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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ruhenden Stange bleiben mußte, um von derselben beim Tönen nur eben noch berührt zu werden. Diese Entfernung war 0,6 mm. Die Stange ver­längerte sich also um diese Größe und verkürzte sich darauf um ebensoviel, was im Ganzen einen Unterschied von 1,2 mm zwischen der größten und fleinsten Länge ergiebt. Hätte man die Stange um diesen Betrag durch eine Belastung mit Ge­wichten ausdehnen wollen, so wären dazu 1700 kg erforderlich gewesen.

Freilich ist die Schwingung dieses Metallstabes eine andere, als die der Violinsaite. Man nennt erstere Longitudinalschwingung, weil die einzelnen in Schwingung befindlichen Theilchen des Metall­stabes in der Richtung der Längsare schwingen. Die zweite Art von Schwingung, die der Violin­faite, heißt Transversalschwingung,* weil sie recht­winklig zur Längsare erfolgt.

Die Schwingungen der tönenden Luft sind nur longitudinale. Hiermit kommen wir auf die Frage, wie der Schall zu unserem Gehörorgan getragen wi. b. Ich sagte schon oben, in den meisten Fällen durch die Luft. Wenn man z. B. eine schwingende Stimmgabel an die Zähne hält, so wird ihr Ton durch die Kopffnochen und nicht durch die Lust zum Gehörorgan geleitet. Die Luft ist aber in fast allen Fällen das Mittel zur Fortpflanzung des Schalles. Der schallende, in Schwingungen verseßte Körper veranlaßt um sich herum eine Erschütterung der Luft. Die ersten Lufttheilchen werden auf die folgenden gedrängt und bilden mit ihnen eine Luft­verdichtung. An der Stelle, wo die ersten Luft­theilchen waren, bleibt eine Luftverdünnung. Dieser Vorgang wiederholt sich ununterbrochen so lange, bis der Schall aufhört, und pflanzt sich in derselben Weise, wie er entstanden ist, bis zum Gehörorgan fort. Es erfolgen abwechselnd Verdichtungen und Verdünnungen der Luft, und da sie sich von dem Erschütterungsmittelpunkte( der Schallquelle) nach allen Seiten hin mit gleicher Geschwindigkeit ver= breiten, so entsteht ein fugelförmiges System von Longitudinalwellen  , die, bis zum Gehörorgan gelangt, als Schall empfunden werden.

Daß bei regelmäßigen( periodischen) Verdichtungen und Verdünnungen der Luft( Longitudinalwellen) ein Schall erzeugt wird, lehrt folgender Versuch: Auf dem Nande einer kreisförmigen Pappscheibe ist in gleichen Abständen eine Anzahl von erbsen großen Löchern gebohrt. Diese Scheibe wird mit einer Maschine verbunden, die es ermöglicht, sie iu schnelle, kreisende Bewegung zu versezen. Bläst man während des Drehens mit einem Glasröhrchen gegen Löcher, so wird die Luftschicht zwischen dem Glas­röhrchen und der Scheibe jedes Mal, wenn der Luftstrom nicht auf ein Loch trifft, verdichtet, wenn er auf ein Loch trifft und entweichen kann, verdünnt. Diese Verdichtung und Verdünnung wechselt beim Drehen ab und in der That hören wir einen Ton.

Die König'schen Flammen zeigen ebenfalls, daß die Fortpflanzung des Schalles durch periodische Luft­erschütterungen geschieht. Eine aus einen Gummi­schlauch heraustretende Gasflanıme verändert ihre Gestalt, wenn man den Schlauch drückt. Schaltet man in ein Gasrohr eine Membrane ein, so wird jede Erschütterung der Membrane auf das Gas drin und die Gestalt der Flamme verändern, g als ob ein Blasebalg eingeschaltet wäre. Die Erschütterungen der Membrane sind, wenn sie durch einen Schall verursacht werden, sehr schnell aufein­ander folgende, einige hundert Male in der Sekunde. Die Flamme erscheint spiz und bläulich. Man be= darf noch eines Hülfsmittels, um die Gestalt= veränderungen der Flamme deutlich zu sehen. In einem Spiegel erscheint die Flamme natürlich auch so wie unserem Auge direkt. Sowie man aber den Spiegel geschwind dreht, sieht man statt der Flamme ein feuriges Zackenband. Die nicht erschütterte Flamme zeigt im gedrehten Spiegel einen feurigen Streifen, ähnlich wie wenn man ein glühendes Stück Holz im Kreise herumschwingt. Durch die

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* Eine dritte Art von Schwingungen sind die Torsions­schwingungen, bei denen die einzelnen Theilchen drehende Bewegungen um die Längsare des schwingenden Körpers volfführen.

