Als ob es nicht wirklich Bildungsepochen gegeben hätte, in welchen die Wissenschaft diesen schönen erhebenden stolzen Geist geatmet hat. Erzieht uns nicht die griechische Philosophie zu diesem in der Natur des Menschen eigentlich liegenden Stolze; atmen nicht die Kundgebungen des ersten Christentums diese innere Emanzipation, wiederholt sich da nicht ewig der Gedanke, daß das Göttliche nicht ein außerhalb des Menschen Gelegenes ist, sondern die höchste Spize seiner eigenen Entwicklung? Und das Königliche, das Höfische sollte es wohl sein? Wie könnten wir doch vielfach aus der Wissenschaftsgeschichte der Reformation und der Epoche der französischen   Revolution lernen uns selber achten und die Kluft begreifen, die sich zwischen Hofschranzen und Wissenschaft, zwischen Männern und Puppen auftut. Oder sollte uns nicht das erhabene Beispiel Spinozas bilden, der es nicht wagte, sich aus stolzer Denkereinsamkeit zu flüchten, um in einem Lehramte auch nur ein Teilchen seiner menschlichen Unabhängig feit, seiner philosophischen Unbefangenheit hinzuopfern? Lessing und Kant haben es eines Mannes und Denkers unwürdig ge­funden, einen statutenmäßigen Panegyrikus auf eine gerade lebende Hofpotenz zu halten. Und heute: auf Katedern lehrt man ihre Gedanken, die ja untrennbar von ihrem Karakter, von ihrer Unabhängigkeit sind; gleichzeitig besteht aber an Univer­sitäten und Akademien die Gewohnheit, daß der eine oder andere jonst vortreffliche Mann einen statutenmäßigen Königshymnus zu gewisser Zeit singt. Männer, die durch ihre wissenschaft­lichen Leistungen Tausenden den Staar des Vorurteils stechen, sehen wir plözlich zusammenknicken, zittern und zucken, wenn der Hauch des Hofes sie getroffen hat; Denker, die männlich und kühn der Natur gegenüberstehen, die sich das Recht der Ueberzeugung und der Kritik gegenüber den tiefsten Rätseln der Welt wahren, stehen wie gelähmte Geister da, wenn sie sich, es sei in Wort oder Schrift, dem Hofe nahen; Männer, die in griechischen Schönheitsidealen, den stolzen Gebilden des helleni­schen Bürgergeistes, leben und weben, verdammen sich selber zur Willenlosigkeit gegenüber den selbstgeschaffenen politischen Gözenidealen, die sie unbewußt verherrlichen.

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Wenn all' das, wie es ja tatsächlich nur eine bemitleidens­werte Schwäche ist, von keinen bösen Folgen begleitet wäre; allein solches Gebahren wird in seinen Folgen zum Verderben. Aus diesem trüben Ursprunge entquillt jene Schaar von Hof­historiographen, die an Hochschulen und Akademien noch immer so beherrschenden Einfluß haben und deren Geschichtschreibung dynastischer Panegyrikus ist, jenes herzlose Forschen, das teil­nahmlos an den Kämpfen und den Leiden des Volkes vorüber­geht und uns ewig mit der gründlichsten Verzeichnung der höfischen Hauspolitik, der müßigen diplomatischen Ränke be­lästigt; jene anekdotenhafte Historiographie der Höfe und der Kasten. So wird schon Geist und Herz der Jugend verfälscht und vergiftet; so fehlt es dem Volke an Anwälten seiner Rechte, da es diejenigen vermissen muß, die in inniger Liebe sich in seine Entwicklung vertiefen, um es zu schöner Vollendung zu geleiten.

Wahrlich, wenn irgend einer dazu berufen ist, in Fühlung mit dem Volksgeiste zu stehen und dem ewigen Flusse, der ewigen Bewegung der Volksseele zu lauschen, so ist es der Ge­lehrte; schämen müßte er sich, tiesinnerlich schämen, etwas anderes als ein Bürger, ein echter, guter, großer Bürger sein zu wollen, er müßte den Austritt aus dem Bürgertum als den größten Schimpf betrachten, den er sich zufügt; nie und nimmer dürfte er über sich die vermeintliche Erhöhung in den Adelsstand" ergehen lassen. ergehen lassen. Leider aber ist dieses Jagen nach einer illu­sionären Erhöhung eine so bedenkliche Massenerscheinung ge­worden, daß wir uns fragen, ob nicht vielfach in den Adern so vieler Gelehrten statt des Blutes und der Kraft der Ge­sinnung ausschließlich die Tinte einer toten Gelehrsamkeit fließt.

