Juden war, so wurde bald aus dem Wucherer der Fabel ein jüdischer Wucherer und ein Jude überhaupt.
Originell, mehr geistreich als den Intentionen des Dichters entsprechend, ist die Auffassung H. Heines, und Herr N. Samuely, der diese von Heine selbst wohl nicht ganz ernst gemeinte Auffassung buchstäblich adoptirte, hätte wenigstens so ehrlich sein sollen, in seinem gedruckten Vortrag( Lemberg 1881) den Autor zu nennen, dem er dieselbe entlehnt hat. Shakespeare , meint Heine, hegte vielleicht die Absicht, zur Ergözung des großen Haufens einen gedrillten Währwolf darzustellen, ein verhaßtes Fabelgeschöpf, das nach Blut lechzt und dabei seine Tochter und seine Dukaten einbüßt und obendrein verspottet wird. Aber der Genius des Dichters steht immer höher als sein Privatwille, und so geschah es, daß er in Shylok troz der grellen Frazen haftigkeit die Justifikation einer unglücklichen Sekte aussprach, welche den Haß des niederen und vornehmen Pöbels nicht
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werben, notwendigerweise die raffinirtesten Kaufleute und Bankiers werden mußten. Man zwang sie, reich zu werden und haßte sie dann wegen ihres Reichtums; und obgleich jezt die Christen heit ihre Vorurteile gegen die Industrie aufgegeben hat und die Christen in Handel und Gewerbe ebenso große Spizbuben und ebenso reich wie die Juden geworden sind, so ist dennoch a diesen lezteren der traditionelle Volkshaß haften geblieben, das Volk sieht in ihnen noch immer die Repräsentanten des Geldbefizes und haßt sie. In der Weltgeschichte hat jeder recht, sowohl der Hammer als der Ambos."
„ Wenn du nach Venedig kommst," schreibt Heine ferner, ,, und über den Rialto steigst, so sucht dein Auge überall den Shylok und du meinst, er müsse dort hinter einem Pfeiler zu finden sein, mit seinem jüdischen Rocklor, mit seinem mißtrauisch berechnenden Gesicht, und du glaubst manchmal sogar seine freischende Stimme zu hören: Dreitausend Dufaten
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gut!
immer mit Liebe vergelten wollte. Aber der Genius Shake- Ich wenigstens, wandelnder Traumjäger, wie ich bin, ich sah speares erhebt sich noch über den Kleinhader zweier Glaubens- mich auf dem Rialto überall um, ob ich ihn nirgends fände, parteien, und sein Drama zeigt uns eigentlich weder Juden noch den Shylok. Ich hätte ihm etwas mitzuteilen gehabt, was ihm Christen, sondern Unterdrücker und Unterdrückte, und das wahn- Bergnügen machen konnte, daß z. B. sein Vetter, Herr von sinnig schmerzliche Aufjauchzen dieser lezteren, wenn sie ihren Shylot zu Paris , der mächtigste Baron der Christenheit ges übermütigen Quälern die zugefügten Kränkungen mit Zinsen worden und von Ihrer katolischen Majestät jenen Isabellenorden zurückzahlen können. Shakespeare , meint Heine weiter, würde erhalten hat, welcher einst gestiftet ward, um die Vertreibung eine Satire auf das Christentum geschrieben haben, wenn er es der Juden und Mauren aus Spanien zu verherrlichen. Aber von jenen Personen repräsentiren ließe, die dem Shylok feind ich bemerkte ihn nirgends auf dem Rialto und ich entschloß lich gegenüberstehen, aber dennoch kaum wert seien, demselben mich daher, den alten Bekannten in der Synagoge zu suchen. die Schuhriemen zu lösen. Mit Ausnahme der Porzia sei Die Juden feierten hier eben ihren heiligen Versöhnungstag Shylok die respektabelste Person im ganzen Stück. Er liebt und standen eingewickelt in ihren weißen Schaufäden- Talaren, das Geld, er verschweigt nicht diese Liebe, er schreit sie aus mit unheimlichen Kopfbewegungen, fast aussehend wie eine Ber auf öffentlichem Markte. Aber es gibt etwas, was er dennoch sammlung von Gespenstern. Indem ich, nach