Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Stande ist, den Eitererreger, den Pilz, fern zu halten. Alles, was mit einer zu setzenden Wunde in Berührung kommen kann, wird peinlich desinfizirt. Es ist Listers unsterbliches Verdienst, entdeckt zu haben, daß nur der Pilz an allen Wundkrankheiten Schuld hatte. Darum benutte er die Karbolsäure bei den Wunden, da diese den Pilz tödtet. Nachdem Listers Lehre sich schnell Bahn gebrochen, ging man einen Schritt weiter, man brauchte keine Karbolsäure mehr, den Pilz abzutödten, sondern versuchte, diesen fern zu halten durch die peinlichste Sauberkeit vor und bei der Operation. Alles wurde vorher desinfizirt, Körper, Messer, Nahtmaterial; an Stelle der den Pilz enthaltenden Charpie aus alten Hemden, trat die Verbandwatte, die durch 100 Grad heiße Dämpfe pilzfrei gemacht wird. Aus dem Kampf gegen die Pilze sepsis wurde das Vorgehen ohne Pilze Asepsis.
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In diesem Punkte trifft sich die Naturheilkunde mit der wissenschaftlichen Medizin, auch sie will die Karbolsäure und ähnliche Mittel nicht angewandt wissen, da sie durch gründliche Neinlichkeit die Pilze fernhalten zu können glaubt. Nur leider liegt es in der Natur der Sache, daß dies nicht überall möglich ist.
Der Laie ist heute die guten Erfolge der Chirurgie gewöhnt, er weiß nicht, daß dies alles früher anders war. Wäre er im Stande, die Erfolge in früherer Zeit mit den heutigen zu vergleichen, fennte er die Geschichte der Medizin, er würde manchmal vor dem Arzt den Hut ziehen, statt ihn zu bespötteln.
Aehnlich verhält es sich mit dem Wochenbettfieber. Noch in diesem Jahrhundert sind in den letzten Jahrzehnten von etwa 1830-1860 allein in Deutschland 400 000 Frauen diesem unheimlichen Fieber erlegen, das sind mehr Opfer, als Schwindsucht, Pocken und Cholera zusammen genommen verschlangen. Semmelweis erkannte die Ursache- und das Wochenbettfieber ist heute eine seltene Krankheit.
Seit dem zielbewußten Vorgehen gegen die Augenentzündung der Neugeborenen ist die Blindheit um ein Drittel seltener geworden. Genannte Krankheit ist bei den 300 000 Blinden deutscher Zunge mindestens bei 10% die Ursache, man hätte also, wäre man eher dahinter gekommen, 30 000 Blinden das Augenlicht erhalten können. Ebenso verheerte die egyptische Augenentzündung früher ganze Länder, heute kommit sie nur vereinzelt vor.
Doch genug von der Verhütung der Krankheiten! Wohl jeder Leser wird schon jetzt der Balteriologie mit ehrfürchtigem Blicke gegenüberstehen.
Nicht überall gelingt es aber, die Krankheitserreger fern zu halten. Wohl versucht man bei Masern, Scharlach, Diphtherie und einigen anderen Krankheiten durch Absperrung die Verbreitung zu verhüten, aber es liegt in der Verbreitungsweise der Pilze sowohl als auch in der Schwierigkeit, die Erkrankten zu isoliren, besonders in den großen Miethskasernen der modernen Städte, bei armen Leuten usw. wohl begründet, daß die Absperrung und damit die Verhütung schlechte Resultate giebt und geben muß. Bei diesen Uebeln ist man also darauf angewiesen, mehr die bereits entstandene Krankheit zu heilen. Die Heilbestrebungen werden jedoch auch je nach den verschiedenartigen Eigen schaften der Pilze ganz verschieden sein müssen.
Man könnte hier seinen Angriff einmal mehr gegen den Pilz richten, um ihn selbst auch im Körper abzutödten, und auf der anderen Seite könnte man versuchen, dem Körper in seinem Kampfe -in seinen Heilbestrebungen beizustehen, ihn zu fräftigen: beide Bestrebungen sind mit Erfolg in Angriff genommen worden.