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Freudig vernehmen wir den Gruß männlicher Gesinnung, wie er aus Baiern   zu uns dringt. Dort ist die Anregung zu einer allgemeinen Konspiration des wissenschaftlichen Gewissens gegen höfische Eitelkeit gegeben. Hoffentlich beteiligen sich alle noch titelkeuschen Gelehrten Deutschlands   und Desterreichs an dieser schönen männlichen Verschwörung.

Die Entstehung des Sonnensystems.

Nach dem Standpunkt der heutigen Wissenschaft mitgeteilt von S. Saschert. Welchem unserer freundlichen Leser sollte nicht schon einmal in seinem Leben an einem heiteren lauen Frühlings- oder Herbst­abende beim Anblick eines prächtigen Sternenhimmels die Frage aufgestiegen sein, wie nur die funkelnden Sterne da oben und der bleiche Mond, der so ruhig und friedlich zwischen ihnen dahingleitet, entstanden sein mögen. Das in der Schule aus der sogenannten Schöpfungsgeschichte Gelernte kann dem denkenden Manne nicht genügen, und er sucht nach Lösungen, die seinem angeregten Forschungseifer immer neue Nahrung bieten, während der Denkträge diesen Gegenstand aufs innigste mit seiner reli­giösen Anschauung verknüpft und als ein Rühr mich nicht an!" betrachtet. Und doch hat dieses Woher das alles?" mit der eigentlichen Religion ebenso wenig zu schaffen als die Betrach tung der grünenden Bäume im Walde oder der schwankenden Gräser und bunt blühenden Blumen auf der Wiese, des singenden Vogels in der Luft oder des vor Jahrtausenden schon Duft­pillen fnetenden Atteuchus, den ja auch die frommen egyptischen Priester, weil ihnen die verschiedenen Stadien seiner Entwicklung fremd waren, als ein Heiligtum verehren ließen.

welcher troz seiner inneren Widersprüche und seiner unaus­sprechbaren Haltlosigkeit den Gesezen der Natur und der gesunden Vernunft gegenüber von den breiten Bevölkerungsschichten Euro­ pas   seit Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag als ein wahres Wunder von Weisheit angestaunt worden ist.

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Auch schon im grauesten Altertum beschäftigte man sich mit der Lösung so schwieriger Fragen, und den Religionssystemen der frühesten Kulturvölker, der Inder, Chinesen, Egypter war fast immer eine Kosmogenie( Weltentstehungslehre) voran­gestellt, um auf den mehr oder minder zweifelhaften Wert der ihr folgenden sogenannten Offenbarung vorzubereiten. Von den Egyptern ging die Anschauung ihrer Priester über die Ent­stehung der Welt in den mosaischen Schöpfungsbericht über,

Ein kritikloser Kompilator hat hier zwei Dichtungen an­einander gereiht, die sich schnurstracks widersprechen. Nach dem ersten Bericht( 1. Mos. I, 1, bis II, 3) war die Erde mit Wasser bedeckt, so daß kein festes Land zu sehen war, nach dem zweiten( II, 4) sehen wir die Erde anfangs trocken; jener läßt den Menschen zulezt hervorgehen, dieser sezt ihn an die Spize der Schöpfung, damit nach dem alles anfeuchtenden Nebel" jemand da war, der das Land baute". Ja, werfen wir nur einen kurzen Blick auf die erste Erzählung allein, so ist uns rein unerfindlich, ob wir mehr die Naivetät des Erzählers oder die des gläubigen Publikums bewundern sollen. Während am ersten Tage das Licht von der Finsternis geschieden wird

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als ob sich beide mischen ließen wie zwei Farben und das Licht bestehen könne ohne irgend eine Lichtquelle! und am zweiten Tage das feste Himmelsgebäude( die Feste) bereitet wurde zur Scheidung der Wassermenge teils über natürlich als Reservoir für den fünftigen Regen!- teils unter der Feste als Meer; so sehen wir am dritten Tage allerhand Pflanzen und fruchtbeladene Bäume entstehen fruchtbeladene Bäume entstehen Licht und Wärme hatten sie damals zu ihrem Gedeihen nicht nötig! und am vierten Tage endlich den Weltenschöpfer beschäftigt, die Sonne und den Mond und die Sternlein zu fabriziren und einem Architekten

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