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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

knechte durch den letzten Ritter, Kaiser Maximilian I.  ( 1487), war dasselbe der Fall bei den schweizer  Söldnern oder Reisläufern. Ueber diese bemerkt unser eben angeführter sachverständiger Gewährs­mann, in Uebereinstimmung mit allen uns bekannten Quellen und Forschungen: Zunächst durch Vertrag mit Hauptleuten von Ruf, dann, von 1480 ab,* meist durch Vertrag mit der schweizer Regierung gewonnen, blieben diese Söldlinge jederzeit Schweizer  ", lands­mannschaftlich und genossenschaftlich zusammen­gehaltene Truppenförper. Durchweg war die Militär­justiz der Schweizer  , ob sie Frankreich  , Spanien  , Neapel  , dem Papste oder sonst wem dienten, eine selbstständige, durch Verträge geschüßte. Sie hatten eigene Justizoffiziere, eigene Gerichtsverfassung und eigenen Prozeß."

Bei einem schweizerischen Söldnerheer kam also zu dem besonderen Standesbewußtsein, das immer und allezeit den waffentragenden Kasten, Klassen und Gesellschaftsorganisationen irgendwelcher Art eigen war und heute noch ist, der besondere Nationalstolz auf den in aller Welt verbreiteten Kriegsruhm der Schweizer   als solcher hinzu, von dem die Lieder des 14. und 15. Jahrhunderts so viel singen und sagen. Wichtig ist der Umstand, daß diese fremden

* Der letzte Rest der schweizer Reisläuferei ward erst 1859 von der schweizer   Bundesversammlung beseitigt.

Söldner sich bewußt waren, daß sie mit dem sie miethenden Fürsten  , dem obersten Kriegsherrn natio­nal und politisch in gar keinem Zusammenhang standen, wenn auch z. B. noch am 9. und 10. August 1792 die Schweizer   Ludwigs XVI. treit bis zum leztem Athemzug ihr Blut mit aller schweize rischen Tapferkeit versprißten. Es war diese Treue gegen ihren Soldherrn bedingt durch die gegen ihre eigentliche Regierung in der Heimath, die schweizerische.

Noch ein Umstand kommt hinzu, der im 14. bis 16. Jahrhundert die Söldnerheere zu schwimmenden Rechtsinseln im Staate eines kriegführenden Herrn machte. Landsknechte, wie schweizerische und andere Söldner wurden meist nicht unmittelbar von den friegführenden Fürsten oder Regierungen in Sold genommen, sondern von Spekulanten in Krieg", die durch Tapferfeit, Glück und Kriegsgeschick ein besonderes Ansehen genossen.

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Diesen Werbeherren, italienisch Condottieri, zahl= ten den Söldnern den Sold, natürlich nicht ohne von den von der kriegführenden Regierung erhaltenen Summen ein wenig Unternehmergewinn, jedenfalls ihren persönlichen Unterhalt und Aufwand abzuziehen. Ihnen zunächst waren die Söldner persönlich und wirthschaftlich verbunden und abhängig, und mit ihnen wechselten die Söldlinge, falls bessere Aus­sicht, höherer Lohn usw. winkten, ohne Gewissens beklemmung die Partei.

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Rus dem Papierkorb der Leil

Dieses Gefühl der Losgelöstheit von dem Kriegs­Herrn, von dessen Volk und Staat und dessen Ein­richtungen, förderte wesentlich das besondere Standes­gefühl der Krieger, und war nicht nur bei dem gemeinen Söldner, sondern aus naheliegenden Grün­den gewiß in noch viel höherem Grade bei dem Offiziersstab des Söldnerheeres vorhanden. Es blieb auch so bei den Landsknechten deutscher Abkunft zu Marimilians Zeit und nachher.

Wenn jeder gemeine Söldner sich als etwas Besonderes wußte allen den Bürgern des Staates gegenüber, dem er augenblicklich diente, mußte dies bei den über ihnen stehenden Offizieren in der That noch stärker der Fall sein. Es ist uns nicht zweifel­haft, daß die Sonderehre der Offiziere zwar zum Theil auf ihrer persönlichen sozialen Höherstellung im Volksverband zur Friedenszeit beruht, aber im Kriegslager der Söldnerheere ganz wesentlich ent­wickelt und ausgebildet wurde.

