Gräfin Helene Falkenau, die in diesen Tagen mit ihrem Cousin Hugo sich ehelich verbunden, stellte sich mit Gräfin Dönhof an die Spize der Sammlungen, die ein erhebliches Resultat ergaben.
Und so erhob sich schon ein Jahr später an diesem armen verwüsteten Ort ein stolzer, hochaufragender Bau, eine Sühnfapelle.
Dort wanden sich die Menschen im Gefühle ihrer Ohnmacht, ihres Unrechts und ihrer Sünde-. Jenseits des Ozeans aber in einem am Ohio reizend gelegenen Städtchen finden wir das Weib, das von dieser jähen Katastrophe am grausamsten getroffen worden war, einem jungen und neuen Leben zugewendet, von neuen Hoffnungen und seligem Lieben erfüllt, als Mutter. Elsa war mit dem Ehepaar Hofer hierher gefommen.
Die innigste Freundschaft verbindet sie mit Valentin und und Eva, mit diesen guten Menschen, die in ihrem Unglück ihr so treu zur Seite gestanden und sie so zärtlich gepflegt hatten.
Sie hatten beschlossen sich nicht mehr zu trennen. Gemeinsam bewohnen sie das kleine Haus, in dem auch Valentins Werkstatt für Kunsttischlerei sich befindet.
Elsa fizt an einem Julitag auf einer Art Veranda, die, üppig umwachsen, nach dem großen noch wenig kultivirten Garten hinausgeht.
Sie ist ganz in Weiß gekleidet; ihr Gesicht ist schmaler und blasser, aber die schönen dunklen Augen darin haben einen Blick wunderbarer Milde und Zärtlichkeit. Mit einem sanften Lächeln beugt sie sich über das Bettchen aus Strohgeflecht, in dem ihr Kind schläft.
Es ist ein Knabe, und er ist so herrlich, schön und kräftig wie Kinder es sind, die einem freien Bunde der Liebe und leidenschaftlicher Zärtlichkeit entsprossen sind.
Ein leichter Wind weht fühlend von Osten her, er läßt die Gazevorhänge auseinanderflattern und berührt fosend die vom Schlafe roten Wängelchen des Knaben.
Er erwacht; mit großen frischen Augen sieht er die Mutter an und lacht, das vier Monat alte Bübchen kennt sie schon. Sie lacht ihm wieder zu und spricht mit ihm; dann nimmt
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sie ihn aus dem Bettchen und in zärtlichster Sorge legt sie ihn an die nährende Brust, die er mit gieriger Lust erfaßt.
Mit welcher mütterlichen Wonne sieht sie zu ihm hernieder! Die höchste und tiefste, die reinste und uneigennützigste Liebe ist doch die der Mutter!
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Seit diesem armen Weibe, die der Verlust des heißgeliebten Gatten wahnsinnig gemacht hatte, die süße Ahnung aufdämmerte, daß sie ein junges Leben in sich trage, waren die Schatten, die sich über ihren Geist gelegt, geflohen, eine wohltätige, heiligruhige Stimmung war über sie gekommen.
Und als sie Gewißheit erlangte, hatte sie erleichternde Tränen der Freude geweint. Von da an hatte sie kraftvoll den tiefen Gram zurückzudrängen gesucht, um das süße Vermächtnis nicht zu schädigen, und sie pflegte ihren Leib um seinetwillen, und sie liebte sich, weil sie so indirekt das neue Keimende zugleich mit Liebe umfing.
So ward sie im innersten Gemüt der Hoffnung und dem Glücke wiedergegeben.
Mit ihrer Weltanschauung waren ja auch keine beängstigenden Vorstellungen verbunden, die ihre gesunde Kraft paralisirt und dem ewigen Regenerationsprozesse der Natur sich entgegengestellt hätten.
Ihr Gemüt war unbefangen und rein. Sie flagte weder ein allmächtiges Wesen der Grausamkeit an, noch sich selbst einer Sünde, die diese verschuldet haben könnte. Auch den Menschen, die, wären sie mit größerer Voraussicht begabt gewesen und nicht absichtlich blind gegen die sich häufenden Vorzeichen, dem Unglück hätten aus dem Wege gehen können, vermochte sie nicht zu zürnen. Sie hatte diese Menschen gesehen in ihrer heldenhaften Hingebung und Selbstvergessenheit, sie liebte sie, wie ihr Arnold sie geliebt hatte.
