Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

gekommen, sie versaure ja vollkommen, und sie wäre doch noch jung, sie wolle auch' was von dem Leben haben und sehen.

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, Aber, Lies, wir sind doch erst letzten Mittwoch im Theater gewesen! Na, Lies, wenn es Dir Vergnügen macht, begleite mich heute Abend. Montag traf ich einen alten Bekannten, rath' mal! Eugen, Eugen Salle, und der bat mich, ich solle doch heute Abend in den Verein Novania kommen. Da ist, ich glaube, Berathung, Unterhaltung, Tanz und sonst noch was, Mord und Todtschlag! Eugen ist nämlich Obermime in der, Novania', Du kennst doch noch Eugen Salle?"

Tanz! Tanz! Ei, das ist ja famos! Gott , wie lange habe ich nicht getanzt!!!" jubelte Lies und fiel mir um den Hals.

,, Na, na, so vergnügt, kleine Schmeichelkaze?" und ich küßte sie so verliebt ab, wie am ersten Tage unserer ungesetzlichen Ehe.

( Fortsetzung folgt.)

Wilhelm Weifling, der Schneidergeselle von Nagdeburg.

Ein Lebensbild aus der deutschen Arbeiterbewegung. Von Konrad Haenisch .

( Schluß.)

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uch publizistisch war Weitling in eifrigster Weise für seine Sache thätig, einmal durch Korrespondenzen an die verschiedensten Blätter, sodann durch die Herausgabe eigener Propaganda­Organe. Schon im September 1841 erschien die erste Nummer vom Hülferuf der deutschen Jugend": Auch wir Arbeiter," hieß es dort, wollen uns in die Reihe der für den Fortschritt Arbeitenden drängen. Auch wir wollen eine Stimme haben in den öffentlichen Berathungen über das Wohl und Wehe der Menschheit; denn wir, das Volk in Blousen, Jacken, Kitteln und Kappen, wir find die zahlreichsten, müßlichsten und kräftigsten Menschen auf Gottes weiter Erde. Auch wir wollen eine Stimme erheben für unser und der Menschheit Wohl, damit man sich überzeuge, daß wir recht gut Kenntniß von unseren Interessen haben, und ohne von lateinischen, griechischen und kunstgemäßen Aus­drücken aufgeschwollen zu sein, recht gut, und zwar auf gut deutsch zu sagen wissen, wo uns der Schuh drückt. Auch wir wollen eine Stimme haben, denn wir sind im neunzehnten Jahrhundert und haben noch nie eine gehabt. Auch wir wollen eine Stimme haben in der öffentlichen Meinung, damit man uns kenne lerne, denn man hat uns bis jetzt wahrhaftig immer verfanut. Auch wir wollen eine Stimme haben, damit wir unserem gepreßten Herzen Luft machen und unsere gerechten Slagen hinaufdringen in die Ohren der Gewaltigen."

Nachdem vier Monatshefte dieser Zeitschrift in Genf zuerst, darauf in Bern erschienen waren, gab Weitling das Blatt vom Januar 1842 an in Verey, wohin er übergesiedelt war, unter dem neuen Titel Die junge Generation" heraus.

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Neben dieser auf die mündliche und schriftliche Propaganda und Organisation gerichteten Thätigkeit vernachlässigte Weitling die kommunistische Theorie, der Herausarbeitung und Vervollkommnung seines Systems feineswegs. Bildete dieses doch, wie bei allen Utopiſten, das Evangelium, auf das die Gläu= bigen eingeschworen wurden, von dem abzuweichen als Verbrechen galt. Niemandem kann es ferner liegen, als uns, Weitling und seine Anhänger durch diese Worte lächerlich machen zu wollen; wir wissen, daß sein großes Verdienst, der erste deutsche Theo­retiker des Kommunismus geworden zu sein, feineswegs geringer anzuschlagen ist, als jenes andere, daß er der erste praktische Agitator der Be­wegung wurde.

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ein Be

Unter all den Mühen der beruflichen und agita­torischen Kleinarbeit des Tages entstand weis der ebenso bedeutenden wie vielseitigen Arbeits­fraft unseres Schneidergesellen im Jahre 1842 Weitlings werthvollstes Buch, die, Garantieen der Harmonie und Freiheit, das, sein theoretisches

