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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

blech. Sobald man gegen die letztere spricht, ge­räth sie in Schwingungen, wodurch sie dem Mag neten bald ein wenig genähert, bald wieder von ihm entfernt wird. Nun hängt der magnetische Zustand von der Entfernung der Platte ab, in der durch den nahen Magneten selbst Magnetismus her­vorgerufen ist; daher wird der Magnetismus bald ein wenig stärfer, bald ein wenig schwächer werden, je nachdem die Platte gegen den Magneten hin oder von ihm zurück schwingt. Ist mun um den Mag­neten eine Drahtrolle, eine sog. Induktionsspule, gewickelt, so werden in dieser kurz dauernde In­duktionsströme hervorgerufen. Statt die Spule in sich zu schließen, kann man von ihren Enden aus

ihte nach einer entfernten Station führen, wo sie wiederum in der Form einer Spule um einen ( vensolchen Apparat, einen Magnetstab mit davor befindlicher Eisenblechplatte, geführt werden. Wie bie in dem ersten Magneten durch die Schall­schwingungen hervorgerufenen Aenderungen des mag­netischen Zustandes in der umgebenden Drahtrolle Induktionsströme hervorrufen, so müssen diese, uni den zweiten Magneten fließend, dessen magnetischen Sustand ändern, ihn in demselben Tempo bald stärker, bald schwächer machen, wie dies beim ersten Magneten geschieht. Nun sieht man leicht, wie die Sache weiter geht. Sobald der Magnet stärker wird, zieht er die vor ihm befindliche Platte an, und sie nähert sich ihm; sie entfernt. sich wieder, wenn der Magnet in seiner Stärke nachläßt. Auf diese Weise geräth sie in Schwingungen, die denen der ersten Platte vollfommen analog sind; indem diese sich der Luft mittheilen, gelangen sie in unser Ohr, wo sie die Tonempfindung erregen. Die wunderbare Umsetzung ist aber die folgende: Beim Sprechen werden Luftschwingungen erregt; diese er= zeugen Schwingungen der Eisenblechplatte; dadurch entstehen Aenderungen im magnetischen Zustande des Stabes; hierdurch werden elektrische Induktionsströme hervorgerufen. Nun geht die Umsetzung an der zweiten Station rückwärts vor sich. Die Induktions­ströme rufen Aenderungen des magnetischen Zustandes hervor; diese sezen die Eisenblechplatte in Schwin­gungen; dadurch geräth auch die Luft in Schwin­gungen, die in unserem Ohre die Empfindung der Töne hervorrufen.

Man erkennt sofort, daß man jeden solchen Apparat zum Hören sowohl als zum Sprechen be­ungen kann; freilich muß man noch irgend welche Vorrichtung anbringen, damit man von der einen Station nach der anderen ein Zeichen geben kann, um anzudenten, daß man zu sprechen wünscht. Man benuste dazu ein mit einer Zungenpfeife gegebenes Signal, das auch in einem größeren Zimmer der zweiten Station deutlich als trompetenähnlicher Ton vernommen werden konnte. Der Apparat ist außer­ordentlich empfindlich; bereits 1877 fonnte man sich mit Hülfe zweier solcher Telephone von Leipzig   nach Dresden  , also in einer Entfernung von 167 Kilo­metern, verständigen. Schr bald wurden auch weitere Verbesserungen angebracht; so benutzten z. B. Siemens und Halske   statt des stabförmigen einen hufeisen­förmigen Magneten, der die Wirkung erheblich ver­stärfte. Doch wird der Apparat heute fast nur noch zum Hören benutzt; zum Sprechen dagegen dient ein anderes, von dem genialen Hughes er­fundenes Instrument, demselben, der auch, wie in voriger Nummer erwähnt, einen brauchbaren Typen drucktelegraphen koustruirte. Dieses Instrument, das in seiner Wirkung fast noch wunderbarer ist, als das Telephon, ist das in der praktischen Anwendung mit diefem verbundene Mikrophon.

Die Stärke eines galvanischen Stromes hängt unter Anderem auch von dem Widerstande ab, welchen die Leitungsbahn ihnen entgegenseßt. Dieser Wider­stand ist unter sonst gleichen Umständen beispiels­weise in Gisen größer als in Kupfer, so daß der Strom in einem fupfernen Leitungsdrahte stärker ist, als in einem eisernen. Mit jeder Aenderung des Widerstandes ändert sich auch die Stromstärke ein wenig. Läßt man den Strom z. B. durch zwei lose an einander liegende Kohlefstückchen gehen, so findet er an der Berührungsfläche der beiden nur wenig Stellen, an denen er von dem einen Stück

chen zum anderen übergehen kann; preßt man da­gegen die Stückchen etwas stärker zusammen, so wird der Widerstand kleiner, da der Strom viel mehr Stellen zum Uebergang findet, und seine Stärke wächst daher an.

