Das Kostkind.( S. 277.) Die Geschichte ist einfach und nicht selten Wer die Welt kennt, dem wird sie nicht neu erscheinen. Jung Aennchen ist eine glänzende Erscheinung und darf es sein, denn sie trägt einen ziemlich berühmten Namen, und die Teaterzettel des Stadtteaters zu N. verkündigen einigemal, daß sie Primadonna an jenem Kunſtinſtitut iſt. Die Zeitungen sind ihres Lobes voll; die Herren- und Damenwelt er­hebt sie in den Himmel. Die ersteren überschütten sie mit Kränzen, Bouquets und ähnlichen Gaben, wenn sie auftritt; der Stadtpoet widmet ihr seine feurigsten Verse. Die Damen benennen jedesmal das Haupt­stück ihrer Frühjahrsgarderobe nach der beliebten Sängerin mit einem Wort Aennchen ist in der Mode. Sie verdient es vielleicht auch. Eine imposante Erscheinung mit schlanken, ebenmäßigen Formen und einer immer geschmackvollen Toilette, mag sie nun in dem ein­fachen weißen Kleidchen einer Agate, in den Prachtgewändern einer Prinzessin von Trapezunt oder in der glänzenden Rüstung einer Wal­fyre erscheinen. Und das ist's nicht allein; sie ist auch liebenswürdig. Ihren tausend schmachtenden Anbetern gegenüber bleibt sie ziemlich fühl; sie bevorzugt keinen sichtbar, aber sie hat für jeden ein freundliches und herzliches Wort. So kann ihr keiner böse sein, wenn auch keiner imstande ist, sich einer besonderen Gunstbezeugung zu rühmen. Gattinnen und Bräute haben nichts von ihr zu fürchten; darum ist sie auch bei ihnen so wohl gelitten.

Aennchen war weder prüde noch kokett, und man konnte ihr nichts nachsagen, was ihrem Rufe nachteilig gewesen. Nur vor etwa andert­halb Jahren hatte sie eine Liaison gehabt, das wußte man, aber das war vorbei.

Damals war ein junger Graf nach N. gekommen, der sich Studiens halber dort aufhielt, ein junger fecker Bonvivant, der jährlich über große Summen verfügte und bald der Löwe des Tages" in der sonst ziemlich spießbürgerlich angelegten Stadt wurde. Da die Verehrung Aennchens eine Modesache und der Graf ein fleißiger Teaterbesucher war, so drängte er sich bald in die erste Reihe von Aennchens Ver­ehrern. Er schickte ihr kostbare Geschenke und erwies ihr alle denkbaren Aufmerksamkeiten.

Die übrigen Verehrer sahen sich bald von dem Grafen in den Schatten gestellt. Obschon sich nun dieser auch keiner eigentlichen Be­vorzugung rühmen konnte, so sprachen doch die anderen in ihrem Aerger, als ob es so wäre. Wie hätten sie auch anders denken sollen! Nicht jeder konnte sich täglich nach dem neuesten Modejournal gekleidet zeigen, nicht jeder konnte jährlich über tausend Mark für Glacéhandschuhe ausgeben; nicht jeder konnte so kostbare Kränze auf die Bühne werfen. Der Spieß­bürger denkt einmal so. Aennchen hatte den drängenden Werbungen des Grafen anfänglich ebensowenig Gehör geschenkt, wie den Werbungen anderer. Wir meinen hier die Liebeswerbungen natürlich, nicht die Werbungen zur Heirat. Da man überall davon sprach, daß Aennchen den Grafen begünstige, so kam es auch bald zu ihren Ohren. Sie verwahrte sich dagegen, allein man lächelte überlegen. Der Graf richtete aus seiner Loge und auf der Promenade schmachtende und triumphirende Blicke auf sie; das konnte sie nicht ertragen. Sie wich ihm aus, wo sie konnte, auf der Promenade und in Gesellschaften. Aber da hatten ja die braven Spießbürger den Beweis für das, was man sich in die Ohren flüsterte. Sie wollte ihre Neigung vor dem Publikum verbergen! Jawohl! Sie mußte erfahren, daß, wo sie erschien, man seinen Namen mit dem ihren zusammen nannte. Ihre Zurückhaltung half gar nichts; bei dem Publikum stand fest, daß sie mit dem Grafen eine Liaison habe. Das wäre an und für sich nichts Schlimmes gewesen, allein sie ärgerte sich über die Klatscherei, die doch ganz unbegründet war. Und so ent­schloß sie sich, der Sache ein Ende zu machen. Sie wollte dem Grafen derb die Meinung sagen.

