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Der schlimmste Grad der Kindercholera weist anfangs dünne, gelbliche, später farblose, oft Blutspuren zeigende moffenartige Stuhlentleerungen auf, 15-20, zuweilen auch 30-40 am Tage. Die kleinen Patienten erbrechen dabei alles, was sie genießen; sie sind höchst unruhig und verraten durch Geschrei und dadurch, daß sie die Beinchen krümmen und hochziehen und die Fersen bis zum Wundwerden aneinander wezen, heftige Unterleibsschmerzen. Die Haut wird allmälich kühl und bläulich, der Atem gleichfalls kühl, die Bindehaut der nur halb geöffneten Augen rötet und trübt sich, die Fontanellen, d. H. die vier weichen, durch das Zusammentreffen mehrerer Schädelknochen gebildeten, Stellen des Schädeldaches, fallen ein, die Bauchdecken fühlen sich schlaff an und sinken desgleichen ein; die Kinder verschmähen nunmehr die Mutterbruſt und sonstige Nahrung, vermögen nicht mehr ordentlich zu schlingen, verfallen in Krämpfe und werden schlafsüchtig, bis der Tod unter totalem Kräfteverfall( Collapsus) eintritt.
Die Cholera der Kinder verläuft nicht so rasch wie die der Erwachsenen. Meist währt sie 3-6 Tage, mitunter auch länger, selbst 2-3 Wochen.
Der Tod kann auch durch andere Krankheiten, welche die Kindercholera gern begleiten, wie Lungenentzündung, verursacht
werden.
Zuweilen läuft die Krankheit auch in chronische Diarrhöe oder einen allgemeinen Schwund der Kräfte und Säfte- Atrophic aus.
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Der Eintritt der Genesung kennzeichnet sich durch lang= sames Nachlassen der Entleerungen durch After und Mund, zunächst meist des Erbrechens, begleitet durch ein merkliches Kräftigerwerden des Pulses und eine Erhöhung der unter das Normale gesunkenen Körpertemperatur. Oft leitet ein mehr stündiger ruhiger Schlaf die Genesung in bester Weise ein.
Die Kindercholera ist, je jünger die Kinder sind, desto mör derischer. Doch sind die erkrankten Kleinen auch in den schlimm ſten Stadien der Erkrankung noch nicht als verloren zu be= trachten, denn selbst als unrettbar von vorsichtigen und kundigen Aerzten aufgegebene sind zur völligen Genesung gelangt.
Ueber die Behandlung der Kindercholera schreibt Professor Ehrenhaus*), man habe da, wo eine bestimmte Krankheitsursache nachweisbar, dieselbe zu beseitigen oder wenigstens unschädlich zu machen, indem man, wenn der Brechdurchfall durch eine Indigestion hervorgerufen und ganz frischen Datums ist, troz des Durchfalls mit Hydrargyrum chloratum mite in Dosen von 0,015-0,03 Gr. zweistündlich mit gutem Erfolge geben könne. In anderen Fällen leistet das Acidum hydrochloricum( 1,0 auf Aq. destillata 60,0 Mucil. Gummi arab. und Syrup. simpl. aa. 30,0 ohne oder mit einem Zusaze von Tinct. Opii simpl. seu crocat. gtt. III- V, zweiſtündlich einen Kinderlöffel) nach den Erfahrungen von Henoch u. a. gute Dienste. Wenn diese Medikationen nicht sogleich das Erbrechen zum Stillstand bringen und die Ausleerungen quantitativ und qualitativ bessern können, möge man zum Argentum nitricum( 0,05 auf Aq. destill. 60,0 Mucil. Gummi arab. 30,0 mit einigen Tropfen Tinct. thebaic. 2-3stündlich 1 Kinderlöffel) oder zum Bismuthum subnitricum( 0,05-0,2 stündlich) übergehen.
" In einigen Epidemien, in welchen uns diese Mittel im Stich gelassen hatten, haben wir noch eine günstige Wendung der Krankheit nach Darreichung von Solut. Acidi carbolici ( 0,5-1 auf 10,0 Aq. destill.) 5-10 Tropfen 2-3stündlich beobachten können. Ebenso haben wir auch in einzelnen Fällen,
* In der Realencyklopädie der gesammten Heilfunde, Bd. II, Artikel Brech durchfall.
