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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ihnen der Glaube an eine Wirklichkeitszukunft fehlte, mußten fie einen Ersatz haben, und fanden den ge­heimnißvollen Nomantizismus, der sie zum Katholi­zismus führte, wo diese stark sinnlichen Elemente einen gewissen Halt fanden, den sie wegen ihrer Natur, die sie hin und her warf, nicht entbehren konnten.

Und der Stand der Dichtung, überhaupt der Kunst ist immer bezeichnend für die jeweiligen Geistes und Gemüthszustände im Volte. Damals waren es nur Wenige, die eine Bedeutung in der Weltdichtung erlangen konnten. Kleist, Eichendorff   und Chamisso sind die Einzigen, die Bedeutendes aus jener Zeit hinterließen. Dann erst folgte Jung- Deutschland  " mit Büchner, Hebbel  , Heine u. v. A.; in ihnen war auch wieder ein Glauben an eine Zukunft, an eine irdische Zukunft.

Denn diesen Glauben an eine Zukunft kann die Menschheit nicht entbehren. Er wird zu allen Zeiten das Gemüth ausfüllen und mächtigen Einfluß auf die Gestaltung des Volkslebens finden, je nachdem er sich gewisse Ziele gesteckt hat. Augenblicklich ist der wichtigste Zukunftsglaube der der sozialen Welt­anschauung, jener Weltanschauung, die ausschließlich auf Verbesserung und Neugestaltung der natürlichen Wirklichkeit, des Wirthschaftslebens, beruht. Diese Anschauung entbehrt aber noch in Vielem des Ge­

müthhaften. Ich will nicht etwa sagen, die soziale Bewegung, der Sozialismus und Alles, was noth gedrungen mit ihm zusammenhängt, das Antiglaubens­thum, die nothwendige Höherschäzung des Indivi­thum, die nothwendige Höherschätzung des Indivi­duumis n. v. A., entbehrte des Gemüthhaften, denn duums u. v. A., entbehrte des Gemüthhaften, denn das Alles ist ja im Gegentheil von den stärksten Gemüthsfräften getrieben und getragen. Aber was nun, wenn wirklich die sozialen Nöthe aus der Welt geschafft sind, was nun mit den seelischen Noth­lagen anfangen, die nicht durch wirthschaftliche Hülfe zu heilen sind, die auch keine Verstandesthätigkeit beseitigen kann? Denn nur wenige, seltene Menschen werden ohne Nothlage sein, werden Uebermenschen sein, oder werden auch ihr Gemüth vollständig ihrem sein, oder werden auch ihr Gemüth vollständig ihrem scharfen Verstande unterworfen haben.

Aber diese Noth, daß wir von Allem, was uns die moderne Zukunftsbewegung bietet, doch immer noch nicht gänzlich befriedigt sind, hat sich schon oft bemerkbar gemacht, ohne daß man ihr die ge­nügende Beachtung schenkte. Die moderne Kunst hat ja manche Lücke ausgefüllt, oder ist wenigstens willens es zu thun, ohne daß sie den verdienten Erfolg hat. Auch die Gründer der freien Volks­bühnen hatten diesen Mangel richtig erfaßt, eben­falls ohne den allen Theilen nöthigen Erfolg. Nun zeigt die Kunst aber schon wieder die Neigung zum Romantischen, Geheimnißvollen, Ahnungsvollen, die Romantischen, Geheimnißvollen, Ahnungsvollen, die

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Aus dem Papierkorb der Zeit.

nur zu deutlich von dem Vorhandensein eines be­deutenden Wiißverhältnisses zwischen den Verstandes­und Gemüthserfolgen der modernen Bewegung Stunde giebt. Aus dem gleichen Gründe, nämlich der Nicht­beachtung des Gemüthhaften, ist es auch nur immer möglich, daß sich sogenannte Christlich- Soziale noch eines gewissen Anhanges erfreuen können vielleicht eine Saulus- Paulus- Zukunft haben.