Auch du wirst sie lieben," flüsterte sie, indem sie einen innigen Kuß auf die schon jezt fräftig entwickelte Stirne ihres Sohnes drückte.„ Ich werde dich's lehren. Was dein Vater ersehnt, erstrebt, was sein edler Geist als Recht erkannt, ich will es dir ins innerste Herz pflanzen. So übernimmt die Zukunft die heilige Mission, die unvollendete, der Vergangenheit."
Aus dem Klosterleben im Mittelalter.
Das Kloster- und Mönchswesen hat die verschiedenste Beurteilung erfahren; man hat diese Institutionen über- und unterschäzt. Die Verehrer des Mönchswesens schrieben diesem das große fulturhistorische Verdienst zu, beim Zusammenbruch des Römerreichs die antiken Wissenschaften vor dem Sturme der alles niedertretenden Völkerwanderung in die Stille der Klöster geflüchtet, sie dort erhalten und ausgebildet und durch das rohe Mittelalter herübergerettet zu haben. Andere bestreiten dem Mönchtum dieses Verdienst völlig und geben ihm Schuld, die Früchte der antifen Geistestätigkeit teils vernichtet, teils verfälscht zu haben.
Vielleicht haben beide Teile Recht, wenn man das Mönchs wesen nicht nach einer von der liberalen und modernen, oft nur allzu seichten„ Aufklärung" geschaffenen Schablone, sondern unparteiisch nach seinen historischen Entwicklungsstufen betrach
ten will.
Die Ausartungen der römischen Gesellschaft unter den Cäsaren hatten den Menschen in jeder Beziehung herabgewürdigt und die Gemeinheit auf den Tron gesezt. Karakterstärke, Selbstbeherrschung, Gemeinsinn und Sittenreinheit waren Dinge, die man nur noch als sagenhafte Erscheinungen einer längst entschwundenen Zeit kannte. Wenn einmal jemand solche Eigenschaften besaß, so ward er als eine wundersame Erscheinung angesehen und die Geschichtsschreiber zeichneten seinen Namen auf. Die Liederlichkeit der römischen Gesellschaft erreichte ihren Höhe
punkt in den Persönlichkeiten einer Messalina , eines Caracalla, eines Heliogabalus. Das Gesellschaftsleben war ein Pfuhl niedrigster Ausschweisungen und tierischer Schlemmereien, das Volf in Rom eine auf Staatskosten unterhaltene faullenzende Masse, und die Kosten dieser Zustände wurden bestritten durch die Kriegsbeute, zu welchem Zweck man fast die ganze damals bekannte Welt ausplünderte. Das geistige Niveau der römischen Gesellschaft ergibt sich aus diesen Tatsachen ganz von selbst.
Es fonnte bei alledem nicht an Menschen fehlen, die von einem tiefen Abscheu vor diesen Zuständen erfüllt waren. Das Christentum in seiner ursprünglichen reinen Form war der erste Gegenstoß auf die Fäulnis und Zersezung der römischen Gesellschaft. Wen das Leben und Treiben dieser Gesellschaft anwiderte, der zog sich auf sich selbst zurück und suchte innere Sammlung zu gewinnen. Je größer die Entartung der römischen Gesellschaft gewesen, desto heftiger wurde auch nach dem geschichtlichen Geseze der Gegenstoß. Den Jahrhunderten voll des wildesten Taumels der Leidenschaften und der schrankenlosen Betätigung der rohesten Sinnlichkeit folgte eine Zeit, in der man von einer neuen Anschauung die, Abtötung des Fleisches" als die höchfte Tugend gepriesen sah. Männer voll Lebenskraft und Lebenslust entsagten allem, was man„ irdische Genüsse" nennt und zogen sich in die Einsamkeit der Wüste zurück, nur ihren Kasteiungen und ihren Andachtsübungen zu leben. Schöne und geiſtvolle Frauen entflohen dem Strudel der Vergnügungen