Im nächsten Zimmer knarrt die Thüre. fahren zusammen und sehen erschrocken auf. Mutter entfährt ein geängstigtes Ach!"

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

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Stepan war es, der zu melden fam, daß der Thee servirt ist.

Für Wjera ist es Schlafenszeit. Im Kinder­zimmer befindet sich Niemand.

Sie öffnet die Korridorthür. Von unten hört man aus der Gesindestube, wo die Dienerschaft ihr Abendbrot einnimmt, unflare Laute, Stimmen, Meffer und Tellergeklirr und dröhnendes Gelächter.

Wjera ist es sonst streng verboten, in die Ge­findestube zu gehen, aber hente hat man sie ver­geffen. Auch ihr ist es so schwer zu Muthe und sie will hineinsehen, was dort vorgeht. Sie steht einige Augenblicke unschlüssig aber sie gehört nicht zu den Furchtsamen. Die Neugierde nimmt überhand, und pfeilschnell begiebt sie sich ins untere Stockwerk.

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Dort geht es flott zu. Des Morgens war die Stimmung der Dienerschaft zurückhaltend, sogar etwas gedrückt, man fürchtete noch daran zu glauben; aber gegen Abend wurde die Tonart höher. Von irgend­woher kam zum Abendbrot Schnaps, Alle waren angeheitert, von ihrer Zurückhaltung blieb keine Spur zurück. Die Gesichter glühen, die Augen sind feucht und die Haare zerrauft.

so bitter, so qualvoll schämt. Sie liegt in ihrem Bettchen und weint, weint. Und von unten, aus dem Souterrain dringen schwere Tritte, verstimmte Harmonikatöne und abgerissene Jauchzer eines Tanz­liedes herauf. ( Fortseyung folgt.)

Moderne Bunder.

Naturwissenschaftliche Streifzüge von Dr. V. Borchardt.

II.

Das Telephon.

er Telegraph hat seinen Namen, dessen deutsche  Uebersetzung Fernschreiber lautet, von dem Umstande bekommen, daß er Schriftzeichen auf weite Entfernungen zu übermitteln im Stande ist. Weit schwieriger erschien die weitere Aufgabe, nun auch die menschliche Stimme, also die ge= sprochenen Worte unmittelbar so in die Ferne zu tragen, daß sie an einem meilenweit entfernten Orte bernommen würden. Der Großstädter ist heute so sehr zu Unterhaltungen mit Personen in erheblicher Entfernung gewöhnt, daß er das Telephon fast schon als etwas Selbstverständliches anzusehen beginnt; nicht nur der besser gestellte Bürger benutzt den Apparat zu bequemen Unterhaltungen; im Geschäfts­berkehr ist er unentbehrlich geworden, und dort lernt ihn auch der Arbeiter, wenigstens, was seine Hand­habung betrifft, kennen. Würden wir es nicht täglich mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören, wir wären vielleicht geneigt, es für einen schlechten Scherz zu halten, wenn uns Jemand er­zählte, er könne sich bequem mit weit entfernten Personen unterhalten, gerade, als ob sie leibhaftig vor ihm ständen; so märchen- und zauberhaft ist diese Thatsache, daß einen immer von Neuem das Staunen überfällt, so oft man an den Fernsprecher herantritt.

Der Geruch der Kohlsuppe und des Roggen brotes  , vermengt mit den schweren Branntweindünsten und dem scharfen, die Augen brennenden Rauch des Maschorkatabafs, die verstimmten Töne der Har­monika, die einander überschreienden Stimmen-- Alles das fiel Wjera beim Eintritt in die Gesinde­stube auf. Beim Erscheinen des Fräuleins wurden Alle plötzlich still, standen auf und nahmen sich zu­ſammen es aber nur für einen Augenblick crhob sich bald der Lärm aufs Neue.

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" Fräulein, Fräulein! komm'' mal her! Nicht fürchten!" hörte man die Stimme des betrunkenen Sutschers.

" Nun, was, die Herrschaften oben weinen? Es thut ihnen leid, daß man es ihnen nicht mehr ge­stattet, uns zu tyrannisiren?"

"

,, Es ist nicht wahr! Es ist nicht wahr! Nie­mand hat Euch tyrannisirt. Vater und Mutter find gut!" ruft Wjera laut und stampft in ohnmächtigem Zorn mit dem Fuß auf den Boden. Das Baranzow­sche Blut ist erwacht. Sie hätte gerne diese unver­schämten Knechte geschlagen. Beleidigung und Ent­rüstung haben ihr die Furcht gänzlich erstickt.