Auf diese Thatsache gründete Hughes seinen merkwürdigen Apparat. Zwei Resonanzbrettchen sind rechtwinklig aneinander befestigt. Das vertikal stehende, gegen welches man spricht, trägt zwei Kohlestückchen, die mit den Enden der galvanischen Batterie leitend verbunden sind; die leitende Verbindung zwischen ihnen selbst, wodurch dann der Stromkreis völlig geschlossen ist, wird durch ein Kohlestäbchen gebildet, das in zwei Vertiefungen der beiden anderen Kohle stückchen lose steht. Bei Erschütterungen des Brett­chens, wie sie durch das Sprechen hervorgebracht werden, wird das Kohlestäbchen ebenfalls erschüttert, und dadurch wird seine Berührung mit dem anderen Stäbchen bald inniger, bald loser. Bei den hier durch veranlaßten Aenderungen des Widerstandes ändert sich auch die Stromstärke beständig, und führt man die Stromleitung um ein Telephon, so wird jede Stromänderung in dessen Induktionsspule einen jede Stromänderung in dessen Induktionsspule einen Induktionsstrom hervorrufen, der wiederum, wie früher, Aenderungen des Magnetismus und dadurch Schallschwingen der Eisenplatte und der Luft zur Folge hat.

Der Apparat wirkt so vorzüglich, daß selbst das leise Geräusch, das durch das Hinkriechen einer Fliege über die Sprechplatte verursacht wird, deut­lich an dem mit ihm verbundenen Telephon zu hören ist. Die Abänderungen, welche er seit seiner Er findung erfahren hat, sind sämmtlich unwesentlicher Art und betreffen technische Einzelheiten; im Wesent lichen ist er derselbe geblieben, wie er von Hughes fonstruirt worden ist.

Unter allen Wundern, mit denen uns die moderne Naturwissenschaft und Technik beschenkt hat, bildet der Fernsprecher unstreitig eines der überraschendsten. Als die Schreibtelegraphen längst im Gebrauch waren, die Drucktelegraphen ihrer Vollendung entgegengingen, und die Anfänge der unterseeischen Telegraphie alle Gemüther beschäftigten, klang die Nachricht vom Fernsprechen noch wie ein Märchen, und nach weniger als zwei Jahrzehnten ist der Fernsprecher ein unentbehrliches Verkehrsmittel geworden. Seine Geschichte kann uns einen froh ermunternden Aus­blick für die Wunder gewähren, die der menschliche Geist in Zukunft noch vollenden wird.

Das Licht im Fenster.

Bovellette von Irma v. Troll- Borostyáni.

ine drückend schwüle Sommernacht lag über

der Stadt. Seit Wochen hatte es nicht ge= regnet, und wenn der Abend dämmerte, warfen die Häusermauern und das Straßenpflaster die in Sonnenbrand aufgesogene Glühhiße zurück, so daß die Nächte feine Kühlung brachten, und die wieder aufgehende Sonne, wenn sie ihre ersten Strahlen durch die über dem Häusermeer lagernde schmußig graue Dunstschicht herniedersandte, die Stadt ebenso gluthdurchtränft, Mensch und Thier so nach Er­frischung lechzend wiederfand, wie sie sie Abends verlassen hatte.

Lässigen Schrittes schlenderte Alfons seiner Woh­nung zu. Er hatte seiner Frau das Geleite auf den Bahnhof gegeben. Sie war zu ihren Eltern auf deren Landsiz gereist, wohin er ihr, wenn er endlich seinen Urlaub bekäme, nachfolgen wollte. Jest war ihm ärgerlich und unbehaglich zu Muthe. Die erschlaffende, das Athmen erschwerende Hige der Hochsommertage in der dunst- und staubgeschwängerten Großstadt lastete ihm schwer in den Gliedern. Und er wußte, daß ihm kein Tag dieser schier unerträglichen Zeit geschenkt werde, da er erst für den September Urlaub bekommen konnte. Dazu kam noch, daß ihm vor den Unbequemlichkeiten des Strohwittwer­lebens, vor der mangelhaften Bedienung und der Gasthausküche grante. Denn seine Flora war eine ausgezeichnete Hausfrau, deren bewunderungswür

dige häusliche Talente sein Heim zu solch trau licher Behaglichkeit auszugestalten, seine intimſten Wünsche und Bedürfnisse so wohlthuend zu befriedigen wußten, daß er sich unter ihrer eheweiblichen Für­forge wohl und weich gebettet, wie ein junger Vogel in seinem Neste fühlte.