Ob bei einer Krankheit diese oder jene oder beide möglich sind, hängt von der Eigenart jeder einzelnen Krautheit ab. Der Leser wird sich erinnern, daß ich von den giftigsten Bilzen sagte, sie tödten fast immer, z. B. der Wundstarrframpf. Er verläuft rafch tödtlich, da ist es nuslos und unmöglich, den Körper zu kräftigen, weil die Geschichte viel zu flott geht. Hier müßte man also den Pilz noch im Körper zu treffen suchen. Aber
wie? Der Bakteriologe stellte in jahrelangen Versuchen fest, daß es in diesem Falle mehr das Torin des Pilzes war, was den schnellen Tod herbeiführte, als der Pilz als solcher. Denn wenn man das fünstlich gewonnene Toxin allein einem Thiere einspriẞte, starb dies an denselben Erschei nungen, als wenn es sich gewöhnlich mit dem Pilz selbst angesteckt hätte. Within hieß es jetzt: wie das To in unschädlich machen? Man fand, daß sich die Thiere an das eingespriẞte Torin gewöhnten, wenn man ihnen zuerst ganz kleine Mengen bei= brachte; d. h. mit anderen Worten, das Blutwasser oder Serum desselben bekam die Eigenschaft, das Torin zu vernichten. Allmälig wuchs bei steigender Dosis die Vernichtungsfähigkeit derart, daß nun auch, wenn ein gewöhnlicher Wundstarrkrampf erzeugt wurde, die Thiere diesen einfach überstanden, statt rapide zu sterben. Sie vermochten jetzt das so ge= fürchtete Uebel ebenso leicht zu überwinden, wie der Mensch den Schnupfen. Ja, noch mehr: das Blutwasser dieser Thiere vermochte auch anderen, nicht eingewöhnten Thieren eingespritzt, diesen einen Wundstarrkrampf zu heilen, da es, sorgfältig aufbewahrt, die Vernichtungsfähigkeit auch außerhalb des Thier leibes behielt, also beliebig verwendet werden konnte, bei anderen Thieren sowohl als auch beim Menschen. Wenn in der That nicht unvorhergesehene Faktoren sich hindernd in den Weg stellen, dürfte auch diese bisher vollkommen unheilbare Krankheit ihre Schrecken verloren haben.
Genau ebenso verhält es sich mit der Diphtherie, deren Serum in derselben Weise gewonnen wird. Hier fiel es auf, daß das Versuchsthier längere Zeit nach der Ueberstehung der Krankheit nicht wieder mit derselben angesteckt werden konnte, oder daß doch weit größere Giftmengen nöthig wurden. Es mußte also sein Körper, auch hier war es wieder das Blutserum, sich verändert haben, so daß es das neu sich bietende Gift leicht vernichtete. Judem man auch diese Thiere mit immer größeren Gift mengen behandelte, bekam man von ihnen das verschieden starke Diphtherieserum, dessen faktische Heilfraft wohl von keinem Einsichtigen mehr bestritten wird.
Aehnlich ist der der Impfung zu Grunde liegende Vorgang. Der große Jenner erkannte, daß ein Mensch, der die Kuhpocken überstanden hatte, die Blattern für lange Jahre nicht mehr bekommen konnte. Der Körper wird durch erstere so verändert, daß leztere nicht mehr haften können. Um diese Veränderung, diese Stählung zu erreichen, besitzen wir aber in diesem Falle fein Serum, sondern den milden, leicht zu vertragenden Erreger der Kuhpocke, der bei der Impfung auf und in den geimpften Körper übertragen wird, um hier die gewünschte Veränderung zu Stande zu bringen. So kam man zum Impfzwang in Deutschland , um Jeden gegen die Blattern unempfindlich zu machen. Wären wir bestimmt in der Lage, das Einschleppen von Blattern zu verhüten, so brauchten wir selbstverständlich auch die Impfung nicht mehr.
Machen wir uns dies Alles noch einmal an einem Vergleich klar. Der großen Feinde im Thierreich, der Tiger, Bären, der Raubvögel werden wir Herr, indem wir unsere Muskeln stählen, unsere Augen schärfen, damit wir mit der Feuerwasse beffer zielen können. Der Mücken erwehren wir uns, Dem Diphtherieindem wir Gazefenster einsetzen. torin können wir nicht durch Kräftigung der Arme oder Beine beikommen, sondern durch Veränderung, gewissermaßen Kräftigung unseres Blutserums. Mäuse bekämpfen wir durch Fallen, Bakterien natürlich durch Mittel, welche diese fassen können, Karbolsäure usw.