König  'schen Flammen kann man also den Schall sehen.

Es ist auch in neuester Zeit Töpler( 1859-64) gelungen, die Schallwellen durch die sogenannte Schlierenmethode zu photographiren.*

Nicht allein der schallende Körper vermag die Luft zu erschüttern, auch umgekehrt, die erschütterte Luft einen elastischen Körper. Beim Phonographen und Grammophon werden in einem Schalltrichter die Schallwellen der Luft aufgefangen, die eine dünne Kautschukplatte in Schwingungen versezen. Ebenso ist es beim Telephon. Hier aber werden die Schwingungen der Membrane in Elektrizität umgewandelt, welche die weitere Leitung des Schalles besorgt. Das Wie" gehört nicht an diese Stelle, sondern in die Lehre von der Elektrizität. In unserem Gehörorgan veranlassen die Luftwellen die Schwingungen des Trommelfells, wiederum eine kleine Membrane.

Wir sehen also, daß die Luft im Stande ist, den Schall fortzupflanzen. Aber sie nicht allein, und nicht sie am vollkommensten. Eigentlich leiten alle Körper den Schall, am besten, d. h. am schnellsten, dichte, elastische und gleichartige, am schlechtesten lockere, wie Tuch, Pelz, Wolle, Baumwolle, Federn, Sägespähne, Stroh, Teppiche u. A. m.

Die atmosphärische Luft leitet den Schall mit einer Geschwindigkeit von 330 m in der Sekunde. Diese Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles in der Luft ist durch einen Versuch festgestellt worden, den schon Baco von Verulam angegeben hat. Der Franzose Peter Gassendi( 1592-1655) führte ihn Franzose Peter Gaffendi( 1592-1655) führte ihn zuerst aus, worauf er öfters wiederholt wurde, die lezten Male am 21. und 22. Juni 1822 in der Nähe von Paris   durch Humboldt, Gay Lussac  , Bouvard, Mathieu und Arago  ( fie fanden 331 m), und 1823 in der Nähe von Utrecht   durch Moll und van Beek, die für eine Temperatur von 0° C, stilles Wetter und trockene Luft 332,15 m in der Sekunde fanden.

Der Versuch ist folgender: Auf zwei Stationen von genau bekannter Entfernung werden Kanonen aufgestellt und auf beiden Stationen abwechselnd die Zeiträume beobachtet, welche beim Abfeuern der Kanonen zwischen der Wahrnehmung des Pulver­blizes und des Schalles der Erplosion verfließen. Die zur Fortpflanzung des Lichtes erforderliche Zeit, bekanntlich 40 000 geographische Meilen in der Sekunde, kann man dabei als verschwindend klein betrachten. Die Beobachtungen werden am zweck­mäßigsten bei Nacht angestellt, weil die Luft zu dieser Zeit am ruhigsten ist und die Signale am weitesten hörbar sind.

Bei höherer Temperatur ist die Fortpflanzungs­geschwindigkeit des Schalles größer als bei niederer. Sie wächst für je einen Grad um 3a. 1/2 m.

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Wenn ich sehen will, ob Jemand naturwissen schaftliche Kenntnisse besitzt, dann pflege ich ihm die harmlose Frage vorzulegen: Was erfolgt bei einem Gewitter eher, der Donner oder der Bliz? Die Meisten antworten nach einigem Nachdenken, wobei sie die Stirn in ernste Falten ziehen, prompt: Natürlich der Bliz. Natürlich ist das Unsinn; denn nicht Eines folgt dem Anderen, sondern beide erscheinen zugleich. Wir hören nur den Donner später als wir den Bliz sehen, weil das Licht schneller zu uns gelangt als der Schall. Man kann darnach an der Zeit, die zwischen Bliz und Donner vergeht, ungefähr feststellen, wo sich ein Gewitter befindet, für ängstliche Seelen eine große Beruhigung. Je weiter es entfernt ist, um so länger wird der Zeitraum sein. Wenn zwischen Blizz und Donner 24 Sekunden verflossen sind, so ist das Gewitter eine Meile entfernt.

