Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Nach dem Cherubin- Gesange ertheilte der Zar seinem Favoriten, Maluta Sturatoff, einige Befehle mit leiser Stimme, während sein Gesicht einen Ausdruck teuflischer Bosheit angenommen hatte.
Als die Andächtigen die Kapelle verlassen, wurden sie durch einen hellen Trompetenstoß angewiesen, sich in einen großen unterirdischen Raum eines langen fteinernen Gebäudes zu begeben, das von oben durch fleine mit starken Eisenstäben vergitterte Deffnungen sein Licht erhielt.
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,, Das ist die Stunde des Gerichts" Kudejars Stubengenosse Sueff mit einem Seufzer und wies nach den Wänden. Dort sah der darauf aufmerksam gemachte Kosak mit Schrecken eine Menge der fürchterlichsten Marterinstrumente. Ungeheuere eiserne Bratpfannen, eiserne, an ledernen Riemen befestigte Halen, große Sägen und fußlange eiserne Nägel und Nadeln. Ein mit scharfen Nägeln beschlagenes Breit war schräg an die Wand gelehnt. Ju der rechten Ecke des Gemaches wurde ein ungeheuerer Ofen geheizt. Der Boden des Zimmers war ganz mit Blut bedeckt. In der Mitte des= selben stand ein Thron. Der Zar mit seinem Sohne setzte sich diesen gegenüber auf eine Bank. Hinter ihnen stand schweigend und zitternd die Schaar der Günſtlinge.
Aus der Thür, die dem Throne gegenüber stand, führten nun auf einen Wink des Kaisers zwei Schergen einen Greis von hoher Gestalt herein, der vor Hunger ganz entkräftet zu sein schien, denn vor Schwäche konnte er sich kaum auf den Füßen bewegen. Hinter ihm her schritt eine alte in Schwarz gekleidete Frau mit gen Himmel gerichteten Blicken. In ihren Augen war keine Spur von Thränen zu bemerken und niederknieend kreuzte sie die Arme auf der Brust und flüsterte Gebete. Jest sprach der Zar, zum Greise gewendet:
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Stallmeister Jwan Petrow! Es ist uns zu Ohren gekommen, daß Du, Gott den Herrn und unsere große Gnade vergessend, zusammen mit anderen Bösgesinnten Dich in verrätherischer Weise mit unseren Erzfeinden, dem polnischen König Sigismund August und dem Krimschen Khane DewletGirei eingelassen hast, um Deinen rechtmäßigen Herrn vont väterlichen Thron zu stoßen und mit unserer ganzen Nachkommenschaft zu verderben, Dich selbst aber zu Moskau auf den Thron zu setzen. Dir schien unser Thron beneidenswerth, Du wolltest auf demselben sizen; jezt wollen wir, fraft unserer Kaiserlichen Gnade, Dir zu Gefallen Dich auf den Thron sezen! Zieh das Kaiserliche Gewand an!"
Der Greis antwortete nichts und setzte sich auch nicht zur Wehre, als man ihm das fürstliche Kleid umlegte.
„ Setz Dich!" herrschte ihn der Zar an. Nimm in die eine Hand den Reichsapfel, in die andere das Szepter!"
Der Greis gehorchte.
Iwan verneigte sich vor ihm bis zur Erde und sprach:„ Sei gegrüßt Zar und Großfürst von ganz Rußland ! Schaut ihn doch an! Er nimmt sich nicht übel aus! Was sizest Du so unbeweglich da, wie ein gemalter Heiliger? Bewege doch den Kopf ein wenig nach rechts und links! So! Zieh doch die Augenbraunen recht finster zusammen! Nun wohl! Ich habe Dich auf den Thron gesetzt ich werde Dich nun auch vom Throne stoßen!"
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Mit diesen Worten trat er an ihn heran und stieß dem Alten blizschnell den Dolch in die Brust.
Der Greis stürzte, in seinem Blut gebadet, nieder und die Opritschniti( Günſtlinge) warfen sich über den Halbtodten, schlugen und traten ihn mit Füßen und schleppten endlich den Leichnam zu der geöffneten Thür, hinter welcher eine Meute von großen Hunden sichtbar war, die an Leinen gehalten wurden.
Man hatte ihnen absichtlich lange nichts zu fressen gegeben und sie heulten vor Hunger.
Den Hunden zum Fraß!" befahl der Zar. Man warf den Leichnam den Thieren vor und die Pforte wurde geschlossen.
Die alte Frau hatte während dieser ganzen schrecklichen Szene nicht eine einzige Bewegung gemacht, sondern fortgefahren, die Augen zum Himmel zu richten und Gebete zu flüstern.
