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oder die Köchin daran. Auch das Essen hat seine Poesie und ich begreife nicht, warum wir so viele Trinklieder, aber so wenig Eßlieder haben. Ein Spanferkel wie das, welches auf unserem Bilde mit Musik und gefolgt von einer stattlichen Platte mit Knödeln einherzieht, ist gewiß fein unwürdiger Gegenstand für die Leier, und ich bin sicher, daß gar mancher moderne Poet, der Nachtigal und Lerche ansingt, viel bessere Verse machen würde, wenn er einem Spanferkel oder einer dampfenden Schüssel mit Knödeln seine poetische Huldigung darbrächte. Hat doch sogar Uhland nicht verschmäht, ein Mezelsuppenlied zu dichten. Welche Perspektive eröffnet diese Jdee für unsere Zukunftspoesie, welch ein neues weites Feld ist damit unserer vom Pegasus auf den Hund gekommenen Lyrik aufgetan, welch einen neuen Aufschwung könnte diese nehmen. Sind doch Realismus und Naturalismus die Schlagwörter der modernen Kunst geworden; werfen doch unsere Maler so viele Stillleben auf die Leinwand, welche die physiologische Funktion der Rekrea= tion, in guter Prosa das Essen, in allen Nuancen variiren, warum will die Poesie diesen höchst dankbaren und ausgiebigen Stoff verschmähen? Und welche neue Kauflust wird im Publikum erwachen, wenn auf dem Weihnachtsbüchertisch zierliche Büchlein in Goldschnitt und Prachtband prangen mit den Titeln: Bratenlieder, Puddinggedichte, Tortensinnsprüche, in welchen die Prosa des Kochbuchs in edle Poesie umgesezt ist. Die Verleger werden brillante Geschäfte machen, denn jeder Philister wird seine Lieblingsgerichte, jede Hausfrau die Produkte ihrer kulinarischen Kunst mit einer pikanten lyrischen Sauce verspeisen resp. auftragen wollen. Der Aestetiker Deser erzählt von einem Mädchen, das für einen jungen Mann schwärmte und ihn als Ideal verehrte, bis sie ihn essen gesehen, welcher Anblick ihre Illusionen grausam zerstörte. Diese Zeiten hyperidealistischer Ueberspanntheit haben wir glücklich hinter uns; unsere jungen Damen begeistern sich viel eher für einen Dandy, der im ersten Restaurant opulent speist, als für den färglich lebenden Jüngling, der in der Welt der Ideale heimisch ist, die höchsten Güter der Menschheit, Wissenschaft, Kunst, Kulturfortschritt ins Herz geschlossen hat und sich ernst und tatkräftig daran beteiligt. Wenn wir unser Bild als ein föstliches Genrestück bezeichnen, so geschieht dies ohne Jronie. Es ist dem Zyklus von Federzeichnungen entnommen, in welchen Hugo Kauf mann , der treffliche Schilderer des Volkslebens," A Hochzeit in die Berg" mit meisterhaftem Pinsel dargestellt hat, und aus dem die„ N. W. " schon in Heft 15 d. J. ein Bild reproduzirte. Karl Stieler hat auch dieses Bild mit hübschen Versen in oberbaierischer Mundart kommentirt. Sie lauten:
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Und nothi' is's nit lusti' Und dursti' is's nit schön, Denn der Bauer muß leben,
Und der Wirt, der muß b'steh'n.
Musikanten voraus!
Die ganz' Kuchel hint nach! Mein Spansau, die sagt na Scho' selber ihr Sach.
I sieh( g)' s ja, wie's futtern, I hör's ja, wie's scharren Wer beim Jagerwirt heirat' Braucht's Futter nit sparen! Man sagt:„ Der Mensch denkt's Und der Herrgott, der lenkt's" Und wen's heunt nit derreißt Und den sellen, den z'sprengt's!
St.
Aus dem Bereiche der Antropologie und Gesundheitspflege.