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ja

Also: Da die Kunst eines von den Mitteln sein kann, das man Ersatz für die Religion nennt, und um uns vor der Heuchelei zu bewahren, als wäre das, was wir in der Kirche empfunden haben, Erzeugniß des Priesters und seines Glaubens, müſſen wir der Kunst einen viel größeren Raum in der Zukunftsbewegung zugestehen, ihr mehr Achtung schenken. Der Künstler, der ehrliche Priester muß mehr wirken fönnen, um die neue, eigentlich ur­sprüngliche Religion an die Stelle des Gößendienstes stellen zu können. Das wird seine erneuernde, schöpfe­rische Wirkung auch auf das Verstandesleben aus­üben. Die Kunst wird das Volk, und jetzt vor Allem die Zukunftsbewegung, vor der Vertrocknung in Wissenschaftelei und Phraseologie bewahren. Und das ist Alles nöthig; denn wir brauchen nicht nur Wissen, Kleidung, Nahrung usw., sondern auch Er­Erhebung, be­lösung von Gemüthsbedrückungen freiende Heiterkeit und Tröftung.

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Triumph der Finsterniß.( Zu unserem Bilde.) Wir haben unseren Lesern bereits in einer unserer früheren Nummern mit Arbeiten des noch jugendlichen Künstlers Sascha Schneider   bekannt gemacht. Deutsch  - Russe von Geburt, vereinigt er in sich die gemüthvolle Tiefe ger­manischen Geistes mit einer gewissen dämonischen Phan­tastik, wie sie dem Slaven   eignet, und auch in der vor­liegenden neuen Arbeit des hochbegabten Zeichners find diese Eigenschaften unverkennbar.

Allein so sehr Schneider auch bisher der Alte ge­blieben ist, so wenig gehört er in die Reihen Derjenigen, die nicht nur in der Manier, sondern auch in den Motiven stets dieselben sind, sich gewissermaßen beständig selbst kopiren.

Im Gegensatz zu diesen bekundet sich in Schneiders Kartons ein schier unerschöpflicher Jdeenreichthum und eine Kraft, seine Ideen zu gestalten, die höchstens von deren völliger Originalität noch übertroffen wird.

Dies gilt auch von unserem heutigen Bilde, dem Triumph der Finsterniß. Wie bei den meisten früheren Sachen, hat der Künstler auch in diesem Falle seinem Werte einen religiösen Stoff zu Grunde gelegt, ohne darum ein religiöses Bild in des Wortes eigentlichem Sinne zu schaffen.

Vielmehr macht er bei den Religionen und alten Mythologien nur eine Art Anleihe, um diese dann ganz in seinem Sinne zu verwerthen und weiter zu entwickeln. Stoffe, die unserem Denken und Empfinden längst fremd geworden sind, weiß er mit neuem, modernem Gehalte zu erfüllen, in ihrer Weise beschränkte religiöse und mytho­logische Ideen zu Weltideen zu erweitern, in höheren, gewaltigeren Dimensionen vor uns hinzustellen. dies ohne sich in nüchternen, farblosen Allegorien zu er­gehen, die die Gefühlswelt des Betrachters völlig un­berührt lassen.

Und

Im Gegentheil sind die Figuren Sascha Schneiders, so hier die Gestalt der Finsterniß, wie der auf kaltem Leichensteine ausgestreckte todte Christus, von unendlicher Plastik, ist die Wirkung, die von ihnen ausgeht, eine so tiefe, unmittelbare, daß der Beschauer einer besonderen Erklärung kaum bedarf.

Und dabei arbeitet der Künstler mit den denkbar einfachsten Mitteln. Die Gegensäge, die er durch den verschiedenen Verlauf der Linien blos, durch Licht und Schatten auszudrücken vermag, genügen ihm.

Die hohe, aufrechte Gestalt der Finsterniß mit ihren mächtigen schwarzen Flügeln, die gleich der einbrechenden Nacht das Licht des Tages, des Lebens überschattet, drückt den Triumph brutaler Macht mit einer Kraft aus, die allerlei äußere Symbole des Siegers nicht zu er­höhen vermöchten.

Das aber, was Sascha Schneider   hier gelungen ist, die größten Wirkungen mit den denkbar einfachsten Mitteln zu erzielen, ist das große Geheimniß aller Kunst, ist der höchste Gipfel, den der Künstler zu erklimmen vermag.

Gedankensplitter.

Wereschtschagin erzählt in seinen Selbstbiographien unbedeutender Leute: Ein nicht eben sehr fluger Manu, der aber Französisch und Deutsch   verstand, besaß einen Leibeigenen aus dem Simbirskischen Gouvernement als

Bedienten, ein Mordwine oder ein Tschuwasche war es. Einmal sagte er ihm: Du bist ein Dummikopf!" und der Diener erwiderte:" Du bist selber einer! Du hast ja gekauften Verstand und mein Verstand ist mir von der Natur gegeben."