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Hauptwerk, im Dezember bei Michod in Vevey ver öffentlicht wurde. Es ist hier nicht der Ort, die öffentlicht wurde. Es ist hier nicht der Ort, die hohe Bedeutung dieses Werkes, das, wie Heine ein­mal sagt*, lange Zeit der Katechismus der deutschen Kommunisten war, eingehend zu charakterisiren; für unseren Zweck genügt es, auf jenes bekannte Urtheil hinzuweisen, das kein Geringerer als Karl Marr über das Buch gefällt hat, und das, wenn es auch schon viel zitirt ist, doch auch in dieser Skizze nicht fehlen darf.** Nachdem er Weitlings Schriften als " genial" bezeichnet und sie als in theoretischer Beziehung oft selbst über Proudhon " hinausgehend Beziehung oft selbst über Proudhon " hinausgehend charaterisirt hat, fährt er fort: Wo hatte die Bour­geoisie, ihre Philosophen und Schriftgelehrten einge­rechnet, ein ähnliches Werk wie Weitlings ,, Garantieen der Harmonie und Freiheit" in Bezug auf die Eman­zipation der Bourgeoisie die politische Emanzipa­tion aufzuweisen? Vergleicht man die nüchterne, fleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Literatur mit diesem maßlosen und brillanten Debut der deutschen Arbeiter; vergleicht man diese riesen­haften Kinderschuhe des Proletariats mit der Zwerg­haftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der Bourgeoisie, so muß man dem deutschen Aschenbrödel eine Athletengestalt prophezeien."

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Der Druck des Werkes war nur unter enormen Opfern möglich gewesen; zirka 300 Arbeiter trugen die gesammten Kosten, ihrer Vier gaben ihr ganzes " Vermögen" von 200 Francs dafür her. Der Er­folg war bedeutend: Die erste in nicht weniger als 2000 Eremplaren gedruckte Auflage wirkte unter den deutschen Arbeitern faszinirend; nach wenigen Jahren machte sich der Druck einer zweiten und dritten Auflage des Buches nothwendig, das bald ins Norwegische, Englische und Französische über­setzt wurde.

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Nach Vollendung dieser Arbeit machte sich der un­ermüdliche Weitling an die Abfassung eines neuen, sehr interessanten Werkes: Das Evangelium eines armen Sünders". In mehr als hundert Bibelstellen sollte in diesem Buche bewiesen werden, daß die kühnsten Folgerungen der freisinnigen Ideen ganz im Einklang mit dem Geiste der Lehre Christi sind".

Diese Ankündigung mußte allgemein frappirend wirken, und sie wirkt auch in der That so, vor Allem natürlich auf die Frommen im Lande, deren Häupter, die da im Zürcher Kirchenrath saßen, nichts Eiligeres zu thun hatten, als gegen den Prospett des Werkes, den Weitling mit einer Inhaltsübersicht versehen, verbreiten ließ, ein niedliches Denunzia­tiönchen wegen tiönchen wegen Gotteslästerung" bei der Zürcher Staatsanwaltschaft einzureichen. Der konnte nichts gelegener kommen; längst schon hatte man die eben so energische wie erfolgreiche Thätigkeit des kühnen Agitators mit wechselndem Mißtrauen betrachtet.

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Auch hatte es nicht an allerlei Vorzeichen eines nahenden Sturmes gefehlt. Im Frühjahr 1843 war Weitling gegen den Rath seiner Freunde nach Zürich übergesiedelt, troß der erhöhten Gefahr, die ihm und seiner Thätigkeit hier am Siz und unter den Augen der Bundesregierung drohte, meinte er doch, von hier aus vor Allem auch die Agitation nach Deutschland selbst hinein mit noch größerem Erfolge als bisher betreiben zu können. Damals hatte man in dem führenden Organ der Konserva­tiven, der Allgem. Schweizer Zeitung", gedroht: Herr Weitling fann versichert sein, daß für sorg­fältige Ueberwachung jedes Schrittes, den er thut, gesorgt ist!" Dasselbe Blatt erklärte die Kommu­nisten, offen für Mörder, Räuber und Plünderer.

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So bedurfte es nur noch eines Funkens, um das Pulverfaß zur Explosion zu bringen: der Ver­dacht der Gotteslästerung war dieser Funke. Von einer im Gasthof 3um Pfauen" abgehaltenen Ver­sammlung des Zürcher Arbeitervereins heimkehrend, wurde Weitling in der Nacht am 8. Juni 1843 von Polizisten überfallen und verhaftet. Es folgten Haus­suchungen bei ihm und bei dem Drucker des Evan­geliums"; bei dieſem fand man das Manuskript zu den drei ersten Bogen des Werkes, während in Weit­lings Wohnung seine gesammte, sehr umfangreiche lings Wohnung seine gesammte, sehr umfangreiche

Heinrich Heine , Geständnisse".

