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Die Drosseln streichen durchs Gehege, Die Buchen färben sich karmin, Das welte Laub liegt auf dem Wege, Und leise Sommerfäden ziehn."
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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Da war ich wieder umhergestrolcht, bis es fast gänzlich dunkel war aber nicht allein, ich hatte aber nicht allein, ich hatte eine getreue Gefährtin, die mich überall wie ein Lieschen Weise. wohlerzogener Hund begleitete
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Gott, wie war das Kind hübsch geworden und wie anmuthig ihre Bewegungen! Sie liebte es, den Kopf halb schräg zu halten, die Augen schelmisch ein wenig einzukneifen und mich gutmüthig anzublinzeln, als wollte sie sagen:" Nicht wahr, wir verstehen uns?"
Ich war dreizehneinhalb Jahr, sie zwölf, außergewöhnlich groß für ihr Alter, schlank und elastisch wie eine Weidengerte.
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Das arme Ding hatte es daheim sie wohnte sie wohnte im Keller des Hinterhauses recht schlecht. Vater und Mutter pufften und schlugen sie oft grundlos der Vater war Steinträger, ein roher, brutaler
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Mensch, der nur gemeine Worte im Munde führte,
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trank und spielte Sonnabends fam er stets betrunken heim. Die Mutter nähte für ein Geschäft Kravatten eine schlechtbezahlte Hundearbeit. Sie mußte früher einmal hübsch gewesen sein, aber der Umgang mit dem rohen Gatten hatte auch ihr den Zug der Pöbelhaftigkeit aufgedrückt, einen ganz be= stimmten Zug, der sich gerade wie Kohlgeruch in unsere Zimmer, selbst in die vornehmsten Gesichter einniſten kann und dann, wie dieser, auch sehr schwer
wieder herauszubringen ist.
Auch munkelte man von ihr, daß sie während der Dämmerstunden, in Abwesenheit ihres Mannes, Herrenbesuch empfinge, welcher troß seines decenten Aussehens sich nicht scheute, mit gebeugtem Kopfe die steinerne Kellertreppe hinabzuhuschen.
Naturgemäß fühlte sich Lies in dieser Umgebung sehr unglücklich. Daheim bekam sie ja tein freundliches Wort zu hören, und Niemand nahm sich im Guten ihrer an. Aber gerade das hatte ihrem Charakter etwas Geschlossenes, Bestimmtes und Selbstbewußtes gegeben. Sie war gewohnt, sich Alles allein zu besorgen, überhaupt zu thun, zu lassen, was sie wollte. Züchtigungen von Seiten ihrer Eltern ließ sie ohne Murren, wie selbstverständlich über sich ergehen. Sie bekam durchschnittlich alle zwei Tage ihre gehörige Tracht Prügel, und war daran anscheinend derart gewöhnt, daß sie beinahe mißgestimmt war, wenn sie zur rechten Zeit noch keine erhalten hatte.
Unbegreiflich war es mir stets, wie unter diesen Verhältnissen sich eine derartige Schönheit und natürliche Aumuth entwickeln konnte, denn Hunger, Prügel und Laster der Eltern sind doch hierfür selten ein guter Nährboden.
Ich fühlte mich trotz alledem durch Bildung, Alter und Stand über Lies erhaben: lag doch über uns das Bewußtsein vergangenen Reichthums! Aber da ich stets freundlich zu dem Mädchen war, so hatte sie sich mit der Zeit eng an mich geschlossen und hing an mir wie eine Klette. Sie that Alles, was sie mir an den Augen absehen konnte, und ich glaube, mir zu Gefallen hätte sie sogar gestohlen.
Ich nahm diese Huldigungen als mir gebührend hin, und nie auch nur im Traum fiel es mir ein, sie zu erwidern.
auch allen Menschen gemeinsam. Es giebt fein Volk, dem die Sprache mangelte und es hat keins gegeben, so lange es Menschen giebt. Wohl haben alte und neuere Schriftsteller uns mehrfach von stummen Völkern berichtet; aber sie haben was sie nicht verstanden falsch ausgelegt.
Ueber den Ursprung der Sprache wissen wir bis auf den heutigen Tag noch wenig Genaueres; doch wenn es erlaubt ist, aus Analogien( ähnlichen Fällen) naheliegende Schlüsse zu ziehen, so dürfen wir annehmen, daß der eigentlichen Lautsprache ein Stadium der Geberdensprache voraufgegangen ist, jedenfalls aber die Geberde die ersten Sprechversuche begleitet hat.
