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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

den Brief des Grafen; da schlug er auf die Kupfer= platte an der Wand; in demselben Augenblick kam wie unter der Erde hervor ein Haiduk, gleichfalls groß gewachsen, ganz mit Tressen bedeckt, und ge= leitete mich über die mit Gewächsen geschmückte Mar­morstiege hinan; oben begegnete uns ein anderer Haiduk, gleichfalls groß gewachsen, führte mich durch cinige Salons und übergab mich der Hand des neuen Lakaien in Livrće. Mau führte mich und führte mich, von einem Saal in den anderen.. Ueber glänzende, aus verschiedenartigen Holzarten zu­fammengesezte Parquetten, wie Glas blinkend und so glatt, daß man der Länge nach hinfällt, ehe man sich dessen versieht. Bemalte Plafonds, an den Wänden Spiegel in vergoldeten Rahmen, vergoldete, mit Stoff überzogene Möbel und überall leer, feine Seele. Und der Lakai ist so gravitätisch, geht schweigend, läßt kein Wort fallen.... Endlich führt er mich in das Arbeitszimmer des Grafen selbst; dort empfing uns der gräfliche Kammerdiener. Alle die anderen Lataien, die mich früher geleitet hatten, waren schlanken Wuchses und trugen goldgestickte Livréen. Dieser kleine Alte war dem Aussehen nach arm, trug einen einfachen Rock, der abgetragen schien; aber das Gesicht war flug, liftig- ganz Diplomat. Er musterte mich aufmerksam vom Kopf bis zum Fuß, als ob er bis in die Seele eindringen wollte; dann sprach er gemächlich: Sie werden hier warten, Gnädige. Seine Erlaucht sind so eben auf gestanden und geruhen zu beten.

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Man ließ mich allein im Arbeitszimmer. Ein ungeheuer großer Naum; man kann nicht gut von dem einen Ende erschauen, was in dem anderen vorgeht. Hier sieht man weder Spiegel noch Ver­goldungen; einfache Eisenmöbel, überall dunkle Bor­ti ren und Gardinen, selbst die Fenster sind zur Hälfte verhängt, so daß im Zimmer ein Halbdunkel herrscht. Ein Winkel wird ganz von einem großen Heiligenschrank eingenommen, vor welchem einige Lämpchen schimmern.

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,, Hier size und size ich. Die Zeit schleicht ent­setzlich langsam und der Graf ist noch immer nicht da! Die Ungeduld erfaßt mich. Ich begann zu horchen. Hinter einer Porti re hörte ich etwas wie unzusammenhängendes Gemurmel. Da hob ich vor­sichtig das Ende der Porti re ich sehe wieder ein Zimmer, ganz mit schwarzem Tuch ausgeschlagen, einer katholischen Betnische ähnlich; überall Heiligen­bilder, Kruzifire und Lämpchen; dort im Winkel steht ein schwächliches, tes Männchen, wie eine Mumie, murmelt etwas, befrenzt sich jeden Augen­blick und schlägt mit der Stirn auf den Boden; und zwei große Lafaien unterstützen ihn zu beiden Seiten, lassen ihn wie eine Drahtpuppe bald auf die Knie nieder, stellen ihn bald wieder auf die Füße... und Einer von ihnen zählt dabei laut, um nicht zu übersehen, wie viele Verbeugungen bis zur Erde seine Erlaucht heute zu machen geruhten. Mir erschien der Anblick so lächerlich, daß mir die Schüchternheit verging. Sowie der Lakai bis vierzig gezählt hatte, hieß es für heute genug und der Graf wurde vom Heiligenschrein weggeführt. Ich fand kaum Zeit die Portière herabzulassen und eine bescheidene Miene anzunehmen, als seine Er­laucht schon vor mir stand.

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( Schluß folgt.)

Thatsächlich ist ja auch der gewaltige Gluthball, welcher so groß, daß falls er eine Halbfugel wäre, deren Mittelpunkt unsere Erde einnähme, dann der etwa 50000 Meilen von uns entfernte Mond nicht nur innerhalb derselben ungehindert die Erde um­kreisen könnte, sondern noch etwa siebenundzwanzig Erdfugeln in geschlossener Reihe zwischen Mond und Oberfläche der Hohlkugel Platz fänden, der Urquell alles Seins, alles Lebens, aller Sträfte auf den von ihr abhängigen und aus ihr hervorgegangenen Welten.

Nichts giebt es auf der Erde, dessen Wurzel nicht in der Sonne haftet, sei es die in Kraft sich umsetzende Kohle der Erdtiefe, der Kreislauf der Gewässer, der tosende Orkan oder die buite Welt der Lebewesen; in allen kommt der Pulsschlag der Allherrscherin zur Erscheinung.

