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Märtyrer und Blutzeugen der göttlichen Sache gepriesen und des Vorzugs im Paradicse vor den ruhig zu Hause bleibenden versichert*). Auch werden die Gläubigen ermahnt, nicht ver zagt und nicht traurig im Kampfe zu sein und nicht die Todsünde feiger Flucht vor dem Feinde auf sich zu laden.„ Gott ist mit den standhaft Ausharrenden." Um die Gläubigen nicht durch Niederlagen irre werden zu lassen, stellt der Koran die fatalistische Lehre auf: Glück im Unglück sei göttliche Schickung; jedes Menschen Loos sei von Gott im voraus bestimmt; auch die schwerste Schickung müsse man geduldig und demütig tragen. Die Intoleranzgebote und Kriegsgeseze des Korans sind ein offener und direkter Beruf auf die rohe Gewalt zu einem der denkbar kulturwidrigsten Zwecke: Der Ausbreitung und Er haltung einer Offenbarungsreligion. Einzig und allein aus der fanatischen Befolgung dieser Gebote und Geseze resultivt die politische Bedeutung des Islam.
In dieser Hinsicht unterscheidet der Stifter des Islam sich sehr unvorteilhaft von Christus, der lediglich durch die Macht der inneren Ueberzeugung siegen wollte. Allerdings hat ja auch das Christentum, von dem Tage an, wo es sich mit der politischen Macht verband, dem Evangelium und dem Geiste seines Stifters zum Troz, die Bekämpfung, Unterdrückung und Vernichtung Andersgläubiger in brutalster und rücksichtslosester Weise geübt, so daß die Behauptung durchaus gerechtfertigt ist: daß keine andere Religion so hart und despotisch war und zu. so entsezlichen Barbareien Vorwand gab, wie das Christentum; es sei nur erinnert an die Kämpfe zwischen Arianern und Katoliken, die Sachsenbekehrung unter Karl dem Großen, die Verfolgung der Juden und der heidnischen Bewohner Amerikas , die spanische Inquisition und die Pariser Bluthochzeit. Aber alle diese zur größern Ehre Gottes" begangenen Gräne! sind doch lediglich zurückzuführen auf Verderbnis und Verirrung des christlichen Geistes, nicht auf ein Gebot des Christentums. Diese Intoleranz konnte unter dem Einflusse höherer Bildung beseitigt werden, ohne daß der christliche Glaube an sich dadurch verlezt wurde. Anders beim Islam ; er ist gebaut auf das Gebot der Intoleranz, des Glaubenshochmuts; dasselbe, bezw. das Handeln nach demselben, ist die Existenzbedingung für seine Macht.
Bemerkt muß hier noch werden, daß der Islam nicht nur durch die Verheißung der ewigen Paradiesesfreuden die Intoleranz wach zu erhalten und zum Glaubenskriege anzuspornen weiß; er bedient sich dazu eines womöglich noch zugfräftigeren Mittels, indem er den Gläubigen verlockende Aussichten auf den Erwerb materieller Güter, so besonders auf die Kriegsbeute macht. Jeder Moslem kann alles persönliche Eigentum eines Ungläubigen sich aneignen, unter der Bedingung, daß er den fünften Teil davon dem Kalifen abtritt. Indem der Islam solcher Weise den Raub als ein gesellschaftliches Grundprinzip aufstellte, wurde der bei den Araberstämmen sehr scharf ausgeprägten Raub- und Beutelust genügt. Kein Wunder, daß die kühnen Söhne der Wüste, selbst ehe sie überzeugte, wirklich glaubenstreue und fanatische Moslems geworden waren, so leicht sich bewegen ließen, den Weg Gottes " zu betreten, im Namen Allah's den Raub als religiöses Privilegium zu betreiben!
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In freisinnigen Abhandlungen über den Islam findet sich hie und da die Behauptung: daß derselbe, ehe das Christentum mit ihm den Kampf auf Leben und Tod begonnen, große Toleranz gegen Andersgläubige, besonders Christen und Juden, geübt habe. Diese Behauptung ist dahin richtig zu stellen: Die Duldung, deren Andersgläubige zu Zeiten sich erfreuten, war immer lediglich das Resultat der Erwägung des materiellen und religiösen Interesses der Moslem; vom wahrhaften ToleranzBegriffe, die religiöse Ueberzeugung anderer zu achten und ihr Gleichberechtigung zuzugestehen, war der Islam stets sehr weit entfernt; man vergesse nicht, daß er Christen und Juden nur in dem Falle als. sogen.„ Schuzgenossen Gottes" erkannte, wenn sie den vorgeschriebenen Tribut zahlten; andernfalls hatten sic
*) Zweite und dritte Sura.
