Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Herzogin hart an, warum sie nicht zum Tisch kommen wollt.... Nach vielen Entschuldigungen fuhren IFG. die Herzogin raus, sie möchte bei der Hure, der Kittligin, nicht sizen. Welches zwar(-zu wahr, d. i. wahrhaftig, wirklich, gewiß) den Herzog sehr verdroß, duzet die Herzogin und sprach:" Du sollt wissen, die Frau Kittlizin ist keine Hure!" schlägt der Herzogin ein gut Maulschelle, davon die Fürstin auch taumelt." Als treuer Diener seines Herrn, suchte der von Schweinichen nicht nur im Anfang schon die Kazbalgerei Ihrer beiden Fürstlichen Gnaden zu verhindern, sondern auch nach derselben eine Versöhnung zu vermitteln auf Forderung seines Herrn, dem es verdrießlich war und beschämend erschien, daß seine Frau nicht zu dem besagten Banket kommen wollte. Hans, der Trene, nahm sich des delikaten Auftrages auch an, ging zur Herzogin und sprach davon, wie leid demi Herzog die Maulschelle sei: machte auch das Leid größer als es ihm selbst war.... IFG. würden ihr ein stattliche Verehrung( ein Geschenk) geben und ich wollt es zu Wege bringen, daß IFG. künftige Nacht bei ihr in der Kammer liegen würden, und was ich sonsten mehr ähnliches vorzubringen wußte." Er brachte es dann endlich dahin, daß IFG. ungeacht, daß sie ein blau Auge von der Maulschell be­fommen, zu Tafel kam und dafür ihr Wille geschah, daß die obgedachte Kittligin nicht am selben Tisch, sondern am Jungferntisch" plazirt wurde.

v. Schweinichen berichtet weiter, daß diese Dame ihm derohalben sehr gram geworden sei. Freilich hatte sie auch noch den weiteren Anlaß, daß Schweinichen keine ihrer Töchter heirathen wollte, was sie gern gesehen hätte.

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Auch berichtet Hans, daß er einmal Jahrmarkt verspielet" habe an die Jungfer Hese von Kittlig man denke an den Brauch des Viel­liebchen, der noch heute unter jungen Leuten im Schwange ist. Unglücklicherweise wählte Hans als " Jahrmarkt" einen Ring. Die Dame gab her= nach aus", er hätte ihr den Ring auf die Zu­sage", d. h. als Zeichen der Verlobung gegeben, ,, welches mir niemals in Sinn war kommen. Sie mußt aber leztlichen ganz und gar schweigen und konnte aus der Sache nichts machen, ungeacht daß sie mir gern auf dem Hals wär gewesen."

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Eines Tages geriethen IFG. in Ihrer argen Geldbedrängniß auf den famosen Einfall, den Hans von Schweinichen   nach England zu schicken, um die Königin zu werben und beineben um 50 000 Stronen zu leihen anzusprechen." Hans berichtet: Dero­wegen ich IFG. fragete, wie sie auf diese Narrheit geriethen, hätten IFG. doch zuvor ein Gemahl, welches die Königin wohl wüßte, wo wollten IFG. sie hinthun. Diese Reden gefielen IFG. nicht wohl, sageten zu mir: Du bist ein Narr; hat doch der Landgraf auch zwo Gemalin gehabt." Die medi­zinischen Gründe, welche Hans von Schweinichen  zur Erklärung jener kirchlich, evangelisch- lutherisch eingesegneten Bigamie ins Feld führt, und die sein Herr nicht für sich hatte, lassen sich nicht gut an= führen. Man mag sie in Schweinichens Dent würdigkeiten( Defterley, S. 113 ff.) selbst nachlesen.

In dieser, wie in mancher anderen Sache machte fich Schweinichen unstreitig wohlverdient um seinen fürstlichen Herrn, und man kann nicht umhin, den Freimuth des Hofmeisters wie seine Treue lobend anzuerkennen. Wenn ein solcher Tanz vorüber war und der Herzog sich zum Rechten hatte weisen lassen, ging ihm sein treuer Hofmeister, so lang er IFG. " Hummeln hatten", wohlweislich aus dem Wege, da Sie aber gemeinlich Ihren Zorn nicht lange an= hielten, wurden Beide bald wieder gnädiger Herr und gehorsamer Diener miteinander."

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Der Herzog wußte, was er an seinem lieben und getreuen Diener hatte, der es namentlich so gut verstand, die Stürme zu beschwören, wenn das Fürst­liche Liegnißischen Schuldenwesen aufwachte," wenn es galt, Gläubiger zu befriedigen oder zu vertrösten, oder neue Anleihen zu versuchen, etwas zu versezen oder zu verkaufen, um den dringendsten Bedürfnissen der Hofhaltung zu begegnen.