Die Ursache der Gesundheitsschädlichkeit der Luft in geschlossenen Räumen glaubte man bis vor ganz kurzem in dem allmälichen Schwinden des Sauerstoffs und der Vermehrung der Kohlensäure durch den Atmungsprozeß bei Menschen und Tieren gefunden zu haben. Untersuchungen neuester Zeit haben das als höchst wahrscheinlich irrig erwiesen, da genaue chemische Analysen in der verdorbenen Luft fast ebensoviel Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure nachgewiesen haben, wie in der nicht verdorbenen. Zudem ist festgestellt, daß eine so geringe Sauerstoffverminderung und Kohlensäurevermehrung, wie sie 3. B. die Atmosphäre einer überfüllten Schulklasse aufzuweisen hat, auf die menschliche Gesundheit ohne Einfluß ist. Da nun unzweifelhaft ist, daß uns in überfüllten und wenig ventilirten Räumen ein, hoher Steigerung fähiges, Gefühl des Unbehagens befällt, so hat man die Ursache dieser Tatsache in andern organischen Stoffen gesucht, welche mittels der Ausatmung und Ausdünstung in die Atmosphäre übergehen müßten. Das Resultat einer diesbezüglichen Untersuchung unter Leitung Forsters zu Amsterdam , über welche Hermans in dem Bettenkofer'schen Archiv für Hygiene" berichtet, geht nun dahin, daß ein normaler und gesunder Mensch, welcher durch zweckmäßige Ernährung Gährungsvorgänge im Darm verhindert und aufs peinlichste für Reinlichkeit des Körpers und der Kleidung sorgt, an die Atmosphäre keine nennenswerten Mengen von flüchtigen verbrennlichen ( organischen) Stoffen ausscheidet. Dennoch ist die Ventilation mit Menschen angefüllter Räume durchaus notwendig. Die Atmung von Mensch und Tier schwängert die Luft mit Wasserdampf, der sich auf Boden, Wände, Möbel und Kleidungsstücke niederschlägt und die überall
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vorrätigen Spuren schädlicher Mikroorganismen Bakterien zu Leben und Fortpflanzung weckt, dann verschlechtert jede Beleuchtung, wie von Del, Petroleum, Gas, durch ihre Verbrennungsprodukte die Luft am wenigsten das elektrische Licht- endlich erzeugen schlechte Boden- und Zwischendeckenanfüllung sowohl, wie mangelhaft eingerichtete Aborte gesundheitsschädliche Stoffe, die sie leicht zu Herden endemischer ( einheimischer) und epidemischer Krankheiten machen.
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Mitteilungen aus dem Gebiete der Industrie, Technik und Landwirtschaft.
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Die Fabrikation des japanesischen Papiers. Die japanesischen und chinesischen Papiere sind bekanntlich wegen ihrer Vorzüglichkeit berühmt, es werden daher auch gegenwärtig alle wertvollen Kupferstiche fast ohne Ausnahme nur auf solchen Papieren reproduzirt. Das ,, Schweiz . Gewerbebl." brachte vor einiger Zeit einen Artikel, der sich eingehend mit der Fabrikation dieser Papiere beschäftigte und dem wir folgende Mitteilungen entnehmen: Die Arten des Papiers sind ebenso zahlreich wie bemerkenswert, so fein sie sind, befizen sie große Dauerhaftigkeit und Festigkeit. Speziell japanesisches Papier hat vermöge seines zusammengepreßten Korns die Eigenschaft, die Schönheit der Typen so hervortreten zu lassen, als wären sie in Kupfer gestochen. Das allergewöhnlichste, aber auch das allerwiderstandsfähigste, wird aus der 11, Meter hohen Staude, mit sammt der Rinde, Mitsouma, fabrizirt. Diese Pflanze wächst auf dem denkbar schlechtesten Boden und total wild, besonders häufig wird sie in den vulkanischen Terrains von Japan gefunden. Sie blüht im Winter, wenn sie bereits schon ihres Blätterschmuckes beraubt ist. Hat die Staude ihre normale Entwickelung erreicht, so wird sie dicht am Boden abgeschnitten, das folgende Jahr bringt wieder neue Schößlinge und so wächst die Pflanze zum förmlichen Busch. Von