entriß sie ihr und ging an ihr vorüber, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Er erreichte mit Elsa die Straße und schritt an ihrer Seite dahin, finster, verstört, vernichtet. Sie war die Freie, sie triumphirte, und er fühlte nur die entsezliche Abhängigkeit, in der er sich befand, die ganze Unnatürlichkeit seiner Knechtschaft. In geistlicher Gemeinschaft hatte er die Macht gesucht und er hatte dafür seine Kraft, seinen Willen, sein süßestes Mannes­recht dahingegeben, und er mußte nun mehr als ein Mensch sein oder er sank unter den Menschen herab, zum Gespötte aller.

Georg stand an dem kleinen Fenster und sah ihnen nach. Tausend Gedanken drängten sich in seinem Kopf, schwellten ihm die Brust, erstickten ihn faſt.

Mutter Hofer brachte ihm die Suppe.

Sie war ganz fuchsteufelswild. Daß ihr der Pater keinen Segen gespendet, war für sie eine neue Kränkung, die sie eben falls dem Georg anrechnete. Wie hatte sich der Bub nur auch benommen, er hatte vor dem geistlichen Herrn gar keine Demut an den Tag gelegt, aber sie wollte ihm dafür jezt ihre Meinung sagen, und dies gehörig.

Als aber Georg jezt herbeifam und sich an den Tisch sezte, sah er so sonderbar ernst aus, daß sie sich nicht getraute, auch

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nur eines ihrer bösen Worte auf ihn loszulassen. Scheu und etwas bänglich sah sie von der Seite nach ihm hin.

Er schlang die Suppe mit Heißhunger hinab, aber er schien nicht zu wissen, was er. Und jezt griff er mechanisch nach dem Rucksack, den sie ihm schon gepackt, nahm Hut und Stock und ging aus dem Hause, ohne der Mutter die Hand gegeben zu haben.

Das hatte er bisher noch nie getan. Es war ein Tag der fortgesezten Kränkung für die gute Frau.

Er schritt allein in tiefen Gedanken versunken die Serpen tine hinan. Er begegnete keinem Kameraden, sie waren alle schon vorangegangen.

Aber im Schlafsaale des Arbeitshauses traf er mit ihnen zusammen.

Sie standen in Reihen aufgepflanzt vor dem Kruzifix, das Gebet, das vor jedem Einfahren in den Stollen vorschriftsmäßig geleistet werden mußte, wurde laut gebetet.

, Bete und arbeite', war hier oben die Devise, und beides unter strengster Disziplin.

Das Stadium der Entwicklung aber, in dem der Arbeiter Georg sich befand, die Stimmung. die er heute mitbrachte, wäre richtiger karakterisirt worden durch den Spruch:, Dente

und ertrage!"

( Forts. folgt.)

Shylok  .

Bon J. Stern.

( Siche hierzu Illustration Seite 273)

Zu den gelungensten und interessantesten Geschöpfen der dichterischen Phantasie zählen zwei wie Licht und Finsternis einander entgegengesezte unsterbliche Gestalten, welche im Reiche

Sonderstellung längst aufgegeben haben und nur noch der Ge­

darin nämlich, daß das Lessing'sche Stück eine Tendenzdichtung das " Ich muß versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, dem Teater, noch ungestört

will

der Poesie auch dann noch fortleben werden, wenn jenes Volks- predigen lassen," schrieb Lessing   bekanntlich an Elise Reimarus  , furiosum, dem sie angehören, seine stammliche und religiöse und an seinen Bruder schrieb er, er wolle mit seinem Stüd den Teologen gewiß einen ärgern Possen spielen als noch mit schichte angehören wird: Shakespeares Shylok und Lessings zehn Fragmenten. Die Behauptung der Pastoren, das Chriften Shylok   und Nathan! Sie stehen sich gegenüber wie Liebe widerlegt und das gegen die Juden herrschende Vorurteil, als tum allein sei fähig, edle Karaktere zu bilden, sollte gründlich

Nathan.

