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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
ihnen während der Nacht zu wiederholten Malen. Aber keiner sprach ihn aus; Jeder scheute sich vor dem Entschluß, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Sterben wollte weder Hassan noch Omar.
Mit unklaren Gedanken sahen die Freunde den Morgen herandämmern. Sie betrachteten sich mit scheuen Seitenblicken. In ihren Mienen lagerte die peinigende Frage: Wer soll siegen, wer soll sterben? Eine Antwort darauf wußten sie nicht. Sie sahen bald auf das finstere Gesicht ihres Hüters, bald in die leuchtend aufsteigende Sonne, die unerbittlich das Herannahen des Wettkampfes verkündete.-
Der Tag hatte begonnen, das Zeichen war gegeben. Stumm, mit feſtgekniffenen Lippen, flogen die Genossen über die sandige Straße, dicht aneinander gedrängt, in immer gleicher Linie, Keiner um eines Haares Breite vor oder zurück. In unheimlicher Haft, als liefe der Tod hinter ihnen drein, huschten sie, ihre langen Schatten nach sich schleifend, gespensterhaft unter der glühenden Sonne dahin.
Menschenleer war es ringsum. Nur hin und wieder tauchte einer von des Sultans Reitern hinter einem Gebüsch auf, schwang die blizende Lanze über dem Haupt und verschwand, als hätte ihn die Erde verschlungen.
Hassan und Omar athmeten schwer. Ihre Augen glänzten fieberhaft. Kein Wort kam ihnen über die Lippen, nur manchmal trafen sich ihre Blicke mit einem fast feindseligen Ausdruck.
Rückwärts in weiter Ferne lag die verlassene Hütte und vor ihnen dehnte sich die endlos scheinende Steppe. Kein Merkmal verkündete das Endziel ihres Laufes.
Plößlich griff Hassan nach Omars Arm.
„ Laß uns etwas ruhen, Bruder," feuchte er mühsam aus trockenem Munde.
Omar hörte nicht darauf.
Hassan zerrte heftiger an des Kameraden Arm. " Ich hab Dich immer lieb gehabt, Bruder,"
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Der Nesträuber.( Zu unserem Bilde). So, nun tann der Spaß losgehen. Vater ist ausgegangen und Mutter hat in der Küche zu thun. Das ist die richtige Zeit für den kleinen Friz, der mit verschmißtem, überlegendem Gesicht in der Stube steht und über einen neuen Streich nachsinnt. Man sieht es seinem unternehmenden, breiten Rangengesicht an, daß er keine Gefahr scheut und das Lügen nach den Noten versteht. Er weiß auch aus Erfahrung, daß seine Streiche fast immer schief gehen und daß das Finale die väterlichen Prügel sind. Aber was schadet das ihm, an Prügel ist er gewöhnt, die sind gleichsam wie Dokumente seiner Thätig. keit, und er würde sich kränken, wenn ein Tag ohne Prügel verliefe. Aber heute halt, jezt hat ers. Unten auf der Wiese, gleich hinterm Garten ist ein Krähennest. Schon oft ging Friz mit schielenden Bliden daran vorüber und ärgerte sich, daß immer die Alte brütend in dem Neste saß. Seit einigen Tagen aber hat sich das geändert. Nun fliegen die Alten den ganzen Tag ab und zu und die Kleinen mit den großen, nackten Köpfen freischen hungrig in die Welt hinaus. Das ist das Arbeitsfeld des fleinen Friz. Im Nu ist er im Garten und über den Zaun. Richtig! Eben fliegt der Alte fort. Nun flint ans Wert. Auf das Klettern versteht er sich, und plöglich hängt der muthige kleine Räuber zwischen Himmel und Erde,- da was war das? Ein Zischen und Sausen hinter ihm und ein heftiger Schmerz in jener Gegend, die sehr empfindlich gegen Hieb und Stich ist. Das ernste, feierliche Gesicht des kleinen Räubers verzerrt sich zu einer entsetzlichen Fraze. Heulend hängt Räuberfrige nun zwischen Himmel und Erde und bietet hilflos seine Rückfassade der Rache des großen, zornigen Vogels dar, dessen Schnabel noch empfindlicher zu treffen weiß, als die alte, abgearbeitete Ruthe des Vaters. Wenn er dann mit Ach und Krach wieder am Boden angelangt sein wird an diese erste Entdeckungsfahrt in die Höhe wird Friz noch lange denken.