Nicht zu große Entfernungen wird man an der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles messen können. Newton hat eine kleine Tabelle der Zeit­

* Schlieren nennt man die Stellen in einem Stück Glas, welche in ihrer Beschaffenheit von dem übrigen Glase abweichen. Durch eine gewisse Art von Beleuchtung werden sie sichtbar. Durch den Schall werden in der Luft ebenfalls in der Beschaffenheit ungleiche Stellen( Verdichtungen und Verdünnungen) erzeugt, die, auf ähnliche Weise wie Schlieren

im Glafe sichtbar gemacht, photographirt merden können.

räume( Intervalle) angegeben, nach denen man die Tiefe eines Brunnens berechnen kann. Ich setze sie hierher.

Intervall

2 Sefunden

2348405

Tiefe 18,7 Meter. 40,7

"

70,4

"

"

"

107,2 150,8 200,5

"

"

"

"

256,2

"

317,4

383,8

#

784,4

"

11

"

10

"

15

"

Man wirft in den Brunuen einen Stein und beobachtet mit der Uhr, wie lange es dauert, bis man ihn fallen hört.

In anderen Gasen als der atmosphärischen Luft wird der Schall, je nach der größeren Dichte, schneller fortgepflanzt. Im Wasserstoff geht er 3,8 mal schneller als in der Luft, in Kohlensäure und Stick­oryd nur mal so schnell als in der Luft.

Die Geschwindigkeit des Schalles im Wasser wurde 1827 von Colladon   und Sturm im Genfer See   gemessen. Die Messungen ergaben 1435 m in der Sekunde.

In festen Körpern ist natürlich die Fortpflanzungs­geschwindigkeit des Schalles am größten. Messungen an Telegraphendrähten ergaben 3485 m für die Geschwindigkeit, mit welcher der Ton eines Hammer­schlages einen Eisendraht durchläuft. Die genaue, durch besondere Methode festgestellte Fortpflanzungs­geschwindigkeit der festen Körper zeigt folgende Tabelle:

"

Blei

Körper

Geschwindigkeit

1300 m in der Sekunde 2700.

"

"

"

"

"

"

"

Silber

Platin

2700

"

Zink

3700

Kupfer Eisen und Stahl Spiegelglas

3700

"

"

"

"

5000

"

"

"

"

5200

"

"

"

"

Tannenholz

6000

"

"

"

"

Die bessere Leitungsfähigkeit fester Körper im Vergleich zur Luft kann man zur Herstellung einer einfachen Fernsprechleitung benutzen: Ueber einen Zylinder von Pappe, Holz oder Blech binde man eine nasse Schweinsblase. Wenn diese fast trocken ist, dann ziehe man einen Bindfaden, an dessen Ende von einem Knoten ein mit Leim bestrichenes, fleines Lederscheibchen befestigt ist, durch die Mitte der Membran. Solcher Zylinder stelle man sich zwei her, für jede der beiden Personen, welche sich unterhalten wollen, einen. Die Apparate der beiden Stationen" werden durch Bindfaden verbunden. Spricht man in den einen der Zylinder hinein, so setzen die Schallwellen die Membran in Schwingungen, die sich weiter auf den Bindfaden übertragen und durch diesen bis zur Membran der zweiten Station fortgepflanzt werden. Hier kehren sich sämmtliche Vorgänge um: Die Schwingungen erregen ent­sprechende Vibrationen der Membranen und diese er­zeugen Luftwellen von derselben Periode. Person an der Empfangsstation kann sich diese Luft­schwingungen zu Gehör bringen, indem sie ihren Apparat an das Ohr hält; sie wird, wenn die Entfernung nicht zu groß ist, deutlich die einzelnen Laute vernehmen, als wenn sie Jemanden auf große Entfernung ihr zurufen hörte, und sie wird sogar im Stande sein, den Sprechenden an der Stinime zu erkennen. Man kann den Bindfaden um die Ecke leiten, wenn man Schlingen von Bindfaden als Träger verwendet und diesen so anbringt, daß er nirgends anliegt.( Elsas.)

Die

Bei der Untersuchung der Schallschwingungen haben wir gesehen, daß die Stärke des Violinsaiten­tones abnahm, wenn die Amplitude kleiner wurde. Die Stärke( Intensität) des Tones wurde geringer. Noch andere Ursachen verringern die Intensität des Schalles.

Wir haben ebenfalls schon gesehen, daß der Schall stärker gehört wird, wenn er in dichter, als wenn er in dünner Luft schwingt. Eine dichtere Luftwelle übt eine fräftigere Erschütterung auf unser Trommel fell aus als eine dünnere. Derselbe Schall ist im Thale   stärker als auf dem Berge. Die Luft­