,, Ah, sieh da, die Frau Zarin!" rief Jwan. ,, Sudejar", wandte er sich dann an den Kosaken, ich habe Dich meiner Gunst versichert, wenn Du mir drei Proben Deiner Unterwürfigkeit und Kraft komme her und giebst. So mache nun die erste komme her und erwürge Du mit eiserner Faust diese Gebieterin von ganz Rußland ."
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Keine Muskel bewegte sich im Gesichte der Alten, sie blickte wie verklärt zum Himmel, nur ihre Lippen bewegten sich leise.
Als Kudejar diesen Befehl hörte, fuhr er vor Schreck zusammen, dann überlegte er. Wenn ich die Alte nicht tödte, so wird dies ein Anderer und für die Greisin in noch schmerzhafterer Art thun, und ich werde meine Anastasia nicht mehr sehen, denn der Zar wird mich nicht aus den Händen geben und mich tödten lassen. So stürzte er sich denn auf die Alte und streckte sie mit einem einzigen Faustschlage todt zu Boden.
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, Ein wahrer Prachtker!!" rief der Zar erfreut. Ein wahrer Prachtfer!!" echote der Chor der Günstlinge vor Verwunderung.
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Man führte einen anderen Greis herein, der etwas jünger war als der erste, jedoch noch mehr entkräftet zu sein schien. Er war ganz schwarz ge= kleidet, das Haupt hing ihm auf die Brust herab.
Der Zar sagte:" Fürst Peter Schenatjeff! Wie geht es Dir? Du wolltest in ein Kloster gehen und Mönch werden, um meinem gerechten Gerichte zu entkommen, doch es ist Dir nicht gelungen, die Welt zu betrügen, in der warmen Klosterzelle zu ſizen und fette Klosterkarpfen mit Wein hinunter zu spülen. Jetzt werde ich aus Dir einen Klosterkarpfen machen."
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Auf seinen Wink warfen sich die Opritschniki auf den Fürsten , rissen ihm die Kleider vom Leibe, streckten ihn dann auf den Bratrost nieder und schoben ihn in den brennenden Ofen. Das Geschrei des Unglücklichen war fürchterlich, der Zar aber lehnte sich mit dem Rücken an den Ofen und lachte wie etwa ein Koch, der einen guten Braten zugesetzt.
Ein neues Opfer wurde hereingeführt, es war ein hochgewachsener Mann mittleren Alters. Neben ihm schritt eine Frau mit dem Ausdrucke der größten Verzweiflung im Gesichte und ein bildschöner Jüngling von etwa siebzehn Jahren.
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,, Väterchen Zar, erbarme Dich!" rief der Hereingeführte aus. Gott der Allwissende ist mein Zeuge, ich lüge nicht. Man hat mich bei Dir verleumdet, ich lüge nicht. Man hat mich bei Dir verleumdet, ich habe Dich ja nicht bestohlen. Zar, mein irdischer Gott, habe Erbarmen!"
" Bar Goffudar, erbarme Dich!" heulte die Frau und warf sich vor dem Kaiser nieder, während der Jüngling hinter ihr nur eine Verbeugung machte.
" Kafarin- Dubrowsti!" sagte der Zar," Du hast, Deinen Schwur auf das Krenz vergessend, unsere Kasse bestohlen, unserem Ufase zuwider Bojarenfinder aus dem Dienst entlassen und dafür von ihnen Gold genommen. Das hast Du aber gethan unserem Feinde Sigismund August zu Gefallen und Du bist daher einer grausamen Strafe verfallen."
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,, Väterchen Zar!" entgegnete Kasarin- Dubrowski ,, in einem Stücke habe ich gefehlt, daß ich zehn Bojarenkinder freiließ und ihnen einen Paß gab, nicht aber für Gold, sondern auf ihre Bitte, weil sie frant und zum Kriegsdienste untauglich waren. Daß ich dies aber Deinem Feinde zum Gefallen gethan habe, das ist nicht wahr."
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Du lügst, Hund!" brauste der Zar auf und befahl den Günſtlingen den Unglücklichen nackt auszuziehen, ihn auf das mit Nägeln beschlagene Brett zu binden und mit glühenden Eisen zu zwicken; das furchtbare Geschrei des Gemarterten übertönte das Gestöhne des im Ofen röstenden Fürsten Schenatjeff.
Darauf fuhr der Kaiser fort:„ Kudejar und Du Mamstruck! Zerfleischt das Weib und den Sohn Kasarins vor seinen Augen mit den„ Kazen"( so nannte man die eisernen Haken), bis der Tod er= folgt! Rottet die Hundebrut aus."