Riesengroß ist die Summe der Kraft, welche diese unbeschränkte Königin in das All ausstrahlt, und übertrifft allein die auf die Erde in Gestalt von Licht und Wärme niederfluthende Sonnenenergie von Licht und Wärme niederfluthende Sonnenenergie viele Millionen mal die durch die Verbrennung der Steinkohle künstlich ausgelösten 30 Millionen Pferde­kräfte, zu deren Erzeugung jährlich 500 Millionen Tons Kohlen verwendet werden.

Bedenkt man, daß die Gesammtkraft, welche die Sonne ausstrahlt, mindestens 700 Millionen mal* diejenige übertrifft, welche die Erde empfängt, und diejenige übertrifft, welche die Erde empfängt, und die sämmtlichen Planeten unseres Sonnensystems zusammen etwa nur 80 mal soviel Kraft aufsaugen als die Erde, eine gegen die Gesammtkraftproduktion nahezu verschwindende Summe, so ergiebt sich, daß fast 700 Millionen Krafteinheiten unbenutzt in den endlosen Weltraum zwecklos sich zerstreuen und nur 80 zur Erzeugung aller Vorgänge und alles Lebens auf den von der Sonne abhängigen Planeten zur Ausungung gelangen.

Der theologischen Weltanschauung, welche Alles in der Welt als weise angeordnet und zweckmäßig hinstellen möchte, dürfte es angesichts dieser unge­heuerlichen Kraftverschwendung doch äußerst schwierig werden, ihre Position zu behaupten.

Noch nicht gar lange ist es nun her, seit man über die wahre Natur des Sonnenballes Klarheit erlangte, denn bis über die Mitte dieses Jahr hunderts hinaus fand allgemein die Herschelsche Hypothese Anerkennung, nach welcher der eigentliche Sonnenball ein falter, dunkler Körper sein sollte, welcher von einer blendenden Lichthülle, der Photo­sphäre, umgeben sei.

Erst die Spektralanalyse räumte, wie vielerorten so auch hier, mit den Irrthümern älterer Zeiten auf so auch hier, mit den Irrthümern älterer Zeiten auf und bewies unantastbar, daß die Sonne ein glü­hender Körper von unendlich hoher Temperatur sei, der weit in den Weltraum hinaus von einer Atmo­sphäre glühender, leuchtender Dämpfe umgeben sei.

Höchst auffällig erscheint nun das außerordentlich niedrige spezifische Gewicht des Sonnenballes, welches nur etwa ein Viertel desjenigen der Erde beträgt und zwar deshalb, weil doch der Mittelpunkt eines Weltkörpers sowohl, wie eines Systems, stets aus schwersten Stoffen gebildet sein muß.

Es wäre daher diese geringe Dichtigkeit der Sonne nahezu unbegreiflich, wenn nicht zugleich als gewiß anzunehmen wäre, daß wir in dem bei der Berechnung desselben zu Grunde gelegten scheinbaren Sonnendurchmesser nicht denjenigen des glühend flüssigen eigentlichen Sonnenternes vor uns haben, sondern den Durchmesser der diesen umgebenden

Wanderungen durch Beit und Raum. Hülle glühender Dämpfe erblicken.

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Don Th. Dverbeck.

V.

Die Herrscherin Sonne   und ihr Reich.

Tiefes Dunkel ist mein Tunkel, zur Sonne blic' auf, die allein Leben giebt, strahlend."

iese Inschrift der Diana zu Ephesus, det viel brüstigen Personifikation der ewigen Natur, legt Zeugniß ab von dem tiefen Natur­empfinden der Kulturvölker des Alterthums und läßt zugleich erkennen, welch ernste Berechtigung der Sonnenfultus der Vergangenheit und auch der Gegenwart an sich hat.

Der eigentliche Sonnenförper wird unbedingt eine weit höhere Dich: igkeit befizen als unser Erd­körper, aber nur eine Kugel von vielleicht dem halben Durchmesser des unserem Auge sich zeigenden glühenden Gasballes darstellen.

