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Spielkinder.

( Fortsetzung.)

Roman von Georg Hermann .

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Seßt wurde es mit Macht Frühling. Es gab bei uns alle Tage weißen Käse und dicke Milch. Die Tage wurden länger und die Dämmerung, die Schummerstunde, zog sich dann bis neun Uhr hin. Ich wollte stets ungern zu Bett gehen. Der Himmel war so schön weißblau, und die Laternen, warum wurden die denn überhaupt schon ange= steckt, es wollte ja noch garnicht Nacht werden. Es wurde beinahe widerwillig dunkel.

Erbsen hatten wir wieder gepflanzt, auch Kürbis und braune Bohnen, und die trieben kleine, gelb­grüne Spizen.

" Paß' auf, noch ein, zivei Tage und der Flieder und der Weißdorn blühen in den Vorgarten."

Zwei Tage darauf, richtig! der ganze große Fliederbusch voller Blüthen! dicke, schwere Trauben, Blüthe an Blüthe! Traube an Traube!

Es sind die ersten in der ganzen Straße, die sich geöffnet, Tausende von Bienen und Fliegen um= summen den Busch. Ich klettere an den ziemlich starken Zweigen empor, seze mich im Wipfel in eine fräftige Astgabel, schlenkere vergnügt mit den Beinen und sange den Duft ein.

Da rollt eine Droschke die Straße entlang. Ich beachte sie nicht. Plötzlich hält sie vor der Haus thür. Ein Herr mit einem Handkoffer.

Papa!!!"

Sofort springe ich herab, ihm entgegen. " Papa!!!"

Familie schon für zwei, drei Monate ohne Nahrungs­forgen.

Tausendmal hab ichs gesehen, tausendmal hab ich das Morgen, morgen!" gehört.

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" Ja, morgen wird die Angelegenheit bestimmt perfekt!" Knapp Brot, Kartoffeln und Salz zu Haus und immer der Muth, immer die Hoffnung, durch lange Jahre; dabei flügellahm, am Boden friechen, sehen, es wird nichts, ich komme nicht hoch.

Ja Vater, nimm's mir nicht übel, wenn ich es jetzt so bedenke, Du warst doch ein richtiges, großes Kind, gläubig, gutherzig aber doch ein Spielfind!

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Ich fam zur Schule. Ich kann nicht behaupten, daß mir's da irgendwie gefallen hätte; ich war nicht dumm, aber faul und paßte nicht auf, sah und hörte während des Unterrichts nicht auf meinen Lehrer, sondern auf das große Ereigniß" auf den Sper­ling, der draußen im Sonnenschein auf dem Fenster­brett sprang, oder blickte nach den blühenden Ka­stanien im Hintergarten. Außerdem war ich trotz meiner Kleinheit ein gefürchteter Raufer, und mehr als einmal kamen Mitschüler weinend zum Lehrer, ich hätte sie in der Pause oder auf dem Schulweg geschlagen. Das sezte mich natürlich in der Gunst meiner Erzieher bedeutend herab. Daß ich gut, sogar bei weitem am besten aus meiner Klasse rechnete, kam bei dem Mangel anderer Fähigkeiten nicht zur Geltung.

Ganz anders entfaltete sich meine Begabung im Spielen. Das Haus, in dem wir jest wohnten, hatte einen großen, grauen, holprigen Hof. Hinten Pferdestallung und Remise, zu der eine morsche Holz­

Er sieht so ruhig und freundlich aus, so hübsch! treppe emporführte, eine Senfgrube mit fauligen Papa!!!"

Er streichelt mich, nimmt meine Hand, und wir gehen hinein!

Ei! Da wird sich Mama aber freuen!"

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Und wie sie glänzte! Als ob sie sich mit Speck eingerieben hätte. Wie sie sich freute! Ja wirklich, sie machte ein ganz anderes Gesicht wie vor vier Wochen in der Droschke.

Da saßen wir nun und Papa erzählte, was er begonnen, und Mama plauderte, wie es uns er­gangen. Sie sprach von der Subhastation, von Ulrife, Louise, der alten Dame, und Papa saß da und hörte zu mit einem so lustigen Gesicht, als ob Mutter die komischsten Sachen von der Welt erzählte.

Aber plößlich sagte man mir, es wäre höchste Zeit, daß ich zur Schule käme, und ich sollte nicht immer so dumm und spielerig bleiben.

Dann kam Louise herein, auch sie glänzte vor Freude über das ganze Gesicht. Sie gab verlegen dem Herrn die Hand und winkte mir dann, ich möchte mit hinausgehen.