Der Frau wurde das Kleid vom Kopfe bis zu den Füßen heruntergerissen, dann band man ihr Hände und Füße und warf sie zu Boden, dasselbe that man mit dem Jüngling. Kudejar, halb wahnsinnig vor Erregung, schlug mit seiner ganzen Kraft das Weib auf den Kopf, daß es sofort ohumächtig
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war, Mamstruck auf den Jüngling, während die Critschniki die Körper der Unglücklichen beständig umwandten, so daß sie bald auf die Brust, bald auf den Rücken zu liegen famen und in furzer Zeit ihr ganzer Körper nur noch eine einzige Wunde war. Nach etwa zehn Minuten erlöste sie der Tod mitleidsvoll von ihren Qualen, während der alte Kasarin ihnen erst nach einer Stunde nachfolgte.
Kaum hatte diese schreckliche Szene ihr Ende erreicht, als eine ganze Familie hereingeführt wurde. Der Vater, ein kleiner, etwas verwachsener Mann mit rothem Barte, kurzem, dickem Halse und hervorspringenden Augen, in denen selbst, trotz der schrecklichsten Angst, eine gewisse Verschmiztheit ersichtlich war, neben ihm ein nicht mehr junges Weib mit dickem Gesichte, ferner zwei junge, schöne Mädchen im Alter von fünfzehn bis siebzehn Jahren, mit ver= weinten Augen und blaß wie der Tod, und zum Schlusse hinter ihnen zwei allerliebste kleine Stinder, eine Knabe und ein Mädchen, die jämmerlich heulten und sich die strömenden Thränen aus den Augen wischten.
Der Zar sprach:" Nathsherr Tuteff! Dir war von uns die Aufsicht über unsere Reichskasse auvertraut, Du aber hast, Gott den Herrn und sein heiliges Gebot, sowie unsere große Guade vergessend, unsere Kasse durch den Fürsten Schenatjeff bestehlen lassen und zwar zu Gunsten meines Feindes Sigismund August und des Krimschen Khans, um mich von dem Thron meiner Väter zu stoßen. Du Gefäß des Teufels hast Schäße sammeln und im Ueberfluß schwelgen wollen, hast aber dabei vergessen, daß der, welcher sich nicht in Gott bereichert, sich selbst in dieser Welt der Strafe des irdischen Herrschers ausseßt, in jener anderen aber ewig gequält sein wird. Dafür bist Du jezt einer grausamen Strafe verfallen!"
,, Dein Wille geschehe in Allem!" erwiderte Tuteff. ,, Du bist unser irdischer Gott, wir aber sind Deine Knechte. Wir müssen Dir für Alles danken, sowohl für Deine Gnade als für Deine Strafe!"
Er verneigte sich tief vor dem Zaren; seine Frau flehte mit kläglicher Stimme um Gnade, doch konnte sie vor Angst nur unartikulirte Laute hervorbringen; die Töchter jammerten laut, die beiden Kleinen lagen weinend auf dem Boden.
,, Wir wollen mit den Töchtern beginnen," sagte der Zar.„ Sie wären zwar noch etwas Besseres werth, aber dafür giebt es ja tausend Andere, die uns zu Willen sind. Hängt sie an den Füßen auf und sägt sie mitten durch!"
Während die Opritschniki diesen grausamen Befehl erfüllten, trat der Zar ganz nahe zu dem auf den Knieen liegenden Tuteff zu, da das Geschrei der bei lebendigem Leibe auseinander getheilten Mädchen jedes laute Wort übertönte, und flüsterte ihm ins Ohr, indem er auf die gemarterten Töchter wies: „ Schau hin auf die Qualen und auf die Schande Deines Geschlechts! So verfährt der Zar mit seinen ungetreuen und schlechten Dienern. Nicht nur sie selbst, sondern auch ihre ganze verfluchte Brut, die nichts verschuldet hat, fallen der Marter anheim."
Die Mutter stürzte wie wahnsinnig auf ihre Töchter zu, von deren Körper das Blut in Strömen zur Erde floß. Mamstruck aber stieß sie mit rauher Hand zurück.
Die kleinen Kinder in den Ofen!" brüllte der Kaiser, den das Blut betrunken zu machen schien.
Das arme Weib verlor jezt vollends die Vernunft und stieß gräßliche Verwünschungen gegen das Ungeheuer in menschlicher Gestalt aus, das sich den Gesalbten des Herrn nannte.
Ah, sieh doch einmal an?" sagte der Zar erstaunt. Wie die ihre Zunge gebrauchen kann! Auf, befestigt einen Strick zu beiden Seiten des Mundes und reißt ihn bis zu den Ohren auseinander! Du aber, Kudejar, bearbeite sie mit der Nadel. Die Kinder aber in die Pfanne und laßt sie drinnen im Ofen knusperig braun braten."
Die Henfersknechte erfüllten den Befehl dieses Scheusals, während Kudejar mit einer ungeheuren Nadel den Körper der Frau an verschiedenen Stellen durchstach.
Genug," sprach nach einer Weile der Zar, der