Noch ein Beispiel dafür, wie uns die Forschungen der Bakteriologie ein planmäßiges Vorgehen am Krankenbette ermöglichen. Der Darmkatarrh, Durchfall, entsteht durch Pilze, die mit verdorbenen, d. h. pilzgeschwängerten Speisen genossen werden. Ver mögen wir dieser Pilze im Darm Herr zu werden, so heilt der Katarrh sofort ab. Also Vernichtung, Beseitigung der Pilze im Darm! Das erzielen wir durch Verabreichung pilztödtender Arzneimittel; oder wir schaffen den ganzen Inhalt durch Klyftiere
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oder Abführmittel möglichst schnell und gründlich heraus oder endlich lassen wir nur solche Speisen genießen, die dem Pilze nicht als Nahrungsmittel dienen können, sodaß sich dieser nicht vermehren kann und endlich ganz verschwindet.
Bisher waren die genannten Angriffe gegen die Pilze selbst gerichtet. Ich, sagte aber oben schon, daß es auch möglich sei, diesen außer Acht zu lassen und sein Augenmerk dem befallenen Körper allein zu widmen, um ihn zu stärken, damit er den Kampf mit dem Pilze eher überstehen kann. Hierher gehören solche Krankheiten, wo der Körper diesen Kampf führen kann, wo also die Pilze langsam wirken, wo man andererseits ihnen auch bis jezt auf keine Weise beikommen kann. Ein gesunder Körper erfraukt, wie schon gesagt, nicht an Tuberkulose, und ein halbwegs fräftiger überwindet sie, unterliegen muß nur der geschwächte. Ein Mittel gegen den Tuberkelbazillus giebts bis jetzt nicht, Kochs Tuberkulin erwies sich als Fehlgriff. Wir können also bei der Tuberkulose nur durch Kräftigung des Körpers etwas erreichen. Wir müssen die Erkrankten möglichst reichlich ernähren, ihnen die beste Luft schaffen, sie von schweren Arbeiten befreien, vor Sorgen bewahren. Die Schwindsucht gehört heute thatsächlich zu den heilbaren Krankheiten, wenn wir die eben erwähnten Maßregeln durchführen können. Daher jeßt die große Bewegung zur Errichtung von Volks- Lungenheilanstalten. Aber auch sie werden nur halbe Arbeit leisten können, da ja der aus den Anstalten geheilt und gebessert Entlassene in die alten, ihn krank machenden Verhältnisse zurückkehren muß; er wird mit unfehl= barer Sicherheit wieder erfranken. Die wahren, einzig wirksamen Verhüter und Heiler der Schwindſucht sind soziale Maßnahmen, die menschenwürdige Existenzbedingungen schaffen: Wohnungshygiene, Achtstundentag, bessere Löhne u. dergl. mehr. Die allzu großen Erwartungen von den Lungenheilanstalten werden, auch das lehrt uns die Bakteriologie, einer gewaltigen Enttäuschung und Ernüchterung Plazz machen.
Auch beim Typhus trifft das von der Tubertulose Gesagte zu. Wohl vermögen wir ihn zu verhüten; aber wir können ihn auch heilen, indem wir dem Körper helfen, den Kampf zu überstehen. Unter der Giftwirkung, dem überstarken Fieber erlahmen die Nerven( Nervenfieber). Brand lehrte uns die Kaltwasserbehandlung des Typhus, die das Nervensystem immer wieder anregt, auf= rüttelt, bis der Körper das Gift besiegt.
Dies die Erfolge der Bakteriologie. Sie ist noch jung. Die Forschungen sind erst begonnen, wir werden mit Bestimmtheit noch eine Fülle von Wissen und Können auf diesem Gebiete erwarten dürfen. Wir werden in Zukunft nicht nur das Thier- und Pflanzenreich beherrschen und in unsere Dienste zwingen, wir werden auch das große Gebiet der Spaltpilze uns unterthan machen können. Wir werden den Krankheiten, welche durch sie entstehen, nicht mehr duldend, sondern handelnd gegenüber stehen, ein weiterer Schritt in der Beherrschung der Natur, eine weitere Stufe zur Erlangung irdischer Glückseligkeit!
Spielkinder.
( Fortsetzung.)
H
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ch, weißt Du, ich bin lieber im Dunkeln! Das Licht genirt und stört mich in meinen Gedanken, und außerdem thun mir die Augen immer weh. Geh' mal drei Schritte stößt Du an eine Kommode halblinks so. Suche' mal, ob Du da' ne Lampe findest. So jeẞt drei handbreit rechts- da liegen die Streichhölzer. die Lampe anzünden."
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Eo- nun kannst Du
Er überschattete mit der Hand die Augen.
"
Au wie das blendet!"
Als er die Hand endlich fortuahm, fuhr ich zu