Bei dem Anschaffen von Geld und Geldeswerth gingen der Herzog von Lieguiz ebenso wie sein Nath

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und Hofmeiſter Hans von Schweinichen   nicht immer der sogenannte Schulmeister Deutschlands  .

allzu skrupnlös zu Werke. Lepterer trägt kein Be­denken, ein paar blinde Pferde für 150 Thaler an einen niederländischen Edelmann zu verkaufen, der offenbar zum Zwecke dieses vortheilhaften Handels erst tüchtig berauscht gemacht worden war( Oesterley S. 138). Dem höheren Stand angemessen sind die Manipulationen des Herzogs von Liegniß noch bei weitem bedenklicher als die seines Dieners, dessen Richtschnur in seinem fürstlichen Dienst ausgesprochen ist in den Worten Schweinichens: Denn wenn ich nur IFG. Geld aufbracht, es geschah auch mit was Mitteln es wollte, so hatte ich wohl gethan." Man sieht, IFG. gebraucheten" einer ziemlich weither­zigen Moral!

Auch für Ihre Person!

Daß IFG. fich höchst bereitwillig in französische  Dienste begaben, versteht sich bei der Landsknecht­und Reisläufermoral damaliger deutscher Reichs­und Reisläufermoral damaliger deutscher Reichs­fürsten ganz von selbst; mehrere Monate lang nahm IFG. höchst bereitwillig große Summen von der französischen   Krone, was dieselbe keineswegs abhielt, auch bei altkirchlich, also katholischen Fürsten, Herrn und Städten allerlei Pumpversuche zu machen.

Noch bedenklicher aber ist es, wenn JFG. ein Siegel des Schweinichen anfertigen lassen und wider dessen Willen Schuldverschreibungen auf dessen Namen unterfertigen und ihn dann nothdrängen, seinen Namen drunter zu setzen. Als Schweinichen einmal in großer Noth ein paar eigene Gäule für 80 Thaler verkauft hatte, lieh er den Erlös seinem gnädigen Herrn: hab sie mein Tag nicht wieder bekommen," heißt es am Schluß der Mittheilung dieser That sache. Dennoch: obwohl all mein Beschwer von IFG. Herzog Heinrich herfloß, dennoch konnt ich IFG. nicht lassen und warte allezeit der Besserung."

Diese Hoffnung erwies sich nichtig. Ebenso wie sein Herr Vater, der tolle Friedrich, ward sein wür­sein Herr Vater, der tolle Friedrich, ward sein wür­diger Sohn und Nachfolger auf kaiserlichen Befehl am 12. August 1581 zu Prag   gefangen genommen und fortan in Haft gehalten. Einen ausschlag­und fortan in Haft gehalten. Einen ausschlag gebenden Antrieb zu diesem Verlauf der Dinge gab die Maulschelle, welche IFG. Ihrer Gemahlin einst versezt hatten, die sich ihren Verwandten gegenüber beklagt hatte.

Kurz vorher hatte sich im selben Jahr unser Held verheirathet, und zwar mit dem Edelfräulein Marga­retha von Schellendorf, mit der er bis zum Jahre 1601 wirthschaftete. Nach dem uns erhaltenen Bilde Schweinichens war dieser nicht eben sonderlich schön und gerade Margaretha von Schellendorf urtheilte von ihm: Er bekommt wohl keine Edel( feine Ad­lige zur Frau), er ist viel zu greulich." Doch aber hat sie ihn genommen. Auch seine zweite Frau, die er furz nach Margarethas Tod ehelichte, war eine Adelige, Anna Maria von Kreiselwiß, die Hans überlebte.

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Nach seines Herren Gefangensetzung fühlte sich Schweinichen seines Dienstes entbunden und wirth­schaftete, da er das Familiengut Mertschiß, nament­lich wegen seiner Verwickelung in das fürstliche Schuldwesen nicht mehr halten konnte, auf gepach teten Gütern.

Als Herzog Heinrich gestorben war, söhnte sich dessen feindlicher Bruder, der bisher auch Schweinichen gegrollt hatte, Friedrich IV., mit dem treuen Diener des fürstlichen Hauses aus und erfuhr auch seiner seits von ihm alle nur denkbare treue Dienstleistung bis zu seinem Tode 1596.

Auch dem nächsten Fürsten Joachim Friedrich von Brieg diente Schweinichen als Hofmeister und fürstlicher Rath, doch ohne Zwang in Brieg   zu leben. Joachim starb 1602.

Sein Rath und Hofmeister Schweinichen überlebte ihn um 14 Jahre; Hans   starb am 23. August 1616.