Es ist nicht meine Aufgabe, des Näheren dar­zulegen, wie adelige Anmaßung und Landsknechts­hochmuth auch in den späteren Jahrhunderten für die Fortdauer der Duellunfitte den geeigneten Nähr­boden geliefert haben. Es war hier nur die Frage nach dem muthmaßlichen aber sicher undeutschen Ur­sprung dieses Unwesens, so weit wie es möglich ist, zu beantworten.

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Mühle im Frühjahr.( Zu unserem Bilde.) End­lich endlich hat die Erde die starren Fesseln zerbrochen, die ihr der Winter, der kalte, grausame Tyrann auf Monate aufgezwungen hat. Aber jetzt ist er vertrieben endlich hat Mutter Erde die Hände frei und dehnt sich, streckt sich neuem Leben, neuem Lieben entgegen. Die Bäume und Sträucher haben ihren weißen Winterpelz aufs Leihhaus getragen und oben und unten, an allen Zweigen und Zweiglein regt sich ein neuer Saft. Neck wagen sich die grünen Spißchen hervor und gucken neu­gierig in die Welt, in der sie in wenigen Monaten als volles, schattenspendendes Laubdach den Menschen die allzutheuren Sonnenschirme sparen. Und überall und überall fegt er herum, der tolle Junge, Lenz genannt; nicht allein in der Großstadt bläht er sich auf, den lungernden Spießern den Hut von der Stirn zu jagen, des Großstadtlebens satt zieht er hinaus aufs Land, auch dort den leßten weißen Flocken hinwegzublasen, dem Leben, dem Frühling, dem kräftigen, muthwilligen Sich­Ausleben den Weg zu bereiten. Und auch in den einsamen Waldwinkel ist er gedrungen, in dem die un­ermüdliche Mühle nun bald sechs Monate gestreift hat. Aber jetzt geruht sie die Arbeit wieder aufzunehmen; die legten Eisrinden sind verthaut, reich und reicher stürzen die Wassermengen über das große Rad und treiben es unwillkürlich zu neuer Arbeit an. Schneller, schneller", schnattern die Gänse, die sich zum ersten Frühlingsforso eingefunden haben und wissen, daß es in früheren Zeiten, daß es zu ihrer Zeit viel schneller ging." Ja, ja" " zu unserer Zeit" schnattern sie unter sich zu unserer Zeit" aber, aber Frau Böttichern hat gesagt, die Mühle müßte jeßt langsamer gehen."

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Der naturwissenschaftliche Beobachter.

Die Verwendung des Gasglühlichtes, das sich in den letzten Jahren so außerordentlich verbreitet hat, hat nun endlich eine Erweiterung erfahren, nach der man so lange vergeblich gesucht hatte. Zuerst nur bei Leuchtgas  angewendet, wo der Glühförper( Strumpf) von einer schon vorhandenen Luftmischung gespeist wurde, war es von Anfang an das Bestreben der Techniker, unser flüssiges Leuchtmaterial, das Petroleum, zur Erzeugung des Glühlichtes zu benußen. Das Petroleum erfreut sich seiner Billigkeit und Transportfähigkeit wegen einer Beliebtheit, die vom Tage seiner Einführung der, weiten Verbreitung dieses brennenden Wassers" in einem Maaße förderlich war, daß es schwerlich heute( erst 38 Jahre seit dem Beginn der Ausbeutung in Nord­ amerika  , es war nämlich schon früher bekannt) irgendwo nicht gefunden werden könnte. Es galt das Petroleum, wenn es für Gasglühlicht brauchbar sein sollte, leicht in gasförmigen Zustand überzuführen. Diese Aufgabe konnte bisher nicht gelöst werden. Stellte sie doch an

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das Petroleum Anforderungen, die den geraden Gegen satz zu den bisherigen bildeten. Gutes Petroleum für eine Petroleumlampe darf erst bei 430 Grad Celsius brennbare Dämpfe abgeben und soll ohne Docht gar nicht brennen. Das Erd- oder Steinöl, wie man es fand, mußte bisher zuerst raffinirt, d. h. einem Reinigungs­prozesse unterzogen werden, dessen vornehmstes Neben­produkt das bekannte Benzin ist. Da in der Noth der Teufel bekanntlich Fliegen ißt, so griff man für die Speisung von Glühstrümpfen zu einem anderen, weit verbreiteten, flüssigen Brennmaterial, das sich selbst in den dampfförmigen Zustand umwandelte, zum berüch­tigten Alkohol. Unsere preußischen Schnapsjunker sahen schon eine neue Aera heranbrechen, wo ihrem Fabrikat dieses ebenso ungeheure wie ungeahnt große Absatzgebiet winkte. Aber es tam anders. Ein Ingenieur Lukas ( Berlin  ) hat eine Petroleumgasglühlichtlampe( welch ein Wort!) erfunden. Sie ist noch nicht im Handel. Nach den Berichten beruht ihr Prinzip darauf, daß zu dem erwärmten Petroleum reichlich atmosphärische Luft zu­geführt wird, was die schnelle Vergasung des Petroleums ermöglichen soll. Das ungenügend raffinirte russische Petroleum eignet sich für die Lampe besser, als das amerikanische. Die Kosten sollen sich, auf den gleichen Lichteffekt bezogen, auf ½s der bisherigen Nuzungsweise des Petroleums belaufen.