,, Nicht tyrannisirt! Wieso denn nicht? Und hat Ihr seliger Großvater zu seinen Lebzeiten wenige Menschen verstümmelt? Warum hat er den And­jruschka, den Tischler, der nicht an der Reihe war, ins Militär gesteckt? Warum hat er das Mädel Arina auf den Viehhof geschickt?" Von verschiedenen Seiten hört man das Durcheinander von Stimmen.

Die Harmonika ist verstummt. Das Gesinde hat fich zu einem Haufen versammelt und ergeht sich in Geschichtenerzählen aus der alten, guten Zeit schauerliche, haarsträubende Geschichten, von denen 2jera nie geträumt hat.

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Das war aber der Großvater, und Vater und Mutter sind gut!" Wjera schreit jetzt nicht; sie spricht leise, verschämt, durch Thränen.

Einige Minuten Schweigen.

Wollen wir die Vorgänge in ihm einigermaßen begreifen, so müssen wir uns ins Gedächtniß rufen, wie das Hören bei uns überhaupt zu Stande kommt. Wenn die Luft, die uns überall umgiebt, in Er­schütterungen gesetzt wird, so werden diese nach allen Seiten weiter, fortgetragen und treffen auch unser Seiten weiter fortgetragen und treffen auch unser Ohr, in dem durch einen komplizirten Apparat die Erschütterungen, die das Trommelfell erleidet, bis zu den Nervenendigungen getragen werden, deren Reizung in uns die Empfindung eines Tones hervor­ruft. Dabei nimmt die Stärke der Erschütterung, und damit auch die Stärke des gehörten Tones umsomehr ab, je weiter man von dem Mittelpunkte, von dem die Erschütterung ausgeht, entfernt ist. Indem man die Erschütterungen der Luft, die Schall­wellen, an der allseitigen Ausbreitung hindert und zwingt, vornehmlich in einer Nichtung fort­zuschreiten, kann man die Entfernung, bis zu der die menschliche Rede vernehmbar ist, erheblich er­weitern, wie es z. B. durch die vor 200 Jahren erfundenen Sprachrohre geschieht; es sind das trichter­förmige Rohre, durch die der Schall in der Rich­tung des Rohres viel weiter dringt, als es sonst der Fall ist.

Da die Schallwellen nicht nur durch die Luft, " Ja, die jungen Herrschaften gehen an, sind gut!" sondern durch fast alle Substanzen weiter getragen gaben ungern einige Leute zu.

"

Das heißt, jetzt ist unser Herr ruhiger ge= worden, wie er aber noch ledig war, hat er uns Mädels auch genug zugesezt," bemerkte boshaft die alte, angeheiterte Beschließerin.

" Ihr Gottlosen! Sündenvolk! Thut Euch das fleine Kind nicht leid!" rief plößlich die zornig ent­rüstete Stimme der Kinderfrau. Sie hat ihr Pflege­find schon längst vermißt und ist im ganzen Hause herumgelaufen, aber es tam ihr nicht in den Sinn, das Kind in der Gesindestube zu suchen.

*

*

Wjera konnte diese Nacht lange nicht einschlafen. Neue furchtbare, erniedrigende Gedanken schwirrten in ihrem Kopf. Sie hätte es selbst nicht genau er­flären fönnen, was ihr so leid thut, warum sie sich

werden, durch feste, in einer Richtung ausgedehnte Körper oft viel weiter, als in der Luft, so tauchten Versuche auf, feste Körper zur Schallübertragung zu benutzen. Professor Weinhold in Chemnitz  verband 1870 zwei Zigarrenkisten, deren Deckel entfernt war, durch einen straff gespannten Bind­faden oder durch einen Eisendraht; mit diesem sog. Bindfadentelephon konnte der Schall der mensch­Bindfadentelephon konnte der Schall der mensch lichen Stimme in einer Entfernung von 600 Metern noch deutlich wahrgenommen werden. Noch wirk­samer wurde der Apparat, als man statt der Zigarrenkästchen, die durch Resonanz' den Schall verstärken, leicht schwingende Membranen anwandte. Von bedeutender Wirksamkeit wurde jedoch der Fern­sprecher erst, als man zur Uebertragung der Schall­

1 Unter Resonanz versteht man das Mitschwingen fester Körper, wodurch größere Luftmassen in Erschütterung ge­setzt werden.

