohn zu hegen begann.
Georg war mit Elsa allein im Zimmer. Er hatte einen Schlüssel aus der Tasche seines Rockes genommen, und ohne Zögern sich der Truhe zugewendet, die unter dem Fenster stand, und sie geöffnet.
Elsa war auf seine Aufforderung herzugetreten. Sie bemerkte in der Truhe, neben andern Gegenständen, eine Anzahl
Broschüren, die noch nicht aufgeschnitten waren. Georg entnahm ein Exemplar und reichte es ihr hin.
Ihre Augen suchten sofort den Namen des Verfassers. „ Von Manlius?" fragte sie erstaunt.
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„ Er verbirgt sich einstweilen noch unter diesem Pseudonym." " Ich werde ihn nicht verraten."
Er griff nach einem alten Zeitungsblatt, das ein altes Datum
trug, und das er hier gleichfalls verwahrt gehalten, und hüllte
das Büchelchen darein. Da hörte er die Stimme seiner Mutter,
die mit jemandem zu sprechen schien.
Rasch schloß er die Truhe, während Elsa das Buch auf den Tisch legte und ihr Sacktuch darüber warf.
härtung ihrer Aussage sich mit der Schürze die wässernden verstört, das Blut gegen die Schläfen gedrängt, die Stirne Augen wischend, und den heißen Löffel, gleich einem Schwert, feucht, stand auf der Schwelle.
Ian die Seite hinter ihr Fürtuchband steckend.„ Kleine Kinder
Sein Blick umfaßte die ganze Gestalt des Mädchens und „ Endlich!" Dann schritt er hoch aufgerichtet, mit erheuchelter Ruhe und dem ganzen Gefühl seiner
fleine Sorgen, große Kinder große Sorgen, na Fräulein, Sie seine Lippen stammelten ein: werden's schon noch erfahr'n."
Georg hatte die Tür, die in das Zimmer ging, geöffnet und
bat Elsa einzutreten.
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Würde und geistlichen Autorität auf das junge Mädchen zu.
Sie erwartete ihn.
wird sich was Schön's von uns denken, die Polster sind noch zum Kampf bereit. Er fühlte sofort den Widerstand heraus. nichts in Ordnung," entschuldigte sich die Hofer, die Fräul'n Zusammenfassen von Intelligenz und Willen. Sie stand wie nicht am Bett, und am Samstag hab' ich nichts reiben können,
Er wußte es, noch ehe sie es ihm gesagt, daß sie in der Ab
alles wegen dem Frieder sein Unglück." Sie wollte eben hinter sicht, sich ihnen zu entziehen, das Haus verlassen hatte.
Elsa ihre vierschrötige Gestalt in die Türe schieben, als Georg
Aber er drängte den heißen Zorn über ihren Wankelmut
in bittender Abwehr sagte:„ Machens' die Suppe fertig, Mutter, zurück, cs galt sie wiederzugewinnen.
ich will rasch frühstücken, ich muß gleich wieder fort."
„ Sie haben uns Stunden der Angst und Sorge bereitet,"
Und er trat ein und machte ihr die Tür vor der Nase zu. sagte er vorwurfsvoll und er blickte sie dabei mit den schönen Sie blieb einen Augenblick ganz verduzt, sie fühlte sich sehr Augen an, die nun eingefallen waren, wie nach Augenblicken
getränkt.
großer Erregung und seelischer Pein; auch seine Stimme klang
" Na ja, die Alte, die wird jezt überall außi druckt, die angegriffen." Gewiß, Sie wären nicht dieser Laune gefolgt,
wenn Sie den Schmerz hätten ermessen können, den Sie uns
Sie schwieg.
wär ihnen halt schon überall im Weg, überall, überall," brummte sie, indem sie zornig nach dem Herde zurückschritt. Und die zugefügt." daltete Ausred, ich sollt ihm die Suppe fertig machen, er hat's ja g'sehn, daß der Schoten schon verrührt war, was soll ich denn noch weiter drein rühren, höchstens Gist und Gall!" sie
Seine Augen hafteten gespannt auf ihren Zügen, dann tat er einen raschen sprühenden Blick um sich, als könne ihre Um