Dort unten, wo die Welle leiser schoß, Sah ich den goldnen Zauberschlüssel liegen, Der uns ein neues Wunderreich erschloß Von Meeresherrschaft, Glanz und Siegen.

Ich warb um ihn, wie um den Ring der Braut, Ich warb auf Leben und auf Sterben

hätte mir das blöde Volk getraut, Den Sieg erzwingen mußte solches Werben, Den Sieg der Kampf, der sieben Jahre durch Im Rat, zur See, im Schlachtfeld grollte, Der Riesenkampf, der unsrer Hansa Burg Bis zu den Sternen türmen sollte.

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Sie faßten's nicht es war für sie zu groß- Sie zitterten die Käufer und Verkäufer;

Da führten meine Feinde schlau den Stoß,

Verräter hieß ich, Wiedertäufer.

Sie rissen von den Stufen mich herab,

Sie saßen trozig zu Gerichte,

Sie brachen über mir den weißen Stab, Und mehr! Sie schrieben die Geschichte.

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Die ruhmreichen Zeiten der Hansa sind vorüber, nur der Name ist noch geblieben.- Bu anfang dieses Jahrhunderts hatte Lübeck   noch schwere Prüfungstage zu bestehen, da Vater Blücher  " auf der großen Retirade nach der Schlacht bei Jena die Stadt als Stüzpunkt ansah, um noch einmal das tückische Soldatenglück zu wagen. Er wurde, wie vorauszusehen, ge­schlagen und mit den Trümmern seines Heeres in der Nähe Lübecks   bei dem Dorfe Ratekau zur Kapitulation gezwungen. Durch diesen Soldatenstreich hatte Lübeck   nicht allein eine Schlacht um und in seinen Mauern auszuhalten, es mußte sich auch noch eine dreitägige Plünderung und die schließliche Annexion an Frankreich   gefallen lassen.

Mit der Abschüttlung der Fremdherrschaft kam endlich Ruhe über die geplagte Stadt, aber die Ruhe des Kirchhofs. Handel und Verkehr lagen arg darnieder und das Gras wuchs buch­stäblich in den Straßen. Die alte Feindschaft Dänemarks   und der kleinliche Partikularismus der deutschen   Nachbarstaaten engten

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die Handels- und Gewerbstätigkeit Lübecks   derart ein, daß es völlig von Deutschland   abgeschnitten war. Erst in der neuesten Zeit gelang es, die so notwendigen Eisenbahnverbindungen mit Hamburg  , Holstein und Mecklenburg   herzustellen, die Schiffahrt zu beleben und überhaupt den Verkehr zu heben, daß Lübeck  in der Reihe der deutschen   Seestädte an der Ostsee   wieder eine hervorragende Stellung einnimmt.-

Marktplaz zu Lübeck  " Backsteinen erbaut, soll Die Verzierungen aus

Unsere Illustrationen zeigen den und das Holstentor  ". Lezteres, aus aus dem 14. Jahrhundert stammen. farbigen glafirten Ziegeln verleihen dem Ganzen ein gutes Aus sehen. Jedenfalls ist die Erhaltung dieses prächtigen Bau­denkmals aus dem Mittelalter dem Lübecker   Gemeinsinn hoch anzurechnen, und zwar umsomehr, als der niedrige Geschäfts­finn unserer Zeit gern alles, was im Wege steht", hinweg­räumen möchte.

Der Marktplaz mit dem Rathause( rechts) und der im Hintergrunde mächtig emporstrebenden Marienkirche bietet dem Beschauer ein Architekturbild von so großartiger Wirkung, wie es wohl kaum eine zweite Stadt in Deutschland   aufzuweisen hat. Der unter dem Rathause sich befindende Ratsweinkeller ist leider nicht von der Spekulationswut verschont geblieben. Man hat die alten stattlichen Räume, die Jahrhunderte gesehen, vollständig modern herausgepuzt, so daß dem Besucher allerlei Bedenken aufsteigen, ob nicht vielleicht auch der früher dort gebotene gute Tropfen von der modernen Kunst ergriffen worden sei. Hoffen wir im Interessen aller wackern Zecher, daß dem nicht so iſt.