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schwingungen die Elektrizität benußte. Natürlich sprang auch hier, wie überall, die Erfindung nicht fertig und vollkommen aus dem Haupte eines ein­zelnen genialen Technikers und Gelehrten, sondern aus der Arbeit und den Versuchen Vieler ging schließlich das brauchbare Instrument hervor. Als erster Erfinder eines Telephons wird der Italiener Mencci bereits im Jahre 1849 genannt; nur fünf Jahre später beschrieb der Unterinspektor der fran­ zösischen   Telegraphenlinien, Bourseul, einen freilich nicht zur Ausführung gekommenen Apparat, der den heutigen Telephonen sehr ähnlich ist. Das erste wirklich ausgeführte elektrische Telephon wurde 1860 von Philipp Reis  ( 1834-1874) fonstruirt, der damals Lehrer in Friedrichsdorf   bei Homburg   war. Man sprach gegen einen würfelförmigen Kasten aus Holzscheiben, der in seiner oberen Fläche eine Oeffnung hatte, die mit einer straff gespannten Membran verschlossen war. Auf dieser war ein fleines Platin­plättchen befestigt, das mit dem einen Pol einer galvanischen Batterie in Verbindung stand; ihm gegenüber stand eine feine Platinspiße, die mit dem anderen Pole verbunden war. anderen Pole verbunden war. Durch die erregten Schallschwingungen wurde auch die Membran auf und ab bewegt; dadurch kam die Spiße mit dem Plättchen bald in Berührung, bald wurde sie von ihm getrennt, sodaß der Strom abwechselnd ge= schlossen und geöffnet wurde. schlossen und geöffnet wurde. Der Draht, durch den der Strom floß, wurde an einer entfernteren Station um einen Eisenkern herumgeführt, der da= durch im selben Tempo magnetisch und wieder un­magnetisch wurde. Hierdurch entstand ein Ton von derselben Höhe wie derjenige, durch den die Membran Melodien in Schwingungen versetzt worden war. fonnte man auf diese Weise recht gut übertragen, während gesprochene Worte sehr undentlich klangen. Immerhin war dieser Apparat doch ein brauchbarer Anfang, und es lag feinesfalls an den technischen Schwierigkeiten, das Problem der Tonübertragung seiner vollendeteren Lösung näher zu führen. Aber erst ein halbes Menschenalter später war der Ver­fehr so entwickelt, daß ein damals auftauchender Versuch von allen Seiten begierig aufgegriffen und verbessert wurde. Es kann gar kein Zweifel dar= über bestehen, daß die Vervollkommnung des Fern­sprechers sich im Anschluß an den Apparat von Reis hätte vollziehen können, wie sie sich 12 Jahre später im Anschluß an den von Bell konstruirten vollzogen hat, wenigstens, was das technische Können anlangt; wenn es nicht geschehen ist, so lag das eben an den unentwickelten Verkchis­verhältnissen, befand sich ja doch die transatlantische Telegraphie z. B. erst im Anfangsstadium ihrer Verwirklichung. Auch die Geschichte des Telephons zeigt ebenso deutlich, wie die vieler anderen Erfin­dungen und Entdeckungen, daß sie in einem inneren Zusammenhange mit den ganzen Zeitverhältnissen stehen; dieselbe Erfindung, die heute spurlos und unbeachtet an den Menschen vorüber geht, kann zwanzig Jahre später der Ausgangspunkt einer mächtigen Entwickelung sein.

Das Instrument, an das sich das Telephon in seiner heute üblichen Form angeschlossen hat, wurde, wie schon erwähnt, zuerst von dem Amerikaner Graham Bell   im Jahre 1877 konstruirt, der sich fünf Jahre lang mit entsprechenden Versuchen be­schäftigt hatte. Er benußte nicht, wie Neis, den Strom einer galvanischen Batterie, sondern die durch Veränderung des magnetischen Zustandes eines Stahl­stückes hervorgerufenen sog. Induktionsströme.

Im Jahre 1831 hatte Michael Faraday  ( 1791-1867), wohl der bedeutendste Naturforscher unseres Jahrhunderts, die Thatsache entdeckt, daß in Drähten elektrische Ströme entstehen, wenn in ihrer Nähe Magnete oder galvanische Ströme be= wegt werden; auch jede Aenderung in der Stärke des Magnetismus oder der Intensität eines galva= nischen Stromes wirkt in der gleichen Weise, sodaß eine in der Nähe befindliche Drahtleitung von einem sog. Induktionsstrome durchflossen wird, so lange die Aenderung des Magnetismus oder der Stront­stärke vor sich geht. Diese Thatsache benutzte Bell in seinem Instrumente. Man denke sich vor einem stabförmigen Stahlmagneten eine Platte von Eisen­