und Haß, wie Sarastro, der Hohepriester der Humanität, und

die racheschnaubende Königin der Nacht in Mozarts herrlicher hasser wären, erschüttert werden. Daher schildert er seinen Tondichtung. Der eine beschränkter Stockjude mit allen seinen Helden als hochidealen Juden( wozu ihm indes sein Freund widerlichen Eigenheiten, der andere ein weiser Philosoph, ein Moses Mendelssohn   unbewußt Modell gesessen hat). Shate liebenswürdiger Humanist und Weltreligionsprophet. Der eine speare dagegen war es feineswegs darum zu tun, ein jüdisches voll Rachedurst, unversöhnlich nach dem Blute seines Feindes Scheusal auf die Bretter zu bringen, um das Parterre gegen lechzend, mit dem Todeseisen in der Rechten und dem Schuld- die Juden einzunehmen. Die Sage, welche ihm den Rohstoff schein in der Linken; der andere voll reinster Milde und höchsten zu seiner herrlichen Komödie lieferte, entnahm er auch den Juden Edelmuts, Haß mit Liebe, furchtbare Verfolgung mit selbst und verwertete ihn, soweit er für seine poetischen Zwecke brauch bar war; wäre der Shylok der Sage beispielsweise ein Maure Hohelied der Freundschaft, wie man Shakespeares   Kauf- gewesen, so hätte ihn Shakespeare   sicherlich nicht aus der Moschee, wie Lessings Nathan der Weise  " bezeichnet wird, weisen so hält, wird man den Shylok richtig bemteilen, dessen Karakter in die Synagoge versezt. Nur wenn man dies im Auge be

aufopferndem Wohltun vergeltend.- Die beiden Dramen, das

mann von Venedig  " nennt, und das Hohelied der Humanität,

"

mancherlei Analogien auf, daß die Vermutung gerechtfertigt erscheint, der um zwei Jahrhunderte jüngere Deutsche habe zu

Juden dürstet und dessen Refrain lautet: der Jude wird ver­

schon vielen Shakespeareologen ein Rätsel war.

Die Sage von der Grausamkeit des Juden, der seinem wollen und es sei ihm bei der Komposition des Nathan" der will, ist eine sehr alte und sie hat schon vor Shakespeare poetijde dem abschreckenden Juden des Engländers ein Gegenstück schaffen christlichen Schuldner ein Pfund Fleisch aus dem Leibe schneiden Kaufmann von Venedig  " besonders lebhaft vorgeschwebt. Dort Bearbeitung gefunden, und zwar nicht blos von Shakespeares I ein jüdischer Fanatiker, der auf seinem Schein besteht, nach Vorläufer Marlowe in seinem" Juden von Malta  ". Es eriftirt Christenblut lechzt und bei seiner Losung: das Pfund Fleisch! eine alte englische Ballade, worin sie in ungeschminktem, treu beharrt; hier ein chistlicher Fanatiker, der nach dem Blute des herzigen Tone vorgetragen wird. Der Jude heißt darin Ger brannt! Bei Shakespeare   wird eine jüdische Tochter ihrem hat, ist indes ohne Zweifel die italienische Novellensammlung nutus. Die eigentliche Quelle, aus welcher Shakespeare geschöpft lichen Liebhaber durch; bei Lessing   schmiegt sich ein Christen- geschrieben ist und erstmals in Mailand   1554 gedruckt wurde. Bater und ihrem Glauben untreu und geht mit ihrem christ 11 Pecorone von Giovanni Fiorentino  , die schon im Jahre 1378 an. Bei jenem spielen die drei Kästchen, bei diesem die drei worin das Verhältnis zwischen dem Juden und dem Chriften Nun gibt es aber merkwürdigerweise eine andere Sage, Ringe eine entscheidende Rolle; und so ließen sich noch manche gerade umgekehrt ist, indem der Christ dem Juden ein Pfund In einer Hauptsache indessen scheitert die Parallelisirung, dieselbe in seinem Leben des Pabstes Sixtus V.   folgendermaßen. Fleisch aus dem Leibe schneiden will. Gregorio Lati erzählt

mädchen dem jüdischen Pflegevater mit zärtlichster Liebesinnigkeit

Aehnlichkeiten in den beiden Dramen zeigen.

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