Es war keine Liebesheirath gewesen, die er ein­gegangen, doch hatte er sie noch keine Stunde berent. Freilich war es eine noch gar junge Ehe, denn gerade heute vor zwei Jahren hatte das junge Paar seine Hochzeitsreise angetreten. Aber Alfons bangte nicht, daß er sich an Floras Seite jemals weniger zufrieden fühlen würde wie bisher. Ihr Wesen bürgte ihm dafür. Ueberaus gütigen und liebevollen Herzens, ruhigen, stets heiteren Temperamentes, an­spruchslos und in den stillen Lebenskreisen, in denen sie sich bewegte, völliges Genügen findend, war sie eine Frau, wie man sie sich zu einer glüdlichen Ehe nicht anders wünschen konnte. Auch eine ganz an­sehnliche Mitgift hatte sie gebracht, die zur Ver­schönerung und zum Komfort der Lebensführung ein gut Theil beitrug. Eine unbemittelte Frau hätte er auch garnicht wählen können, da sein eigenes Ver­mögen und sein Beamtengehalt zur Gründung eines seinen Anforderungen entsprechenden Hausstandes nicht ausreichten.

Dies war die erste Trennung des jungen Paares, und so verwöhnt war Alfons durch die häusliche Fürsorge und rücksichtsvollen Aufmerksamkeiten, mit welchen seine Frau ihn während der zwei Jahre seines Ehestandes umgeben hatte, daß ihn geradezu schauderte vor dem Gedanken, während der nun kommenden Wochen für sich selbst sorgen und auf die mannigfachen Vortheile eines wohlgeregelten, behäbigen Haushaltes verzichten zu müssen. Sogar die Wohnung bot nicht mehr die breite Bequemlichkeit wie früher. Seine Flora hatte einen Theil der Gemächer, damit sie nicht unnüz verstaubten und da die Bedienerin sich ganz sicherlich nicht Zeit und Mühe nehmen würde, sie täglich rein zu machen, abgesperrt, und Alfons hatte nur das Schlafzimmer und sein Arbeitskabinet zur Verfügung. Ein Glück war es noch, daß sie keine Veranlassung gefunden hatte, auch das Badezimmer wegzuschließen. So fonnte er doch seine gewohnten und jetzt bei dieser drückenden Hige ganz unentbehrlichen Morgen- und Abendbäder nehmen. Dies waren ja die einzigen angenehmen Augenblicke des ganzen Tages. Nur freilich von viel zu flüchtiger Dauer. Denn faum, nachdem Alfons der Wanne entstiegen war, brach ihm schon der Schweiß aus allen Poren, und die Empfindung herrlicher Erfrischung war vorüber.

Wirklich, es war ein zu tückisches Geschick, daß er gerade in diesem heißen Sommer erst so spät seinen Urlaub antreten konnte, diese sengende Wüsten­luft noch so lange athmen mußte, während es sich so getroffen, daß er die früheren Jahre, deren Sommer­monate mit reichlichem Regen angefüllt waren, seinen Urlaub frierend und triefend in einem nebligen Ge­birgsneft abgesessen hatte.

So war zur Stunde ein großer Mißmuth in ihm, große Müdigkeit und Lebensunlust. Immer schlep­pender wurde sein Schritt, während er, den Rock weit offen, den Hut in den Nacken zurückgeschoben, um die glühende Stirn freizugeben, seinem jest so reizlosen, verödeten Heim zuwanderte.

Da fam er, bevor er in die stille Seitengasse einbog, in der sein Haus lag, an einem Restaurant vorüber, vor dessen Fassade einige Marmortischchen auf dem breiten Asphalttrottoir aufgestellt waren. Und da es ihm nicht eilte, in seine vier Wände zu fommen, ließ er sich an einem derselben nieder, um noch ein Bischen im Freien zu bleiben und ein Glas Bier zu trinken.

Bald hatte er das Abendblatt durchflogen, das ihm der dienstfertige Kellner auf den Tisch gelegt, und während er hin und wieder einen kühlenden Schluck aus dem Glase that und aus seiner Zigarre fleine blaue Ringelwölfchen in die schwere, trockene Nachtluft blies, versant er wieder in seine früheren unfrohen Gedanken.

Am anderen Rande der Straße, dem Restaurant gegenüber, stand ein großes fünfstöckiges Zinshaus, eine jener weitläufigen Miethskasernen, die mit ihren