Es giebt eine ganze Reihe von tiefstehenden Völkern( wie die brasilianischen Puris, die Tasmanier u. A.), die sich zur Erläuterung ihrer ärmlichen Sprache der Geberde als eines wesentlichen Hülfsmittels bedienen, so zwar, daß sie sich sogar im Dunkeln nicht gut zu verständigen vermögen.
Noch viel natürlicher sozusagen ist die Geberdensprache im Verkehr mit fremden Völkern, wie ja auch der gelehrte Forscher, wenn er zum ersten Male das Gebiet eines Volkes betritt, dessen Sprache ihm unbekannt ist, zur Geberdensprache zurückgreift, sich pantomimisch zu verständigen sucht. Bekannt ist jene Erzählung Lucians von dem pontischen Fürsten, der am Hofe des Kaisers Nero zu Gaste und, auf gefordert, sich irgend ein Geschenk zu wählen, bat, Tags vorher in einer Pantomime Lieder vortragen gehört und, obschon der römischen Sprache unkundig, infolge des ausdrucksvollen Gestenspieles doch ver= standen hatte.„ Es sei nämlich schwierig," begründete er seine Bitte, Dolmetscher für den Verfehr mit einigen Völkern in seiner Nachbarschaft zu finden, weil ihre Sprache so gar verschieden; dieser Mann aber würde dem Zwecke vollkommen entsprechen."
man möge ihm einen Schauspieler geben, den er
So erklärt es sich auch leicht, woher alle diese Berichte über„ stumme" Völker stammen. Man verstand eben die Sprache der Fremden nicht, und wenn diese auf die Geberde zurückgriffen, um sich verständlich zu machen, wie etwa Taubstimme, so hieß es, sie seien stumm, wie denn z. B. die Russen uns Deutsche ja noch heutigestags" Njemez", d. h. Sprachlose nennen.
Die Geberden oder Zeichensprache ist eine Art von System, Gegenstände und Ideen durch rohe Umrißzeichnung oder Geberde darzustellen, wobei man sich bemüht, vornehmlich das Wesentliche des Gegenstandes oder der Idee zum Ausdruck zu bringen; sie ist eine Bildersprache, Jedem verständlich. Und wie durchaus natürlich dieses Verständigungsmittel ist, beweist u. A. auch der Umstand, daß die Zeichen sprache der nordamerikanischen Indianer beispielshalber von der Hudson- Bay bis zum Golf von Merito fast identisch der von unseren Taubstummen geschaffenen in hohem Grade ähnelt. Ein paar Beispiele mögen das erläutern.
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Das Wort„ Buch" drücken Beide in der Weise aus, daß die Häude flach vorm Gesicht zusammen gehalten und dann geöffnet werden, worauf man zu lesen vorgiebt; den Begriff„ reiten" derart, daß aus zwei Fingern der einen Hand Beine gemacht und rittlings auf einen Finger der andern Hand gesetzt werden; das Wort„ Feuer" ferner so, daß man es anzublasen und die Hände daran zu wärmen fingirt; Regen" wird dargestellt, indem die Finger
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Ueber Ursprung und Entwickelung spizen der zum Theil geſchloſſenen Hand von oben
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ährend das Thier lediglich durch Wahrnehmungen bedingte Empfindungen und Absichten zu äußern im Stande ist, vermag der Mensch einander auch Erkenntnisse mit zutheilen, und hierin liegt eine der Hauptursachen, weshalb er das Thier so unendlich überragt. Diese Fähigkeit nun, Gedanken und weiterhin Erkenntnisse zu äußern, nennen wir Sprachvermögen. Und wie die Sprache fehren wir den Herderschen Satz ein Vorrecht der Menschheit ist, so ist sie
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nach unten bewegt werden, als ob man Negen strahlen aus den Wolken fallen sehe; 11. s. f.
Je ärmlicher nun eine Sprache ist, um so weniger kann sie des Unterstüßungsmittels der Ge= berde entrathen, denn es ersetzt ihr, ähnlich wie Man unseren Kindern, zugleich die Grammatik. braucht nur daran zu denken, wie sich die Pronomina( ich, du, er usw.) zugleich in Verbindung mit den Begriffen geben, nehmen, schlagen u. dergl. mit den Begriffen geben, nehmen, schlagen u. dergl. bequem durch Zeigen mit dem Finger Allen verständlich ausdrücken lassen.