der Kozou- Staude( Broussonctia papyzifera), zur Familie des Maulbeerbaums gehörig, wird das Papier der besten Qualität bereitet. Ihre eigentliche Heimat ist China , doch ist sie schon längst in Japan eingeführt und ist ein Gegenstand, der mit am sorgfältigsten daselbst kultivirt wird. Die Staude wird, gewöhnlich 60-70 Centimeter cine von der andern entfernt, gleich einer Bordüre rings um die Aecker gepflanzt. Bei guter Pflege und normaler Entwidlung bildet die Pflanze ein sehr produktives Erwerbsgebiet, schon in den ersten paar Jahren hat die Staude ihre volle Höhe( etwa 21/2 Meter) erreicht und zum Abschneiden ist sie im vierten Jahre reif. Wie bei der Mitsouma, so bleibt auch bei der Kozou Staude die Rinde an den Zweigen. Leztere werden zur Vorbereitung für die Papierfabrikation etwa 14 Tage im Wasser eingeweicht, wobei sich dann die äußere Rinde ablöst, die innere, der eigentliche Bast, bleibt dagegen am Stengel hängen. Diese innere Rinde wird alsdann mit Riemen abgezogen, geschabt, gewaschen, getrocknet und aufgespeichert, falls sie nicht sofort verarbeitet werden soll. Diesen noch feuchten oder getrockneten Faserstoff bringt man dann in ein 3-4stündiges Dampfbad, um denselben durch und durch zu erweichen, alsdann wird die Masse mit scharffantigen Stöcken so lange geschlagen, bis eine vollständige Zermalmung zu Brei erfolgt, den man dann in Bottichen mittels Wasser tüchtig durchfnetet. Man hat also dann ein ganz ähnliches Präparat, wie bei uns die zersezte Lumpenmasse, auch eine Reihe von nachher folgenden Manipulationen ist die gleiche wie bei uns, oder sagen wir richtiger, unsere Hantirungen sind jenen japanesischen gleich, da sie ja von dort erlernt sind. Das Kozou- Papier hat eine um so größere Widerstandsfähigkeit, als der Arbeiter es versteht, die Fasern der Masse beim Herausziehen gleichmäßig auszubreiten. Daraus geht somit hervor, daß außer dem Material an sich die Japanesen es zunächst der Geschicklichkeit ihrer Arbeiter zu verdanken haben, daß ibre Papiere zu allen Arten von Gebrauchszwecken verwendet werden können, was be kanntlich in Europa bis dato noch nicht gelang. Nur um ein Beispiel anzuführen, dienen den Japanesen und Chinesen Papierbogen als Taschentücher, neben Regenschirmbezügen werden auch Wagenverdecke, Regenmäntel u. s. f. aus Papier fabrizirt.
Schon im Anfang des 17. Jahrhunderts verstanden es die Japanesen, Papier zu machen; auch ist die Fabrikation bis auf den heutigen Tag in gewisser Hinsicht weiter als in Europa , troz unserer eminent vervollkommneten Maschinen und Hilfsmittel. Es werden von den Japanesen Papiere angefertigt, die für die europäische Fabrikation durchaus unnachahmlich genannt werden dürfen. Will man dort einen Bogen Papier noch stärker haben, so taucht der Arbeiter die Form zum zweiten, dritten, ja sogar viertenmal immer in entgegengesezter Richtung in die Masse oder überschöpft leztere in jedesmaliger anderer Richtung. Durch die so erzielte Kreuzung der Fasern erhält das Papier jene ge rühmte Festigkeit und Widerstandsfähigkeit. Dadurch erhalten die Japanesen die schweren, schönen Papiere, welche für besondere Zwede dann noch mit Abouragni- Del getränkt werden, um noch undurchdring lich zu werden. Mit dem Material der Kozou- Staude werden auch durch ein besonderes, in Europa noch nicht bekanntes Verfahren die prachtvollen Lederpapiere mit und ohne Relief dargestellt, die vielfach zu den kostbaren Tapeten verwendet werden und fast unverwüstlich sind. Aus dem Gampi( Lichnis grandiflora) fabriziren die Japanesen ein sogenanntes Hautpapier( Pause), welches neben großer Zähigkeit, Durchsichtigkeit, die Eigenschaft hat, vorzüglich fein, zart und geschmeidig zu sein. Eine besondere Qualität dieses Papiers kann man zusammen