So schrieb sie ihm denn ein Billet, in dem sie ihn um eine Zu­sammenkunft bat. Sie wollte ihn abschrecken, indem sie ihn rauh und wegwerfend behandelte.

Die Zusammenkunft fand statt, allein das Resultat war ein ganz anderes. Kurzum, die Liaison wurde nach der Zusammenkunft zur Wirklichkeit. Die Spießbürger hatten noch viel mehr zu schwazen, als bisher. Aennchen fuhr nun mit dem Grafen aus und promenirte mit ihm; sie schienen ein Herz und eine Seele. Und in der Tat, Aennchen verliebte sich in den Grafen; bei ihm war ja selbstverständlich, daß er bis über die Ohren in die schöne und interessante Künstlerin ver­liebt war.

Das dauerte so einige Monate, und man hörte, Aennchen würde sich demnächst öffentlich mit dem Grafen verloben. Nun waren die Damen der Stadt aber doch voll Neid über diese gute Partie". Sie hatten's nicht nötig, denn plözlich erschien wie ein deus ex machina der Papa des Grafen auf dem Schauplaz, näselte etwas von Mes­alliance und nahm den Sohn mit auf das Schloß seiner Ahnen.

Der Standal war ein ungeheurer. Aennchen verschwand, nachdem sie Urlaub genommen, und kam erst nach etwa einem Jahre wieder zum Vorschein. Niemand wußte, wo sie gewesen.

Sie ist wieder der Liebling des Publikums, wie zuvor. Zuweilen ist sie einige Tage unsichtbar, was ihre Verehrer nicht wenig in Er­staunen sezt. Wenn sie es wüßten.

Zu solchen Zeiten fährt Schön Aennchen, von einem alten und treuen Bedienten begleitet, nach einem kleinen Dorf in eine entlegene Bauernhütte. Sie tritt ein, von den Insassen verwundert angesehen, schlägt den dichten Schleier zurück, sieht sich um und stürzt dann in eine Ecke, wo in einem schlechten Korbe, der als Wiege dienen soll, ein

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Säugling liegt. Sie preßt ihn zärtlich an die Brust, während der alte Bediente der Bäuerin eine Geldsumme einhändigt. Der Säugling ist der Sohn des jungen Grafen, zu dem der Vater sich zu bekennen nicht den Mut hat! Er hat nichts wieder von sich hören lassen.

Nach einigen an die Bäuerin gerichteten Ermahnungen, das Kind gut zu halten, verschwindet die glänzende Dame wieder aus der Hütte. Den Kindern der Bäuerin ist's wie ein Traum, und die Großmutter schimpft über die leichtsinnigen vornehmen Leute, die Bäuerin aber zählt schmunzelnd die gute Einnahme für das Kostkind.

Sie wird das arme Kind knapp genug halten.

Sind aber die Rücksichten Aennchens so stark, daß sie ihr Kind verheimlichen muß? Traut sie sich nicht, den Vorurteilen zu trozen? Glaubt sie so ihrem Kind nüzlicher sein zu können? Oder steht das Kind einer fünftigen guten Partie" im Wege? Wer mags wissen!

Beiträge zur Länder und Völkerkunde.