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wo das Erbrechen durchaus nicht aufhören wollte, das Chloralhydrat( 1,0 auf Aq. destill. 86,0 Mucil. Gummi arab. und Syrup. simpl. aa 20,0 2-3stündlich 1 Kinderlöffel) mit gutem Erfolge anvenden sehen. Erfolge anwenden sehen. Zuweilen leisten auch Klysmata von Stärke mit oder ohne Argent. nitr. oder auch Chloralhydrat gute Dienste, wenn kein Tenesmus vorhanden ist*)".
In der Kindercholera sowohl, als in der einheimischen Cholera der Erwachsenen hatten wir es mit Krankheiten zu tun, deren wesentlichste Erscheinungen die eines Magendarmkatarrhs sind, d. h. einer Entzündung der Magen- und Darmschleimhaut, welche deswegen gefährlich ist und verderblich werden kann, weil sie gleich der asiatischen Cholera, nnr nicht in so hohem Maße, einerseits dem Blute eine Menge nahrhafter Bestandteile entzieht, andererseits den Verdauungsapparat verhindert, die notwendige Menge von Nahrungsstoffen in das Blut aufzu= nehmen.
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In den Erscheinungen, die sie veranlassen, und in ihren Wirkungen ähneln dieser Gruppe der nächsten Choleraverwandten noch eine Reihe anderer Krankheiten, welche ihren Siz im Darm allein haben, nämlich die einfachen fatarrhalischen Entzündungen der Darmschleimhaut, der Darmkatarrh, und die krupösen oder diphteritischen Entzündungen derselben, welche als Ruhr bezeichnet werden; alsdann die übrigen Schleimhaut- Entzündungen der verschiedenen Darmpartien, so die Entzündung des Blinddarms und des Wurmfortsazes, die Entzündungen beim Unterleibtyphus u. s. w.
Diese Gruppe der entfernteren Choleraverwandten werden wir, sobald es uns unsere Zeit und der Raum der„ N. W." gestatten, in einem besonderen Artikel behandeln.
Für heute sei nur noch, um Mißverständnisse zu vermeiden, hinzugefügt, daß wir beileibe nicht beabsichtigen, unsere Leser zu verführen, von ärztlicher Hülfe in irgend welchem erheblichen Krankheitsfalle Abstand zu nehmen und sich oder ihre Angehörigen selbst zu kuriren."
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Nicht diesen Zweck haben unsere Belehrungen, Gegenteil: wir wollen, indem wir nach dem Stand der Wissenschaft unserer Tage den Lesern das Wesen gewisser allgemeingefährlicher Krankheitsformen enthüllen und die Mittel angeben, mit denen dieselben von der Wissenschaft bekämpft werden, -unsere Leser befähigen, nach Möglichkeit den betreffenden Krankheiten vorzubeugen, beziehentlich aus dem Wege zu gehen oder sie bereits in ihren anscheinend harmlosen Anfangsstadien zu erkennen. Wir wollen ferner soweit es in unseren Kräften steht- aus dem Laien, der heutzutage noch in den meisten Fällen ein verständnisloser, mißtrauischer, oft hinderlicher Zuschauer auch des fenntnisreichsten und aufopferungsvollsten Arztes ist, einen, so viel es angeht, verständnisvollen Gehülfen und Förderer des Arztes machen. Wir wollen endlich auch dadurch, daß wir unseren Lesern physiologische, hygienische und medizinische Kenntnisse zuführen, welche dem Heere der Geheimmittelanpreiser, Kurpfuscher und Heilweiber fast immer abgehen, die Nichtigkeit des Wirkens dieser unverständigen oder gewissenlosen Menschen enthüllen und ihrem gefährlichen Treiben einen Damm sezen helfen.
*) Wir übersezen hier die in den vorstehenden beiden Abfäzen vorkommenden wissenschaftlichen Fremdbezeichnungen alle zusammen: Indigestion Unverdaulichkeit, Hydrargyrum chloratum mite Calome! ( Quecksilberchlorür), Acidum hydrochloricum Salzsäure, Aqua destillata destillirtes Wasser, Mucilago Gummi arabici arabischer Gummischleim, Syrupus simplex einfacher Syrup, Tinctura opii simplex einfache Opiumtinftur, seu crocata oder( Opiumtinktur) mit Safran, argentum nitricum salpetersaures Silber, Bismuthum subnitricum falpetersaures Wismut, Solutio acidi carbolici arbolsäurelösung, Klysmata Klystiere, Tenesmus Stuhlzwang.