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Friedrich der Große und das Duell. Der genannte preußische König bezeichnet das Duell als begründet auf Vorurtheil, falschen Meinungen, falsch aufgefaßtem Ehren
zweiflung. Seine Geschmeidigkeit errang ihm einen Vortheil über den erschöpften Gegner und schon glaubte er der eisernen Umarmung entschlüpft zu
fuhr er fort;„ ich hab Dich beschützt mit meiner starken Kraft, daß Dir kein Leid geschah Dein Lebelang." Omar wich etwas zur Seite, Hassan jedoch sein, als Hassan blizschnell nach seinem Messer flammerte sich an ihn.
"
Aus Dankbarkeit, Omar, und weil Du der Jüngere bist, solltest Du zurückſtehen!"
Omar sah mit großen Augen auf ihn.. „ Ich bin der Jüngere," erwiderte er, und habe länger zu leben. Du verlierst weniger."
„ Aber Du hasts verschuldet, indem Du gestürzt bist vor des Sultans Noß," fuhr Hassan erregter fort und hing sich schwer an des Anderen Arm. Omar versuchte sich zu befreien.
Du jedoch hasts begonnen," entgegnete er scharf, so mußt Du die Folgen auf Dich nehmen!" Um Hassans Mund legte sich ein böser Zug. " Omar," sagte er mit heiserer Stimme,„ ich habe quälenden Durst; verweile hier, bis ich denselben gestillt und wieder bei Kräften bin. Hörst Du nicht, Omar?"
Dieser drängte mit fiebernder Haft vorwärts. Hassan klammerte sich mit ganzer Straft an ihn; sein Gesicht verzerrte sich, sein Athem teuchte in furzen Stößen zwischen den farblosen Lippen hervor.
Du mußt zurückbleiben, Omar," rief er fast schreiend.„ Ich, als der Aeltere, habe das Recht, zu siegen! Hörst Du, ich will! Ich will!"
,, Laß mich los, Bruder," flehte Omar ängstlich; ich bin noch so jung und fann nicht sterben!" Hassan brüllte wild auf.
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Und ich will nicht sterben, Knabe, verstehst Du ich will nicht!" Mit beiden Armen um= schlang er den Genossen und suchte ihn niederzudrücken. Seine Augen funkelten wie die eines gereizten Tigers. Röchelnd widerholte er:„ Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben!"
Omar wehrte sich mit der Kraft der Ver
Nus dem Papierkorb dereit
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punkt, barbarischen Morden, falsch angebrachtem Ehrgefühl, das so vielen wackeren Leuten das Leben gekostet habe, von denen das Vaterland die größten Dienste zu hoffen berechtigt gewesen sei". Die Duellanten nennt er ,, eine Sorte von Mördern"( espèce de meurtriers). Dem Umstand, daß ein wegen Duellverweigerung ausgestoßener Offizier in ganz Europa keinen Dienst mehr fand, wollte er begegnen. Durch den Beschluß eines allgemeinen Fürstenkongresses müsse man die Uebertreter der Duellverbote in Verruf erklären( attacher un deshonneur) und dieser Gattung von Mördern jedes Asyl verweigern.
In einem französischen Gedicht:„ Ueber Bethätigung von Muth in dem wahren Ehrenpunkt" flagt er über den Blutdurst des Geiers, der die Taube zerfleische und fährt dann fort: aber ihr, o Preußen, ihr seid alle Brüder! Achtet eure Heerde, eure Ahnengötter, eure Väter, diese geheiligten, Allen gemeinsamen Interessen, zügelt eure Wuthanfälle, haltet ein mit Raufen! Diese Erde, ihr Unmenschen, die euer Vaterland ist, sieht sich mit Entsetzen von eurem Blut geröthet."
Syrische Ecke.
Trinklied.
Von Emil Hauth.