A. T.

Was bietet Queensland   dem Einwanderer? Die Kolonie Queensland  ( Australien  ) ist 1300 engl. Meilen lang und 800 engl. Meilen breit, enthält also eine Oberfläche von 420 000 000 Acker Die Bevölkerung beträgt nicht ganz 300000 Seelen. Die Hilfsquellen des Landes sind sehr bedeutend und man bedarf nur noch tüchtiger Arbeitskräfte und ges nügender Kapitalien, um dieselben auszunüzen. Das Klima ist an genehm, weder starke Winde noch übermäßige Kälte kommen in der Kolonie vor. Mit Ausnahme der beiden Regenmonate ist das Wetter trocken und gesünder als die meisten warmen Klimate. Todesfälle kommen uur 13 auf tausend Seelen. Für die Anlage einer Wollenfabrik hat die Regierung eine Prämie von 1000 Pi. St. geboten; die Wolle ist berühmt am Londoner   Markt. Sie erzielte durchschnittlich 2 s 6 d per Pfund; jezt sind etwa 10 Millionen Schafe in der Kolonie, deren Weiden jedoch 50 Millionen ernähren können. Eine Schwierigkeit, die Schafzucht auszubreiten, bildet der mühsame Transport aus dem Innern, da keine schiffbaren Flüsse vorhanden sind; allerd.ngs sucht man diesem Uebelstande durch Anlage von Eisenbahnen abzuhelfen. Auch mit der Arpflanzung von Wein hat man Proben gemacht und damit gute Resultate erzielt. Die Schäfer erhalten 1 Pf. St. in der Woche und die Kost. Eine wichtige, sich immer mehr ausbreitende Industrie ist die Zuckerkultur. Vor 18 Monaten waren 20 000 Acer   für dieſelbe bebaut, jezt sind es deren mehr als 200 000. Dadurch werden ver schiedene Techniker und Handwerker nötig. Schmiede verdienen 50-60 Pf. St. im Jahr und die Lebensmittel, Mechaniker 7 s bis 16 s per Tag ohne Nahrung. Verheiratete Personen werden am meisten gesucht, sie erhalten zwei Rationen, jede bestehend aus 10 Pfd. Mehl, 16 Bfd. Rind- oder Schaffleisch, 2 Pfd. Zuder, 4 Tee in der Woche. Preise der Nahrungsmittel sind nicht hoch. Rind- und Schaffleisch von guter Beschaffenheit werden zu 12 bis 3 d per Pfund verkauft. Mehl ist etwa ebenso teuer wie in England, Melonen und Bananen, Früchte verschiedener Art, Gemüse überhaupt kann man zu mäßigen Preisen sich selbst ein Haus aufschlagen. Die Goldgräberei wird eifrig betrieben; bekommen. Die Hausmiete ist teuer, doch jeder geschickte Mann fann Kupfer, Silber, Kohlen und Eisen sind auch in großer Menge vore handen. Da auch Ueberfluß an Holz besteht, hat man bis jezt Kohlen abgebaut, doch beabsichtigt man dies in Zukunft der Ausfuhr nach Indien   und China   wegen zu thun. Die Kolonie führt bis jezt all ihr Eisen ein, doch hat die Regierung eine Prämie von 1000 Pf. St. für die erste Tonne und eine solche von 10 000 Pf. St. für die ersten zehn Tonnen im Lande fabrizirten Eisens ausgesezt. Die Nachfrage Raum, mit Ausnahme von Männern, die nicht arbeiten und Frauen, die nicht heiraten wollen. Ackerbauer können freie Passage und 160

Acker Land à 2 s 6 d bekommen, die sie in

-

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Jahren zu bezahlen

haben. Nach fünf Jahren ist dieses freies Eigentum, ohne jede Abgabe. Es ist nur nötig, ein Haus zu bauen und es einzuzäunen. Wer mehr Land haben will, kann bis zu 5120 Acer   à 10 s( bezahlbar in 10 widmen wollen, tun am besten, etwa ein Jahr lang auf einer bestehenden Jahren à 1 s) bekommen. Einwanderer, welche sich dem Ackerbau Unternehmung zu arbeiten. Kinder von 5 bis 13 Jahren werden auf Kosten der Regierung unterrichtet; jedes Kind, welches am Ende dieses Zeitraumes ein Examen besteht, kann noch zwei Jahre lang eine höhere Schule besuchen. Nur auf Zucker, Reis und Kleidern besteht ein Ein­fuhrzoll. Leztere bezahlen 712, ersteres 25% vom Werte, Reis 1 d Reis leben, zu den Staatslasten heranzuziehen. Unter gewissen Be dingungen gibt die Regierung den Auswanderern Beihilfe. Schuh­macher und Schneider und alle Arten mechanischer Arbeiter werden, wenn unter 40 Jahre, für 4 Pf. St., wenn über 40 Jahre, für 6 Pf. St. 2 Pf. St. resp. 4 Pf. St. Beförderung. Die Nachfrage nach Frauen, befordert. Verheiratete erhalten den Vorzug; die Frau erhält für welche sich verheiraten wollen, ist sehr groß. Nach dem lezten Zenfus

per Pfund, lezteres hauptsächlich, um die Chinesen, die beinahe

nur von

war das Verhältnis der Männer zu den Frauen wie 5: 3. ( Ausland 1884, 2.)

Ein neuer mohamedanischer Staat hat sich in Zentralafien, auf der Straße von Indien   nach dem russischen Turkestan  , gebildet, der nun dazu berufen scheint, bei einem Kampfe zwischen England und Rußland   über die Herrschaft in Asien   eine bedeutende Rolle zu spielen.