Laẞ se man alleine, Usche, die haben gewiß sich was zu sagen, wat Du nich hören sollst!"

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Von heut an war Herr Geiger, er, der große Geiger, einfacher Häusermakler! Sein Lebtag ist er nichts Anderes mehr geworden als Häusermakler! Häusermakler! oder besser, so eine Art Fliege, der man die Flügel ausgerissen, solch unglückliches, krabbelndes Wurm! Ja, durch dreizehn Jahre ist er es geblieben! Zuerst gings ja leidlich, aber dann tagaus, tagein auf der Straße herumlungern, um etwas zu verdienen oder zu borgen wir mußten doch leben!

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Das war ein trauriges Dasein! Ja, wenn ich Maler wäre, und ich sollte die Hoffnung darstellen, so würde ich Dich als Modell nehmen, wie Du des Abends nach Haus tamist und ermüdet auf einen Stuhl sankst. Den ganzen Tag warst Du umhergelaufen, um einen Käufer für das großartige Ecgrundstückes es war leider etwas stark belastet zu finden, von Pontius zu Pilatus! Der war nicht zu Haus, ins Café gegangen, der hatte heute seine Regelpartie, der hatte keine Zeit und reiste morgen ins Bad, und dieser Gauner hatte Dich schon mal um Deine Provision betrogen.

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Nun, Hermann, wie stehts, wirds?"

Morgen, morgen, bestimmt!"

Und seine Augen blizten, als ob er das Geld dafür in der Tasche hätte, als wären er und seine

Brettern darüber, die schwankten und wippten, wenn man sie betrat. Ein übermäßig hoher Zaun trennte uns von dem unentdeckten Land eines Nebengartens, welches wir nur neugierig, mit Zittern und Zagen, sozusagen im Husch zu betreten wagten, wenn uns ein Ball hinübergeflogen oder ein Reifen drüben an einem Baum hängen geblieben war. Dort ragte die riesige, lehmgelbe Hinterwand einer immerfort pusten den und stampfenden Fabrik empor: in der Wand ein geheimnißvolles Fenster, durch das man in ein ungewisses, reizvolles Dunkel hineinsehen konnte, wenn man auf den Aschenkasten gestiegen war, und aus dem sich auch oft ganz unerklärlicher Weise ein Wasserstrahl über uns ergoß.

Das war meine Welt! Da war ich daheim! Jeden Winkel kannte ich! Und diese dumpfen, feuchten Keller, wo die Nacktschnecken an den Wänden lange, glänzende Streifen gezogen hatten, und die graue Kaze dort oben in der Kiste ihre Jungen säugte. Lauter kleine Kazen! Graue, schwarze, weiße, plier­ängig, mauzend und krabbelnd.

Da so des Abends, in den Schummerstunden, um= herzukriechen, schmuzig, staubig, bespinnwebt; wenn Jemand kam, mich mäuschenstill hinter einen Pfeiler zu ducken. Ja -!

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Und alle die Freunde! Der Albert, der Ernst, der Eugen, der Walter, die Grete Schramm Lies Weise, Lenchen Felgow.

Ja, das war ein Leben!

Und der Portier, der Brauer, der hagere Mann, mit dem großen, grauen Bart! Er ging stets in rothen Morgenschuhen, schlich wie eine Kaze und roch auf zehn Schritte nach Portierstubentabat. Ein vielseitig begabter Mensch! Er war Schuhmacher, Gerichtszeuge, Laternenanstecker, Leichenbitter und Sonntags Nachmittags sogar Musikus bei Kreideweis in Tempelhof .

Wo wir ihm nur einen Schabernack spielen konnten, da waren wir Alle einig, wir mochten uns eben noch so sehr geprügelt haben. Wenn er gerade den Hof gefegt hatte, konnte er versichert sein, daß wir ihn mit Papierschnigeln bestreuten; nachher war es natür­lich keiner gewesen! Oder wir blendeten ihn mit einem Spiegel, wenn er mit wichtigster Amtamiene seine Zeitung las.

Aber wirklich, er war ein niederträchtiger Kerl. Er schlug seine Frau und klatschte mehr als sämmt liche Dienstmädchen aus dem Hause zusammen ge=

nommen.

Einst, als wir ein Billard, Gott mag wissen,

wo wir es her hatten, verkaufen wollten, da wir wieder einmal sehr nothwendig Geld brauchten, hielt er unten in der Hausthür die Käufer an und sagte: " Jeh'n Se man erst garnich zu Geigers ruff, das Billard is überhaupt nich zum Ansehn, da essen se Mittags druff, weil se feinen Tisch haben, und des Nachts schliefen de Jöhren druff, denn Betten haben die Geigers doch nicht, aber zwei Dienstmädchen müssen sie sich immer halten."