Schnihel.

Hippokrates.

Der Tag beginnt, und wieder mußt Du wandern Jns altgewohnte Joch nach Deinem Brot; Du hörst im Schmerzenssang der Andern

Das Echo nur der eigenen Noth.

Ach, was Du denkst, ist Zahl und Maß und Wage, Ach, was Du treibst, ist Trug und Streit, Die Plage theilt sich mit der Klage Erbarmungslos in Deine Zeit.

Karl Beck  .

Die Wahrheit. Allmächtig ist der Wahrheit Schimmer, Die Geister unterdrückt ihr nicht! Dreht an der Pflanze, dreht nur immer, Es kehrt sich jedes Blatt zum Licht.

Als Wegzehrung. Gott   weiß, Du bist ein braver Junge, Und neune solcher machen zehn. Dein Herz ist nie wie Deine Zunge, Und schwerlich wirst Du untergehu. Du wagst noch niemals eine Lanze, Und singst von Liebe nur und Lenz, So zieh denn hin, mein Freund, und tanze Den Eiertanz der Konvenienz. A. Holz.

Undank.

Wunderts Dich, daß Du vergessen bist, Und daß sie Dir nicht mehr Vivat schreien? Wenn jeder Einzelne undankbar ist, Wie soll ein Publikum dankbar sein? Das Leben hat sich nicht genug vertheuert, So lang die Luft noch unbesteuert.

Erkenne.

Ed. Bauernfeld.

Erkenne dein Schiboleth,* neue Welt, Die Macht, die alle früheren bezwungen. Dort zieht es hin, von dem Gewinn geschwellt, Der zu erringen ist, und der errungen.

So zieht, die Hände in den Taschen drin, Sein Bäuchlein schleppend durch der Straße Mitten, Zur Börse hin

Der Handelsherr mit Triumphator- Schritten, Und rechnet unterwegs geschickt im Sinn, Wie viel der legte Sieg ihm eingetragen, Und was er für die nächste Schlacht darf wagen. Fr. Dingelstedt.

* Oder Schibboleth, Erkennungswort, Losung. Dieses Wort ließen die von Jephta   geführten Gileaditer nach ihrem Siege über die Ephraimiten Jeden sprechen, der eine der von ihnen befeßten Jordanfurten überschritt( das Wort bedeutet selbst: Furt, Stro­mung), an der Aussprache: Sibboleth erkannten sie den Ephrai­miten und machten ihn nieder.

Räthsel- Ecke.

Silben Räthsel.

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Aus nachstehenden 41 Silben: bach, da, da, den, e, e, eb, el, fen, ga, ge, ge, gi, gra, ha, ha, laus, le, lef, mag, mus, na, nau, ne, ne, ner, o, or, pa, ran, re, reb, schen, tic, tis, tro, ver, vol, wald, wot, zel sind 12 Wörter zu bilden, deren Anfangs- und Endbuchstaben von oben nach unten je einen gefeierten Sänger des Proletariats nennen. Die einzelnen Worte bedeuten: 1. Spanische Provinz. 2. Sagenhafte Wesen. 3. Ge­birge in Deutschland  . 4. Eine Waffe. 5. Eine Blume. 6. Wetterbeobachtungsstation. 7. Physikalischer Begriff. 8. Schädliches Insett. 9. Kleiner Ort in Böhmen  . 10. Schriftstellerin. 11. Ein Thier. 12. Stadt im Elsaß  .

Auflösung des Räthsels in Nr. 11:

Erb

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en.

Nachdruck des Inhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Edgar Steiger  , Leipzig  , Oststr. 14, richten.

Verantwortl. Redakteur: Edgar Steiger  , Leipzig  . Verlag: Hamburger Buchdruckerei u. Berlagsanstalt inter& Co., Samburg.- Druck: Max Bading, Berlin  .