Stoßt an, Genossen!
Und schäumt auch kein Seft im Glas, Und schimmert kein Rheinwein im Glas, Trinkt unverdrossen!
Rauh ist der Wein, der im Glase uns blinkt, Rauh ist die Arbeit und rauh sind wir,
Und rauh ist der Kampf, der von ferne uns winkt Mit des Mammons Macht, mit des Goldes Gier. Stoßt an!
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griff und es dem Freunde tief in die Brust stieß. Omar brach lautlos zusammen. Nur ein matter, schmerzlicher Blick fiel auf den Kameraden, der zu seinem Mörder geworden; dann hörte sein Leben auf.
Einen Moment stand Hassan starr wie eine Bildsäule vor dem Todten, dann brach er in ein heiseres Lachen aus, schleuderte das blutige Messer weit von sich und lief in toller Eile die Straße entlang, dem ersehnten Ziele entgegen.
Fern schimmerte die Kuppel von des Sultans Schloß. Hassan stieß ein Freudengeheul aus und jagte mit Windesschnelle darauf zu. Seine Augen waren glanzlos, sein Gesicht fahl wie die Erde.
Am Thore angelangt, nahmen ihn einige Diener in Empfang und führten ihn vor den Sultan, zu dessen Füßen er stöhnend niedersank.
: ,, Du also bist's, dessen Lebenslust stärker war als die Freundschaft," begann der Herrscher und streckte sich behaglich auf den Divan.„ Ich habe das nur prüfen wollen und sehen, wie fest das Band hält, das Euch zusammengekettet. Du hast es zerrissen und Deinen Bruder besiegt. Das sei ihm Strafe genug. Gehe hin und verkünde ihm, daß ich Gnade üben und ihn am Leben lassen will. Er sei frei wie Du. Kehrt zurück in Eure Hütte und lebt in Frieden. Und Du sich zu, daß Du gut machst durch doppelte Treue, was Du durch Deinen Sieg an ihm verschuldet.
"
Hassan starrte mit irren Blicken auf den Sultan und lachte heiser.
Dieser winkte ungeduldig, daß er gehen solle. Hassan jedoch blieb vor ihm liegen, sah unverwandt in sein Antlig und lachte. Er war wahnsinnig geworden.
Stoßt an, Genossen!
Der Zeiger steht auf Mitternacht . Noch hält in Ketten des Goldes Macht Die Welt geschlossen.
Noch zwingt unsern Nacken das Joch der Noth, Noch peitscht der Hunger die matten Glieder, Noch birgt unser höchstes Glück der Tod, Der falte Tod im dunklen Gefieder
Stoßt an!
Stoßt an, Genossen!
Nicht ewig dauert die Nacht.
Schon sprengen zum Kampf, von lichter Pracht Der Sonne umflossen,
Des Morgens Streiter!.... Die Nacht entflieht, Die bleiern über dem Lande lag, Und im Purpurmantel der Schönheit zieht Als Herrscher ein der junge Tag. Stoßt an!
Der naturwissenschaftliche Beobachter.
„ Dulcin" ist der Name eines Ersatzmittels für Saccharin , das man bekanntlich statt Zucker den Zuckerfranken giebt. Es hat ebensowenig Nährwerth wie Saccharin und steht ihm, was seinen Vorzug ausmacht, an Jutensität der Süßigkeit nach. Es soll selbst bei fortgeseztem Gebrauch keine üblen Folgen haben.
Hippokrates.
Auflösung des Silben- Räthsels in Nr. 12:
1. Granada . 2. Elfen. 3. Odenwald . 4. Revolver. 5. Georgine. 6. Haparanda . 7. Elektromagnetismus.
8. Reblaus. 9. Wottic. 10. Ebner- Eschenbach . 11. Gazelle. 12. Hagenau .
Georg Herwegh - Andreas Scheu.
Nachdruck des Inhalts verboten!
Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Edgar Steiger , Leipzig , Oststr. 14, richten.
Verlag: Hamburger Buchbruceret u. Verlagsanstalt Auer& Co., Hamburg.- Druck: Mar Bading, Berlin .