Schlimm war es ja bei uns, aber nicht so, wie diese ausgeftunkenen Lügen."

Meinen Vater ließ Brauer einmal des Nachts nicht in das Haus; er hätte nicht die Verpflichtung, ihm zu öffnen. Auch erzählte er überall als neueste Neuigkeit, Herr Geiger hätte feinen Wahlzettel be­kommen, das heißt, er wäre ohne bürgerliche Ehren­rechte.

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Und da war Albert Nickel; ein hübscher Bengel mit großen Augen, der Abgott seiner älteren Schwestern. Er war zwar dumm wie Bohnenstroh, aber er ging doch auf die hohe Sthule. Albatchen, Albatchen' war das erste und letzte Wort der Schwestern. Wenn auch Vater nur Briefträger war, Albatchen mußte uff de hohe Schule. Wenn er fleißiger gewesen, hätte er wohl eine Freistelle bekommen, aber, Al­batchen' war nicht fleißig. Doch troß alledem, er war eine gutmüthige, ulfige Strufe, und wenn er auch nur den Omnibuslinien, gestürzten Pferden, der Feuerwehr und dem Essen Aufmerksamkeit wid­mete: er war doch ein Kerlchen, mit dem sich aus kommen ließ.

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Da der Eugen Salle, wohlgezogen! Er sprach, dienerte, scherwenzelte wie ein Erwachsener. Er war pfiffig, berechnend, wohl auch verlogen und hatte einen starken Hang zum Nichtsthun. Er pflegte sich Zigaretten zu kaufen oder aus Kastanienblättern zu fabrizieren, indem er diese zerrieb und aus einem Blatte seines Notizbuches die Hülle bildete. Er war der einzige Sohn einer Wittwe, die mit ihrer ganzen Liebe an ihm hing, ihn verzärtelte und sehr gern aus ihm einmal etwas Großes gemacht hätte, aber da er kein Lumen war, nur von ihm viel hermachte.

Der Walter Schneider! Ein außergewöhnlich begabter Junge, ernst und hübsch, ein kleiner Goethe, artig und fein, durch und durch von nobler Gesins nung, jedoch schwächlich und zaghaft. Auch er war das einzige Kind sehr vornehmer Leute, ein rich tiges verzogenes Muttersöhnchen. Er konnte mehr Geschichte als sein Lehrer und schrieb die gescheidtesten Aufsäße, nur Rechnen und später Mathematik fielen ihm sehr schwer.

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Und Ernst Ernst Sauer, das Kind einer armen, schwindsüchtigen Frau, der Einzige von uns, der nur eine Kommunalschule besuchte, aber dort stets unter den ersten, ein liebenswürdiger, freund licher Junge; nicht ohne Stolz. Er konnte aus gezeichnet Ball werfen und zwar mit der linken Hand; rannte wie ein Wiesel; schlug tadellos Rad; zeichnete nicht ohne Begabung und sang mit Gehör, frage aber ohne Stimme.

Grethe Schramm, Marie Schramm, Hanne Schramm, die Kinder einer Waschfrau, arme, ver fuubbelte Kellerwürmer, mit Kartoffelgesichtern, aber gutmüthig und zu allen Dummheiten aufgelegt, stets erbärmlich gekleidet, trotzdem die Mutter von allen. Seiten Sachen geschenkt bekam, die aber sofort weiter verkauft wurden; stets verhungert.

Als der Milchreis einst bei uns angebrannt war, aßen die drei Kinder zusammen fünfzehn Teller voll. " Habt Ihr denn nicht gemerkt, daß er anges brannt war?"

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Milchreis muß immer ansebrennt sein, sonst in di smekt er nich, sagt Mutter."

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Die Alte war ein häßliches, schlampriges Frauens zimmer. That Jemand ihren Kindern etwas, machte sie einen Heidenlärm. Sie selbst schlug aber gan grundlos oft auf sie ein, wie auf faltes Eisen. Be sonders Marie, ein kleines Geschöpf mit übermäßig großem Kopf, von ehrpußligem Wesen sie führte zu Haus die ganze Wirthschaft besaß ihre Mißgunst, und oft schlug sie das arme Ding braun und blau. Lenchen Felgow und Lieschen Weise, zwei rei zende, wunderhübsche Mädelchen, armer Leute Kinder, niedlich, graziös. Die Beiden mußte man tanzen

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