Wir stoßen auf den Höhen und in den Tiefen der moder­nen Gesellschaft fast überall auf Spuren eines bald größeren, bald geringeren Grades von Immoralität, mag sie mun ent­stehen aus verkehrten Verhältnissen und Gewohnheiten oder mag ihr Ursprung daher zu leiten sein, daß der Mensch in der Bügelung seiner sinnlichen Begierden immer schwach gewesen ist. Aber die moderne Gesellschaft ist der reine Tugendspiegel gegen über jener sittlichen Fäulnis, die im Reiche der römischen Cäsaren herrschte. Mit den Schäzen des Orients kam auch dessen Ueberfülle von Lastern nach Rom  ; ja man fann sagen, daß wie die Schäze, so auch die Laster aller Länder sich in Rom  fonzentrirten. Die Stadt wurde ein Pfuhl der niedrigsten Sinnlichkeit, und was heute nur noch eine verdorbene Phan­tasie ersinnen könnte, das schritt dort schamlos und öffentlich einher. Hand in Hand ging damit ein Luxus, den man nur dann sich erklären kann, wenn man, wie etwa in den Reden Ciceros gegen den Verres  , geschildert findet, wie die Provinzen von den Statthaltern ausgesogen worden sind. Die Verschwen­dung und Pracht bei den Toiletten der römischen Damen er­

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Claudius   war dazu auch ganz der richtige Mann. Er war, wie man sagt, ein gelehrtes Haus, aber ein Schwachkopf, der zwar seine eigenen Launen hatte, aber sich auch sehr gern von den Launen anderer gängeln ließ. Wenn er sich in seinen Reden an den Senat auch über die vielen Arbeiten beklagte, die ihm die Regierung eines so ungeheuren Reiches mache, so blieb er doch ein Bücherwurm, der sich in alte Pergamente vers grub, wenn er nicht schlemmte oder sich mit seinen Frauen und Mätressen belustigte. Die Regierungsgeschäfte übertrug er meistens talentvollen freigelassenen Sklaven, namentlich dem Nars cissus, der sein mächtigster Minister ward. Natürlich schrieb man alles, was für die Deffentlichkeit geschah, dem Claudius  zu; so wollte es der herrschende Servilismus. Claudius   war ein furchtsamer und unpraktischer Mensch; die Prätorianer muß ten ihn förmlich zwingen, die Krone anzunehmen. Er hatte sich bei der Nachricht von der Ermordung Caligula's   versteckt, und als ihn ein Soldat hervorzog, fiel Claudius   ihm zu Füßen und bat um sein Leben. Als man ihn in eine Sänfte hob und zum Kaiser ausrief, glaubte er immer noch, man führe ihn zur Hinrichtung und jammerte über die Maßen. Auch das Bolt sprang oft übel mit ihm um. Als er einmal kein Brod ver teilen ließ, wurde er mitten auf einem großen öffentlichen Plaze mereien. Bei den Römern wurden bald die germanischen Frauen konnte er dem Tumult entrinnen. Dieser sonderbare Cajar, von der Volksmenge mit alten Brotstücken beworfen*) und kaum sehr begehrt, die aus den Feldzügen in Deutschland   in Masse der als ein Ritter von der traurigsten Gestalt erscheint, wat gefangen als Sklavinnen nach Rom   gebracht wurden. Diese von großer Figur; er taumelte aber immer wie ein Betrunkener blauäugigen und blondhaarigen Geschöpfe wurden den korrum auf seinen Beinen, sein Kopf zitterte anhaltend und bei jeder innen vielfach vorgezogen. Das bewirkte, daß die Römerinnen Zorn trat ihm der Schaum aus Mund und Naſe. Er wat Anstrengung sehr heftig; er stieß mit der Zunge an und im sich die Haare gelb oder blond färben ließen und in ihrem grausam, mißtrauisch, zuweilen blutdürstig, ausschweifend, schwach, nischen Frauen nachahmten. Im übrigen übertrafen die Damen ihm schlecht. Als einmal im Senat über die Fleischer bere die germa furchtsam.**) Zuweilen wollte er geistreich sein, aber es gelang der römischen Aristokratie an Sittenlosigkeit jene unglücklichen handelt wurde, rief er:" Ich bitte Euch, wer kann denn ohne Wesen von heute, bei denen die Sittenlosigkeit die Grundlage sein Stück Wurst leben?" Dieser fade Wiz scheint sogar bei mals die Sittenlosigkeit ging, so braucht nur daran erinnert zu hat eine Menge von Büchern geschrieben, die verloren gegangen seinen servilen Höflingen keinen Beifall gefunden zu haben. Er werden, daß der römische Senat ein Gesez erlassen mußte, das sind. Seine Minister mußten das Volk reichlich mit Brod den Frauen der römischen Senatoren und Ritter verbot, sich und Spielen" bedenken, und so blieb seine Herrschaft gesichert. unter die Kontrole der Sittenpolizei stellen zu lassen. Die aristo Seine erste Regierungshandlung war, daß er den Republikaner fratischen Damen pflegten sich nämlich in die Liste der öffent Charea, der den wahnsinnigen Caligula   getötet und dadurch den lichen Mädchen aufnehmen zu lassen, um ihren Ausschweisungen Tron für ihn( Claudius  ) freigemacht hatte, hinrichten ließ. So war der Mann beschaffen, unter dem Messalina   ihr