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feinen Anspruch auf Rücksicht und Gnade*). Weiter spielte bei der Duldung noch die Absicht der Bekehrung eine Rolle. Derartige Duldung aus Interessenrücksichten hat mit Toleranz in humanitärem Sinne nicht das mindeste gemein.
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Die Freisinnigen, welche behaupten, der Islam sei eine selbständige Kulturmacht, kennen ihn nicht, oder doch nur höchst mangelhaft. Er hat wie Ernst Renan in einer am 29. März 1883 in der Sorbonne zu Paris gehaltenen ausgezeichneten Rede über den Islam und die Wissenschaft erdas Eigentümliche, daß er durch seine Bekenner ein immer stärkerer Glaube geworden ist, der die Wissenschaft und die Philosophie stets verfolgte und schließlich erstickt hat. Nur muß man in dieser Beziehung zwei Zeiträume in der Geschichte des Islam unterscheiden: den einen, der vom Auftreten Moham med's bis zum zwölften Jahrhundert reicht; den andern, der mit dem dreizehnten Jahrhundert beginnt und sich bis auf unsere Tage erstreckt.
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In dem ersten Zeitraume sehen wir den Islam zunächst durch Mangel an Glaubenstreue bei seinen Bekennern schwach, sodann durch Seften untergraben und durch eine Art Prote stantismus der Molazelismus gemildert, überhaupt viel weniger fest gefügt und auch weniger fanatisch, als er es in der zweiten Hälfte des folgenden Zeitraumes gewesen, da er in die Hände der tartarischen und barbarischen Völker geriet, die schwerfällig, roh und geistlos sind. Die ersten Araber, die sich der Bewegung anschlossen, glaubten kaum an die Sendung des Propheten; sie leisteten ihm und seinen Nachfolgern Heerfolge lediglich in Rücksicht auf ihre materiellen Juteressen. Beweis dafür ist u. a., daß Mohammed selbst sehr häufig Streitigkeiten über die Verteilung der gemachten Beute unter seinen Anhängern zu schlichten hatte. Zwei oder drei Jahrhunderte werden Ungläubigkeit und Zweifel kaum verhehlt. Dann aber kommt die unumschränkte Herrschaft des Glaubensfazes mit der untrennbaren Vereinigung des Geistigen und Zeitlichen, die Dogmen- Tyrannei, die schwerste Kette, welche die Menschheit jemals getragen; mittels Zwang und Leibesstrafen ging man nicht nur gegen die Ungläubigen, sondern auch gegen diejenigen Gläubigen vor, die die Gebote des Koran nicht erfüllten; kurz, eine Zeit der Gewalt begann, wie sie hinsichtlich der Quälereien nur durch die spanische Inquisition übertroffen worden ist. Niemals", ruft Renan aus wird die Freiheit schwerer verlezt, als wenn das Dogma herrscht und das bürgerliche Leben ganz von ihm abhängt." In neueren Zeiten haben wir in dieser Hinsicht nur zwei Beispiele kennen gelernt: die muselmännischen Staaten und die Papstherrschaft zur Zeit ihrer weltlichen Macht. Dabei unterscheide man aber wohl: die zeitliche Gewalt des Papsttums hat nur auf einem sehr kleinen Land gelastet, während der Islam weite Strecken unserer Erdkugel zermalmt und unter einer ganzen Reihe von Völkern jene tolle Vorstellung aufrecht erhält, welche dem Fortschritt am meisten hinderlich ist, die Vorstellung von dem Staate, der auf eine vorgebliche„ göttliche Offenbarung" sich gründet, und von dem Dogma, welches die Gesellschaft beherrscht und es für ein unerhörtes Verbrechen wider die Gottheit erklärt, an der Gesellschaftsordnung auch nur das Geringste ändern zu wollen. Ein Volk, das unter der Herrschaft dieses Dogmas steht, hat keinen kulturellen Beruf; nie wird es von einem großen und allgemeinen Antrieb oder Volksgefühl für Freiheit und Zivilisation geleitet; es nimmt keinen Teil an Ereignissen, welche für die Kultur von der höchsten Bedeutung sind.
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In der ersten Hälfte des Mittelalters, so besonders in Spanien , dessen besten Teil er im achten Jahrhundert eroberte,
*) Die von Mohammed in Betreff dieses Punktes aufgestellten und in Geltung gebliebenen Grundsäze sind folgende:" Diejenigen Juden oder Christen, die nicht zum Islam übertreten, sondern bei ihrem Glauben beharren wollen, die sollen Tribut zahlen, und zwar für jeden Erwachsenen männlichen oder weiblichen Geschlechts, für den Freien wie für den Sklaven, einen Dinar an Geld oder Wert! Wer diesen Tribut entrichtet, wird ein Schuzgenosse Gottes, wer ihn aber verweigert, wird als ein Feind Gottes und aller Gläubigen betrachtet." Vergl. Weil:„ Mohammed der Prophet ", S. 253.