Seine Denkwürdigkeiten, 1878 herausgegeben von Oesterley  , sind eine reiche Fundgrube für die Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts. Ebenso sein Merkbüchlein, in welchem er die von ihm geleiteten Hoffestlichkeiten beschrieben hat, und die Wutke, Berlin   1895, herausgegeben hat.

( Praeceptor Germaniae.)

( 3u Philipp Melanchthons Bilde.) Von Edgar Steiger  .

ie protestantische Kirche feiert am 16. Februar in allen Städten und Dörfern Deutschlands ben 400 sten Geburtstag Philipp Melauch­thous, und die protestantischen Staatsregierungen, allen voran Preußen, wetteifern mit der Kirche, den Freund und gelehrten Beirath Luthers in den ihrer Leitung unterstellten Schulen allerorten zu ehren. Melanchthonbücher und Melanchthonbildnisse sollen am Tage der Jubelfeier an die Schüler ver= theilt und Melanchthonbüsten aus Gips in allen Schulsälen aufgestellt werden. Tausende von Melanch thon- Reden werden den Begründer der protestantischen Dogmatik, den Humanisten und Philosophen der Lutherkirche, vielleicht auch da und dort den milden, nachgiebigen, weitherzigen Vermittler und Versöhner der zankenden protestantischen Sekten feiern, und wer sich unter unseren Theologen zum Dichter be­rufen fühlt, wird den Jubeltag kaum vorübergehen lassen, ohne seine Leyer zum Preise des praeceptor Germaniae zu stimmen.

Was aber das Seltsamste ist: während sich bei anderen kirchlichen Gedenktagen unserer Protestanten bald die, bald jene theologische Partei schmollend oder wenigstens mit sehr beredtem Schweigen in den Hintergrund zurückzieht, herrscht am Melanch­ thon  - Tage unter den Führern der verschiedenen protestantischen Kirchen im Festjubel und in der Begeisterung eine solche Einigkeit, als ob es in Deutschland   keine Lutherauer, keine Reformirten und feine Uniirten, als ob es keine orthodoren und keine liberalen Theologen mehr gäbe. Ja, es scheint geradezu, als hätte der in fich zerspaltene und zer­rissene Protestantismus den Melanchthon- Tag gerade dazu auserwählt, sich der katholischen Welt gegen­über einmal als eine einheitliche Kirchengemeinschaft zu zeigen.

Ich begreife das sehr wohl: so lange man das Wesen des Protestantismus nicht in der allmäligen Auflösung des alten Kirchenbegriffs, in der fort­währenden Kritik der kirchlichen Ueberlieferungen, in einer beständigen Bilderſtürmerei gegen einstmals ehrwürdige Autoritäten, in der Befreiung des Einzel­nen vom Druck einer ihm von außen her zugetragenen Lehre, mit einem Wort: in der Verinnerlichung der religiösen und, wo diese ersterben, der moralischen Vorstellungen erblickt, so lange werden die Protestanten, anstatt sich über den Spott ihrer katholischen Gegner zu freuen, immer wieder bestrebt sein, der Kirche eine Kirche, der Autorität eine Autorität, der ein­heitlichen Lehre eine einheitliche Lehre gegenüber­zustellen. Und keine Gelegenheit war günstiger, der katholischen Welt einmal geschlossen als protestantische Welt gegenüberzutreten, als die Melanchthonfeier.

Uus, die wir dem Treiben der kirchlichen Par­teien unserer Tage als nüchterne Zuschauer kühl bis ans Herz hinan gegenüberstehen, erscheint natür­lich eine geschichtliche Persönlichkeit wie Philipp Melanchthon   in ganz anderem Lichte, als Denen, die ihn feiern, und Denen, die ihn verkeßern. Wir werden keinen Augenblick anstehen, die Verdienste des protestantischen Humanisten um die Volksbildung oder, besser gesagt, Gelehrtenbildung seiner Zeit gebührend anzuerkennen. Und wir werden auch dem milden, versöhnlichen Charakter des Wittenberger  Professors, soweit er nicht blos Gelehrtenbequemlichkeit und Professorenzaghaftigkeit war, Gerechtigkeit wider­fahren lassen. Aber wir werden uns hüten, einen Mann, der bei aller Gelehrsamkeit, troß aller re­formatorischen Anstrengungen mit beiden Füßen im Mittelalter stecken blieb, als den Bahnbrecher einer neuen Zeit und den Bannerträger einer freieren Weltanschauung zu feiern.

Philipp Schwarzerd oder, wie er sich später ins Griechische übersetzte, Melanchthon, wurde am 16. Februar 1497 als Sohn des pfalzgräflichen Waffenschmieds zu Bretten   in der Pfalz   geboren. Mit zehn Jahren schon verwaist, fam er nach Pforz= heint in das Haus seiner Großmutter, die eine