scheinen uns heute wie orientalische Märchen. Das Leben der vornehmen Römerinnen der Kaiserzeit versloß in seiner einen Hälfte mit Uebung der raffinirtesten Toilettenkünfte*), in der anderen mit den raffinirtesten Ausschweisungen und Schlem­

pirten und in ihren Ausschweifungen rasch alternden Römer­

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des Lebenserwerbs ist. Wenn man wissen will, wie weit da=

ungestört und ungestraft nachgehen zu können.

In dieser Sphäre war Messalina   aufgewachsen. Sie mochte etwa um 24 n. Chr. geboren sein. Ihr Vater, Barbatus

Treiben begann.

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Cäsar,

Es liegt auf der Hand, daß die junge Messalina   einen Messala, war ein Vetter des Kaisers Claudius  . Die Mutter Menschen wie den Claudius   nicht aus Zuneigung geheiratet der Messalina   war Domitia Lepida, eine Enkelin des einstigen haben konnte. Aber nachdem er Kaiser geworden, konnte sie fich Triumvirs Antonius, des Liebhabers der Kleopatra, dessen Enkel sicherlich keinen geeigneteren Mann wünschen, denn seine Schwäche auch Kaiser Claudius   war. Diese Domitia Lepida war eine gestattete ihr, ihren Leidenschaften ganz und gar die Zügel

der sittenlosensten Frauen Roms; ihre Ausschweifungen waren ebenso groß wie ihre Schönheit. Wenn man bedenkt, daß zu der im höchsten Grade sinnlich angelegten Natur Messalina's  noch die Erziehung einer solchen Mutter fam, so begreift man,

schießen zu lassen.

mitten in einem Gewühl von Intriguen und Verschwörungen, Zur Höhe gelangt, sah sie sich von vielen Feinden umgeben, von vielen Seiten bedroht durch die Einwirkungen und Ein wie Messalina   auf der Höhe ihres Lebensganges das werden flüsterungen anderer auf den schwachen Kaiser. Sie wußte fid

sieben Jahre zu halten troz alledem, obschon der Einfluß ihrer Der kaiserliche Prinz Claudius   war schon viermal ver- furchtbaren Feindin, der Agrippina  , der Mutter des späteren

mählt gewesen; doch verließ er drei seiner Frauen, die vierte

er ihre Tochter Messalina   als fünfte Gemahlin nahm. Ob sie

sichern, was ihr denn auch gelang.

Die einen bestach fie mit

Kaisers Nero  , bald gegen sie zu wirken begann. Sie suchte starb am Hochzeitstage. Domitia Lepida brachte es dahin, daß sich zunächst der Gunst der einflußreichsten Personen zu ver wohl hoffte, daß ihm der Tron einst zufallen würde? Das sei Geld, den andern, denen dies nicht genügte, gab sie fich felbſt war, wurde der wahnsinnige Despot Caligula   ermordet, eine die Minister gewonnen, trieb sie einen sehr einträglichen Handel dahingestellt. Im Jahre 41, als Messalina   erst 17 Jahre alt preis, wie die alten Schriftsteller erzählen. Nachdem fie einmal schwache republikanische Bewegung mißlang, und die Prätorianer, mit Ehrenstellen und Begünstigungen. Sie hatte den Vorzug, dabei billig zu sein, so daß die Römer sagten, man fönne jest 51jährigen Prinzen Claudius  , wiewohl er sich heftig sträubte, für einige Glasscherben römischer Bürger werden. Auch einige auf den Tron. So ward Messalina   mit 17 Jahren Kaiserin, Verschwörungen ließ sie entdecken, um die Güter der Gerichteten

die bewaffnete Leibwache des Kaisers, erhoben den damals

und dies berauschende Glück verlich ihr die Macht, auch ihre verwegensten Phantasien zu verwirklichen.

*) Ueber den Toilettenlurus und die Toilettenkünfte der Römer­innen siehe die Satiren des Juvenal  ( um 100 n. Chr.); deutsche   Ueber­sezung von Donner( Tübingen   1821).

*) Siehe Sueton  , Leben des Claudius  .

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**) Adolf Stahr   in seiner geistvollen Schrift Agrippina, die Mutter Neros," sucht den Claudius als einen gütigen Herrn" hinzu stellen. Nach den einstimmigen Schilderungen der antiken Schriftsteller war das nur Schwäche, was Stahr   als Güte bezeichnet.