Auf manchem Malerwerk der älteren Zeit steht das Wort fecit"( er hats gemacht) neben einem Namen, der aber nicht der des Malers ist, sondern der Name Desjenigen, der das betreffende Bild bestellt, bezahlt, ge­stiftet hat. Mit den Großthaten der sogenannten Helden und großen Männer verhält es sich ähnlich, ihr Name wird rühmend genannt um gewisser Thaten willen, welche Andere in ihrem Auftrag vollbracht haben, da sie allein es nicht vermochten.

Sezze in Bewegung, finne, denke auf das, was ein Bürger und Mann besigen muß, der gewillt ist, dem durch jämmerliche Zeiten und verderbte Sitten nieder­geworfenen und geknechteten Staat in die frühere Würde und Freiheit zurück zu versehen. Ciceros   Briefe.

Geschichte darf man weder beweinen noch belachen Geschichte muß man verstehen. Spinoza  .

Niemand hat es noch vermocht, seinen Nachfolger zu tödten." Das gilt auch von Zuständen und großen Institutionen. Alles was im Geiste und in der Wahrheit als Träger der Zukunft gelten dürfte, hat noch immer schließlich den Sieg über die Vertheidiger einer zum Hin­fiechen verurtheilten Vergangenheit davongetragen.

Verantwortlicher Redakteur: Gustav Macasy in Leipzig  .

Durun, Geschichte des römischen Kaiserreiches.

Schnihel. n.

Viel Klagen hör ich oft erheben Vom Hochmuth, den der Große übt. Der Großen Hochmuth wird sich geben, Wenn erst die Kriecherei sich giebt.

Ade, Frau Politik, sie mag sich fürbaß trollen; Die Schriftzensur ist heutzutage scharf.

Was mancher Edle will, scheint er oft nicht zu sollen; Dagegen, was er schreiben soll und darf, Kann doch ein Edler oft nicht wollen.

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Ich schelte nicht das Titelkaufen. Es würde für denselben Preis

Das Amt der Dummkopf leicht erlaufen, Der jetzt sich zu bescheiden weiß. Prognostikon.

Vor Fenersgluth, vor Wassernoth Mag sicher fort der Erdball rücken. Wenn noch ein Untergang ihm droht, So wird er im Papier ersticken.

Der Edelmann.

Das schwör ich Dir bei meinem hohen Namen, Mein guter Klaus, ich bin aus altem Samen." Das ist nicht gut!" erwidert Klaus,

Oft artet alter Samen aus."

Gottfried August Bürger  .

Verdächtige Richter.

Ist ein Esel zu erstreiten, o, so suche Dir zur Hand Einen Richter, der nicht selber ist dem Esel anverwandt. Fr. v. Lugau  . Die blaue Hand. Ein Richter war, der sah nicht wohl; Ein Färber kommt, der schwören soll. Der Färber hebt die blaue Hand; Da ruft der Richter: Unverstand!

Wer schwört im Handschuh? Handschuh aus! Nein, ruft der Färber Brill' heraus! Auf einen adeligen Dummkopf.

Das nenn ich einen Edelmann! Eein Ur- Ur- Ur- Ur- Aelterahn War älter einen Tag

Als unser aller Ahn.

Räthsel- Ecke.

Lessing  .

Kombinations Aufgabe.

I.

II.

Alpe+ Rest Rhone+ Stuhl Oder Garn

Segel

Sinn

Norm

Isar

Tara

Schach

Eber

Winde

Adler

Ehe

Main

III.

Mineralisches Produkt. Bekannter Vorort Hamburgs  . Truppengattung.

Stadt in Württemberg  . Pflanze.

Mohn Schlachtort des Alterthums.

Rauchutensil.

Bekannte Landschaft in Deutschland  . Biblischer Name.

Die Vereinigung der Worte in Kolonne I mit denen in Kolonne II soll die in Kolonne III gewünschten Wörter er­geben. Die Anfangsbuchstaben dieser neuen Wörter nennen alsdann einen deutschen Schriftsteller der Gegenwart.

Auflösung der Diamant- Aufgabe in Nr. 21: G

Lea

Birne

Polenta

Moosrosen

Dererste mai Stuttgart

Forelle

Dumas

Max

i

Der erste Mai.

Nachdruck des Inhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Herrn G. Macasy, Leipzig  , Oststraße 14, richten.

Berlag: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg  .

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- Druck: Mar Babing in Berlin  .