** Borwärts". Pariser deutsche Wochenschrift 1844.

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Korrespondenz in die Hände der Polizei fiel. Ez ist bekannt, daß nun jene berühmte fünfgliedrige Kommission zur Untersuchung sämmtlicher kommu­nistischer Umtriebe in der Schweiz " eingesetzt wurde, deren durch Bnntschli verfaßter sehr ausführlicher Bericht nachher so vorzügliche Propagandadienste für den Kommunismus leistete.

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So wenig aber die Verfolgungen der Sache schadeten, so schwer trafen sie den Einzelnen. Nach länger als vierteljähriger Untersuchungshaft wurde Weitling am 16. September vor Gericht gestellt und und wegen Gotteslästerung und Angriffs auf das Eigenthum" zu sechs Monaten Gefängniß und lebens­länglicher Ausweisung aus der Schweiz verurtheilt, einen Spruch, der das Obergericht, an das Weit­ling appellirte, auf zehn Monate erhöhte; bei dem Ausweisungsbefehl blieb es.

Während seiner Haft scheint sich unser Agitator ziemlich ungebührlich" betragen zu haben, wenig­ſtens mußte" er mehrmals disziplinarisch bestraft werden. Nach seiner Freilassung beabsichtigte er nach Amerika auszuwandern, die Regierung bestand jedoch darauf, ihn seiner angestammten", also der deutschen Polizei, auszuliefern. Hiergegen wehrte sich Weitling aus Leibeskräften so wenig Anhäng­lichkeit hatte er der theuren Heimath bewahrt!

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Ueber die Szenen bei dieser Abschiebung, die am 21. Mai 1844 erfogte, entnehmen wir einem Be­richte des Pariser Vorwärts" Folgendes:" In aller Frühe wurden die Anwohner des Zürcher Arrest­hauses durch ein von der Straße kommendes Ge­schrei aus dem Schlafe geweckt. Helft mir!" rief es, ich bin Weitling. helft mir! Man will mich an die deutsche Polizei ausliefern!" Die Leute, die ans Fenster eilten, sahen einen Menschen auf den Boden liegen, welchen die Zürcher Gendarmen weder durch Fußtritte, noch durch Kolbenstöße zum Gehen zu bringen vermochten. Weitling wurde in das Ge­fängniß zurückgebracht. Sein Hülferuf verstummte bald. Man hörte nur noch ein klägliches Wimmern und das Klatschen eines Züchtigungsinstrumentes. Man hatte dem Opfer der Gerechtigkeit den Mund mit einem Taschentuch verstopft! Unterdessen war eine Kutsche vor dem Arresthause angelangt; den Mund verstopft und an Händen und Füßen gefne­belt, wurde Weitling in einen verschlossenen Wagen Alles, geschleppt. Er drückte die Wagenfenster ein Alles war vergebens, der Wagen rollte sammt dem Gefangenen fort."

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Einige Mittheilungen über Weitlings Aeußeres seien hier eingeflochten! Der Russe Anoinkow schildert Ein uns den Agitator folgendermaßen: hübscher, blonder, junger Mann in einem etwas stuzerhaft geschnittenen Röckchen, mit kokett gestuztem Bärtchen; er glich eher einem commis voyageur, als dem finsteren, verbitterten, von der Last der Arbeit und des Gedankens niedergedrückten Arbeiter, als den ich ihn mir vorgestellt hatte." Und in einer 1843 polizeilicherseits ausgestellten Personalbeschrei­bung heißt es: Größe: 5 Fuß 7 Zoll Hamburger Maaß. Statur: schlank. Haare: dunkelblond. Stirn: frei. Augenbrauen: blond. Augen: blau. Nase und Mund: gewöhnlich. Bart: schwarzbraun. Kinn: be­haart. Gesicht: oval. Gesichtsfarbe: gesund.

Durch Vermittelnng der badischen Behörden wurde Weitling an Preußen ausgeliefert und hier charak­teristischer Weise nicht etwa als gefährlicher Staats­verbrecher, sondern als-- Militärflüchtling in Gewahrsam genommen. Was hätte es in den Augen Königlich preußischer Behörden auch Schlimmeres noch geben können, als gerade dies Delikt! Wegen Dienstuntauglichkeit gab man jedoch den Sünder bald wieder frei.

Bei Hoffmann und Campe in Hamburg , wohin er sich nun wandte, ließ Weitling seine während der Zürcher Haft entstandenen Kerkerpoesien" erscheinen, die freilich nichts weiter bewiesen, als daß Weitling kein Dichter war.

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Damals, im Jahre 1844, war es auch, als jenes bekannte Zusammentreffen zwischen Weitling und Heinrich Heine stattfand, das dieser in seinen Geständnissen" schildert. Man kann die Gefühle verstehen, die den zartbesaiteten Dichter ergriffen, als ihm unser Schneider von den Ketten erzählte,