dem alten Shylof höher schäzt als Geld, nämlich die Genugtuung für sein be- umherspähend, all die blassen, leidenden Judengesichter aufmerk hungen. Mehr als sein Geld liebt Shylok auch seine Tochter: verschweigen kann. Ich hatte nämlich denselben Tag das Jrren und verrät, habe Shakespeare feineswegs eine Jüdin schildern auf, daß in dem Blick der Juden derselbe fatale, halb ftiere, " Jessika, mein Kind!" In dieser, welche ihren Vater bestiehlt haus San Carlo besucht, und jezt in der Synagoge fiel es mir stalb unstäte, halb pfiffige, halb blöde Glanz flimmerte, welchen ich kurz vorher in den Augen der Wahnsinnigen zu San Carlo geliebten Männchen. Der wirkliche Grund des Judenhaſſes im nicht eigentlich von Geistesabwesenheit, als vielmehr von der Dieser unbeschreibliche rätselhafte Blick zeugte 19. Jahrhundert sei keineswegs ein religiöser, sondern ein wirt Oberherrschaft einer fixen Idee. Ist etwa der Glaube an jenen schaftlicher.„ Aber ist es die Schuld der Juden, daß sich der außerweltlichen Donnergott, den Moses aussprach, zur firen Die Schuld liegt ganz an jenem Wahnsinn, womit man im seit zwei Jahrtausenden in die Zwangsjade stedte und ihm die Geschäftsgeist bei ihnen in so bedrohlicher Weise entwickelt hat? Jdee eines ganzen Volkes geworden, das, trozdem daß man es als etwas Unedles und gar die Geldgeschäfte als etwas Schimpf verrückten Advokaten in San Carlo, der sich nicht ausreden ließ, liches betrachtete und deshalb den einträglichsten Teil solcher daß die Sonne ein englischer Käse sei, daß die Strahlen der ein Juden gab, so daß diese, ausgeschlossen von allen andern Ge- solcher herabgeschossener Wurmstrahl das Herz zerfresse?"
wollen( hier hat Heine gewiß vollkommen recht), sondern nur eine Tochter Evas, einen jener schönen Vögel, die, wenn sie flügge geworden, aus dem väterlichen Neste fortflattern zu dem
Mittelalter die Bedeutung der Industrie verkannte, den Handel
bemerkt hatte.
Duche gab, dennoch nicht davon ablassen will
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gleich jenem
sich alle Karakterzüge jener entsittlichten und verkommenen römi
hätte übertroffen werden sollen.
und wirtschaftlichen Zustände im alten Rom unter der Herrschaft Weibes darstellt. Es ist möglich, daß es im Cäsarenreich | Wir haben in diesen Blättern eine Darstellung der politischen ragendste Verkörperung sittlicher Verworfenheit in Gestalt eines der Cäsaren in allgemeinen Umrissen gegeben.*) Als Ergänzung noch verworfencre Weiber gab, als Messalina , wennschon man dazu wollen wir heute das Bild eines Weibes zeichnen, in dem sich nur schwer vorstellen kann, wie sie in ihren Lastern noch schen Gesellschaft vereinigen und das in seiner Macht und seinem ihrem Gemahl die Herrschaft über das gewaltige Römerreich Allein Messalina teilte mit Farben schillern und gleißen, aber doch nur in einer Atmosphäre Niemals ist jemandem von der Geschichte ein furchtbareres Glanze einem jener Insekten gleicht, die zuweilen in bunten und so blieb denn die historische Kritik an ihrer Person haften. des Moders und der Fäulnis zu existiren vermögen. Wir Brandmal aufgedrückt worden, als dieser in Lastern verfantenen meinen Valeria Messalina **), die Gemahlin des Kaisers schönen Römerin; sie ist durch neunzehn Jahrhunderte typifc Claudius, von der die römischen Geschichtsschreiber ein Bild geblieben als der Inbegriff menschlicher Schamlosigkeit, und entworfen haben, nach welchem sich in Messalina die hervor wird es auch noch ferner bleiben; die neuere Geschichtschreibung
hat dies Weib von einigen der dunkelsten Flecken zu reinigen gesucht. Wir werden untersuchen, inwieweit dies gelungen ist.
Das Gesammtbild bleibt aber troz alledem dasselbe.