Leider verbietet uns der Raum, weiteres über die große Zahl der vorhandenen alten Bauten und Merkwürdigkeiten zu berichten, die Stizze sollte vorwiegend eine historische sein. Wenn unsere geneigten Leserinnen und Leser manches vermissen und manches des Erzählten für überflüssig halten, so mögen sie sich mit dem Spruch an dem altehrwürdigen Schifferhause zu Lübeck  trösten: Allen zu gefallen ist unmöglich!"

H. D.  

Des Kaisers Schwägerin. Historische Skizze von Wilhelm Blos  .

Als Napoleon  , der einstige Artillerielieutenant, sich zum Kaiser der Franzosen emporgeschwungen hatte, war die erste Sorge des ehrgeizigen Korsen, eine große und dauerhafte Dynastie der Napoleoniden, resp. der Familie Bonaparte  , herzustellen. Murat, der Gatte seiner Schwester Karoline, ward zum König von Neapel, sein Bruder Ludwig Bonaparte zum König der Niederlande  , sein Bruder Joseph zum König von Spanien, sein Bruder Hieronymus zum König von Westphalen gemacht. Nur Napoleons   Bruder Lucian, nach ihm der bedeutendste Kopf in der Familie, der ihm bei seinem Staatsstreiche am 9. November 1799 so wesentliche Dienste geleistet hatte, trug nie eine Krone. Es gab deshalb Leute, die Lucian Bonaparte für einen uner­schütterlichen Republikaner, einen überzeugten Gegner der monar chischen Regierungsform hielten. Nichts ist weniger begründet. Den Aufschluß, warum Lucian keine Krone getragen, findet man vielmehr, wenn man sich an das berühmte Wort hält: ,, Cherchez la femme!"*) Das Verhältnis Lucians zu seiner Frau ist das

Rätsel. Dieses merkwürdige Weib, die Gattin eines Wechsel­agenten, hatte gegen den Willen Napoleons   in dessen Familie hineingeheiratet. Alle Anstrengungen des mächtigen Kaisers,

sie wieder hinauszudrängen, blieben erfolglos; der Sieger von

Marengo, Austerlig und Jena   konnte dieses Weibes nicht Herr werden, das sich mit dem Aufgebot aller weiblichen Schlauheit und Zähigkeit gegen den gewaltigsten Mann seiner Zeit zu ver­teidigen wußte.

Napoleoniden, der dies allzusehr verherrlichte Geschlecht einmal in einem anderen als dem gewöhnlichen Licht erscheinen läßt.

Lucian Bonaparte war ein jüngerer Bruder des Kaisers Napoleon I.  ; er war zu Ajaccio   1775 geboren. In den ersten Zeiten der großen Revolution, auf deren Schultern seine Fa milie so hoch emporsteigen sollte, war er nach der Mode des Tages wütender Jakobiner und Anhänger Robespierres, nach dessen Sturze er gleich seinem Bruder Napoleon   stellenlos wurde und in bittere Not geriet. Lucian war in einer fleinen Stadt bei Toulon   als Magazinausscher angestellt gewesen. Dort hatte er sich in die Tochter eines Gastwirts Namens Boyer verliebt und machte ihr eifrig den Hof, wodurch sie ins Gerede kam. Rede über die Freiheit und Gleichheit gehalten hatte, trat Boyer Als nun eines Tages Lucian nach der Art jener Zeit eine große zu ihm und sagte: Du hast ganz gut über Freiheit und Gleich­heit gesprochen, aber wenn wir gleich sind, warum heiratest du meine Tochter nicht? So schadet das Verhältnis nur ihrem guten Ruf. Wenn du alſo ein ehrlicher Kerl sein willſt, darfſt du die Heirat nicht länger verschieben." Versprechen ganzen Versammlung so angeredet, war bestürzt, allein er vers

gleich darauf.

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Lucian, vor einer

Seine junge Frau, Christine Boyer  , war ein Wesen von sanftem und anspruchslosem Karakter, aber glücklich war das Die Geschichte des Kampfes Napoleons   mit seiner Schwägerin Manne   in Not, dann famen die blutigen Verfolgungen gegen Loos nicht, das sie gezogen hatte. Zunächst geriet sie mit ihrem

gewährt uns zugleich einen Einblick in das Familienleben der

*) Man sehe nach der Frau.

die Jakobiner im Süden Frankreichs  , denen Lucian nur mit großer Lebensgefahr entging. Er flüchtete nach Paris  , wo in zwischen der Glücksstern seines Bruders Napoleon   aufgegangen