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Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

Erscheint alle 14 Tage in Heften à 25 Pfennig und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter zu beziehen.

Die Alten und die Neuen.

Roman von M. Kautsky.

Die abgestürzten Gesteinsmassen lagen gehäuft am Fuße des Plattenberges, eine Art Terrasse bildend. Nur einzelne Trümmerhaufen waren weithin ins Tal geflogen und hatten hier im Verein mit dem Wind und Luftdruck, den der Fall erzeugt und der seiner Wirkung voranging, die Schiefermagazine zerstört und eine Anzahl der zunächst stehenden Häuschen erfaßt und

demolirt.

In Trümmern standen sie da, gänzlich verschoben und zer schlagen, die Wände zusammengebrochen, die Dächer herab geriffen und weithin geschleudert; einzelne Balken und Sparren ragten in die Luft hinaus.

Hier gab es Verschüttete, Verwundete und Tote. Hier hatten sich die helfenden Männer, darunter viele von Amſee, zusammengefunden, um die Begrabenen zu befreien, die Ver­wundeten hinwegzutragen, die Toten zu bergen.

Man arbeitete mit Schaufeln und Beilen, die meisten nur mit den Händen. Von allen Seiten glaubte man ein Stöhnen und Jammern zu hören oder doch ein Wimmern. Es war vielleicht nur das Weinen des eigenen Herzens.

Der alte Frieder und sein blödes Kind, der kleine August, waren tot. Beide hatten in ihrer förperlichen und geistigen Hinfälligkeit die Katastrophe über sich ergehen lassen, ohne eine

1884.

24. Fortsezung.

einigen Männern Befehle, die nun mit Spaten und Haue weitergraben. Er selbst, über und über mit Schutt und Holz­spähnen bedeckt, beginnt mit einem kurzen Werkzeug, mehr mit den Händen arbeitend, eine hölzerne Wand auseinanderzureißen, um das Darunterbefindliche hervorzuholen.

Elsa sind diese Details entzogen, sie ist wohl einige hundert Schritte von ihm entfernt, aber ihr scharfes Auge erkennt ihn deutlich. Sie bleibt stehen und im Gefühl ihrer Angstbefreiung faltet sie die Hände. Welches Glück, welche Beruhigung war

es doch, ihn nur zu sehen, sich in seiner Nähe zu fühlen. Ihre Augen wachen über ihn, ihr ist, als müßten sie ihn beschüzen und beschirmen können.

Jezt bemerkt sie auch Cölestin , der, unweit von ihrem Gatten, zwischen den Trümmern steht und mit einem Beile arbeitet.

Er wendet sich gegen Arnold um und ruft ihm zu, dieser springt über das Gerölle, um, wie es scheint, ihm beizustehen. Beide arbeiten nun an dieser Stelle gemeinsam weiter, Seite an Seite, unermüdlich, einträchtig, sich gegenseitig unter­ſtüzend.

Elsa traten Tränen in die Augen.

Der Mann, den sie für unversöhnlich gehalten, dem sie so

oft wehe getan, und der an dem von ihr Begünstigten blutige

Bewegung zu ihrer Rettung zu machen. Das hinfällige Haus Rache nehmen wollte, er hatte jezt alles vergessen. war über ihnen zusammengebrochen. Soeben hatte man sie als Leiden

Der gemeinsame Schmerz um die Leiden anderer, die ge­

meinſame Gefahr, der sie sich ausgesezt, in dem unausrottbaren in der Nähe des Waldbaches halb umgestürzt lag, ein junges Gefühl tiefer Menschlichkeit hatte sie in einem Augenblick zu Weib, eine Wöchnerin. Sie war fast unbeschädigt unter den Trümmern hervorgezogen worden, aber sie wollte sich nicht fort­

Brüdern gemacht.

Sie segnet das Menschenherz, dessen inneres Wesen selbst die

bringen lassen, sie schrie nach ihrem Kinde, das in seiner Wiege Güte ist und das in seiner Größe zum Jdeal des Höchsten wird. neben ihr gelegen. Diese war bereits zutage gefördert, aber

Jezt wirft Cölestin das Beil von sich; die beiden bücken

das Kind, das aus derselben herausgeschleudert worden, befand sich noch tiefer, sie knien nieder, ihre dunkel gelockten Häupter

sich noch unter den Trümmern.

Elja beachtete kaum diese Vorgänge, ihre Augen irrten

berühren sich, indes ihre Hände. wühlend etwas heraufarbeiten. Sie haben es, sie halten es, sie begrüßen es mit einem lauten

umher, sie suchten unter dieser Anzahl von Männern, die in Jubelruf, und Cölestin hebt es empor. Gruppen hier Hilfe schafften und mit Anspannung aller Kräfte dem Rettungswerk oblagen, den Einen, nur den Einen.

Jezt erblickt sie ihn. Er steht aufrecht auf den Trümmern des Hauses, so über seine Umgebung emporragend. Er gibt

Es ist das Kind, das Neugeborne, es lebt, es schreit. Die beiden Männer drücken es voll Entzücken abwechselnd an ihre Brust und küssen es, dann rufen sie die andern herbei, um ihnen das Gerettete zu zeigen.

Rr. 25, 1884.