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Man staunt, wenn man die lange Reihe der Lasten sieht, die in jener Zeit der Landbevölkerung aufgewälzt waren. Zunächst die allgemeinen Steuern. Da war die Reichssteuer, der sogenannte gemeine Pfennig, denn das Volk mußte die kost spieligen Reichstage u. dgl. bezahlen. Die Reichssteuern wurden unerbittlich von den Rittern eingezogen, die sich für ihre Reichsdienste davon selbst besoldeten. Die ordentlichen Geldsteuern oder Beden waren ursprünglich die Entschädigung, die die Bauern für die Befreiung von Kriegsdienst an die adeligen Herren bezahlten; dazu kamen aber die außerordentlichen Geldsteuern oder Notbeden, die bei jeder Gelegenheit bei fürstlichen Besuchen, bei Hochzeiten und anderen Festen der Herren, für Ausstattung der Edeldamen u. s. w. erhoben wurden. Das war aber nur ein Teil der Abgaben. Der Zehnte, d. h. der zehnte Teil des Ertrags eines bäuerlichen Grundstücks, mußte an die Kirche gegeben werden; manche kirchlichen Behörden nahmen den sechsten und vierten Teil; manchmal verlangte auch der Landesherr noch einen Teil des Ertrages. Das Besthaupt war das Recht des Gutsherrn, beim Tode des Bauerngutsinhabers sich aus des lezteren Haushalt das beste Stück, ein Kleid, oder ein Stück Vieh u. dgl. auszuwählen oder sich eine entsprechende Geldsumme zahlen zu lassen. Der Blutzehnte mußte von Vich und Geflügel geliefert werden. Dann kamen die Abgaben an Hühnern, die bei hundet Gelegenheiten zu liefern waren; es gab Gauhühner, Herdhühner, Rauchhühner, Vogthühner, Holzhühner, Laubhühner, Weidhühner, Bubenhühner, Fastnachtshühner, Halshühner, Haupthühner, Leibhühner u. a. m. Für diese Hühner wurde auch Geld erhoben. Dazu kamen die Frohndienste: Jagdfrohnen, Forstfrohnen, Baufrohnen, Wachfrohnen, Frohnen beim Burgbau und bei Kriegführen 2c. 2c.; obendrein bestand noch das berüchtigte„ Recht der ersten Nacht", von dem wir nirgends positive Kunde von seiner Ausführung haben und das mit Geld abgelöst wurde, das aber doch zu Recht" bestand*). Außer diesen Abgaben und Dienstleistungen bestanden noch eine Menge anderer, die alle aufzuzählen der Raum uns verbietet.
Die Dominikanerinnen von Rotenburg ließen es sich auch wohl sein von dem Fette, das von dem Ertrag der Arbeit des Volkes abgeschöpft wurde. Es ist interessant, eine genaue Tabelle der Einkünfte des Klosters kennen zu lernen. Sie stammt aus dem Jahre 1405 und ist in Rösch's Chronik enthalten**). Wir geben die Tabelle wörtlich. Das Dominikanerkloster zu Roten burg vereinnahmte im Jahr 1405:
An Geld Wahring
244 Pfund Heller, 12 Schill. 4 Hell.***) 117 373 Malter
"
3 Schätz
5
1"
Gebete und sonst herrlich und in Freuden lebten. Für gewöhnliche Seelen, denen kein höheres Streben innewohnt, war ja damit " der Himmel auf Erden" geschaffen; die Bauern lieferten ja fast für jeden Tag Hühner zum Braten und an Wein fehlte es auch nicht.
Es konnte auch nicht ausbleiben, daß die Dominikanerinnen übermütig wurden. Sie hielten auf dem Klosterhof einen offenen Weinschank, wo ihre guten Freunde einkehrten, die schon vor Luther an jenes berühmte Sprüchlein glaubten:
"
Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang!"
"
Ob die Klosterdamen ihre Gäste selbst bedienten und ob sie fröhlich mitkneipten? Das leztere ist das Wahrscheinliche, denn der Rat beklagte sich über das ärgerliche Leben" im Nonnenkloster. Auch die ehrsamen Bürger und ihre Söhne aus der Stadt Rotenburg kamen in's Frauenkloster, um zu zechen und mit den Klosterdamen Liebschaften- anzuknüpfen. Der Rat beflagt sich, daß die Bürger im Frauenkloster verführt" würden. Die adeligen Herren vom Lande, die teilweise mit den Klosterfrauen verwandt waren, famen tagtäglich vorgeritten, um sich selbst und den Damen im Kloster Kurzweil zu verschaffen. Ob die Damen im Klösterlichen Habit, in Schleier, Haube und Scapulier auf dem Hofe zwischen Rittern und Bürgern saßen und mit ihnen zechten? Es muß schon so gewesen sein, denn die Chronik meldet nichts von einer Vertauschung des geistlichen Kostüms mit einem weltlichen. Es muß lustig ausgesehen haben, wenn die Nonnen mit den großen weißen Hauben und den langen Rosenkränzen bei ihren Freunden vor dem Humpen saßen. Häufig indessen gerieten die adeligen Herren mit der Stadt in Fehde und blieben dann natürlich aus, zur großen Betrübnis der Klosterfrauen. Diese schlichen sich dann an die Stadtmauer und warfen den draußen lagernden Liebhabern und Zechgenossen über die Mauer zärtliche Brieffein zu.