Der Sonnenball ist nun beständig der Schauplatz der gigantischsten physikalischen Prozesse. Glühende Gase wirbeln, von donnernden Orkanen gepeitscht, gegen welche unsere irdischen Wirbelstürme und Tor­nados als Nichts verschwinden würden, oft erplo­

* Etwa 18-19000 Erden wären erforderlich, in einer Reihe ein Biertel der Erdbahn zu füllen, demnach wären etwa 700 Millionen Erden erforderlich, um eine Kugelschale in Erdform um die Sonne zu bilden.

fionsartig emporgeschleudert, zu Höhen hinauf, die schier unglaublich erscheinen, und das mit rasender Geschwindigkeit. Der Astronom Joung beobachtete 3. B. am 7. September 1871 einen riesigen Wasser­stoffausbruch von 161000 Kilometer Breite und 87000 Kilometer Höhe, welche Masse durch eine Explosion gesprengt ward und dann die Trümmer binnen 10 Minuten bis zu einer Höhe von 200000 Meilen( englischen) über die Sonnenober­fläche emporgeschleudert wurden, was einer Ge­schwindigkeit von 260 Kilometern in der Sefunde ent­spricht; im Jahre 1880 beobachtete derselbe Astronom eine strahlenförmige Protuberanz( Ausbruch glühenden Wasserstoffs), welche in einer halben Stunde sogar bis zu einer Höhe von 563000 Kilometern emporstieg.

Derartige Ausbrüche bilden die erwähnten soge= nannten Protuberanzen, meistens identisch mit den schon länger bekannten Sonnenfackeln, leuchtenden Riesenflammen, welche als zackige, grellroth lench­tende Wolken zuerst bei totalen Sonnenfinsternissen, über den dunkeln Mondrand hervorragend, beobachtet wurden, seit der Erfindung des Spektroskops aber täglich zu sehen sind.

In gewissem Zusammenhange mit diesen Pro­tuberanzen stehen die Sonnenflecken, meistens der Kreisform sich nähernde Verdunkelungen des grellen Lichtmeers, deren Bewegung schon früh den Beweis für eine Notation der Sonne erbrachte, und die für eine Umdrehung erforderliche Zeit auf etwa 25 Tage feststellte.

Das Spektroskop zeigt mun, daß diese Sonnen­flecke vorzugsweise aus Wasserdämpfen und Eisen­oryden bestehen, also aus den Produkten der Ver­brennung von Wasserstoff und Eisen, welche in den höchsten Regionen sich bildeten und dann abgekühlt und dadurch schwerer geworden in den Gluthdämpfen wieder untertauchten, wodurch sich dann über den fiufenden Stoffen zugleich trichterförmige Klärungen der Atmosphäre von Gluthen, also scheinbar Ver­tiefungen im Sonnenball, erzeugten.

Die Sonnenflecken sind nun die ersten, nach­denklich stimmenden Anzeichen einer beginnenden ernsthaften Erkaltung der Sonnengluth. Wenn auch langsam, so doch im Laufe der Zeit unaufhaltsam wachsend an Zahl und Größe, werden sie schließlich das Feuer in starre Banden schlagen; ihr endgültiger Sieg, d. h. ihre Ausdehnung über den ganzen Sonnenball, gleichbedeutend mit Verdunkelung des= selben, ist sicherer Tod der gesammten Lebewelt auf den die Sonne umkreisenden planetarischen Welten, falls nicht etwa das Leben auf diesen aus anderen Gründen schon früher erloschen sein sollte.

Augenblicklich zeigen die Sonnenflecken eine perio­dische Zu- und Abnahme, eine Periode, deren Dauer 111,9 nach langjährigen Beobachtungen auf 11 Jahr festgestellt ward, und lassen sie einen eigenthümlichen, noch nicht genau erklärten Zusammenhang mit Nord­licht und magnetischen Störungen deutlich erkennen.

Auch zu meteorologischen Prozessen, Stürmen und Ueberschwemmungen, sowie zu dem Ausfall der Ernten hat man sie in Beziehung gebracht, doch ist man hinsichtlich dieser noch nicht zu unanfechtbaren Resultaten gelangt.

Höchst eigenartig und nicht unbedenklich ist das erhebliche Auschwellen der Zahl und Ausdehnung der Sonnenflecken, verbunden mit einer erheblichen Abnahme der Intensität des Sonnenlichts, über welches die Geschichte mehrfach berichtet.

So hatte z. B. die Sonne im ganzen Jahre 45 v. Chr. ein mattes und schwaches Licht, daher es falt blieb, nicht ordentlich Sommer ward und die Früchte nicht gediehen und war im Jahre 409 n. Chr., als Alarich   vor Nom erschien, die Sonne längere Zeit verdüstert. Humboldt berichtet im Kosmos" über eine ganze Reihe derartiger Fälle.

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Bei der Besprechung der Diluvialerscheinungen und der Eiszeit der Erde werden wir auf diese Verhältnisse nochmals zurückkommen müssen.

Eine der wichtigsten Fragen ist nun diejenige nach dem Ursprung der Sonnenenergie, nach den Quellen des ausstrahlenden Lichts, der Wärme und der chemischen Straft.

Daß bei so riesigen Ausgaben in irgend einer Weise ein Ersatz geleistet werden muß, ist selbst­