Aber selbst die höchst entwickelten Sprachen können die Geberde nicht vollständig entbehren. Wir oft uns Alle gebrauchen im täglichen Umgang
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unbewußt eine große Anzahl äußerst charakte= ristischer Geberden, die man wohl als ein Ueberbleibsel aus der Urzeit unserer Sprache aufzufassen berechtigt ist. Wir drohen mit der Faust und runzeln die Stirn, um Zorn auszudrücken; wir winken mit der Hand Jemanden zu uns heran oder wehren ihn unwillig ab; wir werfen trozig den Kopf zurück und stampfen mit dem Fuß u. s. f. Alles Geberden, die in der ganzen Welt verstanden werden.
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Geben sich nun aber die erregenden Gemüthsbewegungen im Spiel der Gesichtszüge kund, so wird dadurch ein wesentlicher Einfluß auf die Lautsprache ausgeübt, indem durch gewisse Haltung und Stellung des Kehlkopfes, des inneren, wie des äußeren Mundes der Laut in bestimmter Weise beeinflußt wird.
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Um nur ein Beispiel zu nennen so klingt ein Lachen aus vollem Halse ganz anders als ein höhnisches Lachen bei gerümpfter Nase und nach unten gezogenen Mundwinkeln. Nehmen wir nun an, wozu wir vollkommen berechtigt sind, daß dieses Mienenspiel ursprünglich nicht willkürlich geweſen iſt, sondern einen durch gewisse Nervenreize ausgelöſten Reflexakt unserer Gesichtsmuskeln darstellt, so iſt damit eine Brücke zwischen Geberden- und Lautsprache geschlagen; denn die gleiche Gemüthsbewegung veranlaßte stets die gleiche Geberde und weiterhin den gleichen Laut, und war erst einmal solch ein Laut im Zusammenhang mit dem ihn verursachenden, sinnlich wahrgenommenen Anlaß von mehr als einem Individuum aufgefaßt worden, so ließ sich leicht Ursache und Wirkung zu einander in Beziehung setzen. Man gab seinen Gefühlen im Schrei Ausdruck, gleichwie das Kind in der ersten Zeit seines Lebens seine mannigfachen Wünsche und Gefühle durch verschiedenes Schreien fund giebt und selbst der Erwachsene noch durch solche Töne tiefgehende Erregung befundet.
Freilich, gänzlich vermag uns diese Annahme den Ursprung der Lautsprache keineswegs zu er flären. Zu ihrer Schöpfung waren noch eine ganze Reihe anderer Faktoren wesentlich.
Mit gutem Grunde hat man die Onomatopoie ( d. h. Tonmalerei) zur Erklärung des Ursprungs der Lautsprache herangezogen. Und in der That wird wohl Niemand leugnen können, daß Wörter wie unser Kukut, Kibiz, Pirol, das chinesische Maou für Kaze, das neuseeländische Aava für Hahnenschrei u. dergl. rein onomatopoetisch sind. Dieser Hang zur Lautmalerei, der noch heute unverändert fortbesteht-wie denn unsere Kinder täglich und immer wieder von Neuem solche Wörter schaffen, indem sie den Hund Bau- bau", die Kuh Buku " u. s. f. rufen ist ein durchaus natürlicher und darum allen Menschen eigener. Das beweist glänzend eine Umschau unter den verschiedenen Sprachen. Ein paar Beispiele mögen hier genügen.
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Der Laut bu oder bo für Kuh findet sich nicht nur bei den alten Griechen und Römern( bus, bos), sondern auch bei den Hottentotten( bu) und in Cochinchina( bo). Um den aus dem Flintenlauf hervorbrechenden Rauch zu schildern, wenden die verschiedensten Völker, gleich unseren Kindern, den Laut pu an; so heißt in Neu- Seeland die Flinte pu , auf den Tonga- Inseln pu- puhi; bei den nordwest- amerikanischen Indianern heißt schießen" mamuk- pu( d. h. pu- machen), und wie die Tschinuks einen sechsläufigen Revolver einen„ Sechs- pu" nennen, hieß noch bei uns im siebzehnten Jahrhundert ein fleines Terzerol allgemein„ Puffer". Das Summen der großen Fliege malt das griechische bumbülios und das altindische bambharali, wie das bumbern des Australiers, bas bumble- bee des Engländers und unser deutsches Hummel. Jener bei uns als unschicklich verpönte Schmaßlaut beim Essen hat das niam- niam des Buschnegers in Surinam , das gnam- ang des Australiers und das nim- nim des afrikanischen Mandingo geschaffen; das chinesische Kind sagt für„ essen" nam, das englische nim, und in der schwedischen Sprache heißt nam- nam Naschwerk.
Sind nicht ferner unser schnappen, schuurren, schlurren, schlürfen, klirren, fuirschen, fuurrent, fnarren, flatschen und zahllose andere Wörter, 311