Die Klosterfrauen lagen mit der Stadt im Streit, weil sie kein Umgeld zahlen und die Pfründner der Stadt nicht schwören lassen wollten. Endlich aber kamen die Dominikanerinnen doch ganz in den Schuz der Stadt. Denn die Herren von Nortenberg, die Schirmvögte des Klosters waren, trieben es sogar, diesen ausgelassenen Frauen zu toll. Herr Lupold von Bielrieth legte sich um 1370„ mit Knechten, Pferden und Hunden" in das Frauenkloster. Weniger der Unfug, als die Kosten, die solche Einlagerung verursachte, bewogen endlich die Priorin Jutta von Seldeneck zum Widerstand. Der liebens würdige Ritter zog ab, sandte aber dem Kloster einen Fehdebrief, und der Nat, der den leichtsinnigen Weibern, die keine Steuern zahlen wollten, diesen bösen Handel gönnte, ließ sie ruhig stecken. Sie wandten sich an den Kaiser Karl IV., welcher den Rat anwies, dem Frauenkloster beizustehen. Der Rat sagte zu, unter der Bedingung, daß ihn die Frauen als Schirmherrn anerkannten. Die Fehde hörte auf, aber die Anerkennung fam
5 Walter und 5 Käß, den Malter zu nicht sogleich zustande, denn die Nonnen wehrten sich hartnäckig 30 Käß gerechnet
" 1
Korn
"
"
Waizen
18
"
17
Erbßen
4
"
Dinkel
107
"
"
" 1
Habern
2821
Del
" 1
17
Wachs
54 Pfund
"
Käß
"
Ayer
453
Lambsbauch
1
17
"
Fuder Mist
16
11
Weinfuhr
1
"
Semmel
4
"
Gänß
9
"
"
Weinachtshüner 861/2
"
Fastnachthüner 323
"
Herbsthüner 207
Schultheishun 11
Das ist ein ganz interessantes Bild, was das Volk an Erträgnissen seiner Arbeit und an baarem Geld für ein einziges Nonnenkloster zu leisten hatte. Welche Summe von harter, schweißtreibender Bauernarbeit steckt in diesen Einkünften der Dominikanerinnen, die dafür nichts zu leisten hatten als ihre
*) Ueber diese Dinge siehe die bezüglichen Schriften von Jörg, Zimmermann, Bensen, Schreiber, Wachsmuth u. s. w.
**) Bei Bensen, Historische Untersuchungen u. s. w. ***) Die Heller- 1 Heller= 1/2 Pfennig- waren eine so schlechte Münze geworden, daß sie in Majje gewogen werden mußten.
dagegen; zugleich widersezten sie sich hartnäckig den Anforderungen des Rats bezüglich der Reinlichkeit und Sicherheit der Stadt, bei welcher Gelegenheit mitgeteilt wird, daß die Aborte des Klosters auf die Straßen der Stadt heraus gingen, welch schöne Einrichtung die Klosterfrauen absolut nicht ändern wollten. Man gewinnt so einen eigentümlichen Einblick in das Leben von Klosterfrauen, die den ersten adeligen Geschlechtern Frankens angehörten.
Erst 1378 kam das Kloster in„ Schirm und Pflege" der Stadt, nachdem man sich vorher geeinigt hatte, daß der Weinschank auf dem Hofe aufhören solle. Die Herren Küchenmeister begannen darob eine blutige Fehde mit der Stadt, wurden indessen völlig besiegt.
Allein damit war die Ausgelassenheit der Klosterfrauen nicht beseitigt. Die Zechgelage und die Liebeleien im Kloster nahmen eher zu als ab. eher zu als ab. 1395 ließ deshalb der Rat der guten Stadt Rotenburg den General des Dominikanerordens, Raymundus, herbeirufen, der mit dem Inquisitor der Provinz Sachsen kam, um Ordnung zu schaffen. Allein man mußte die Nonnen förmlich