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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Was wollen Sie hier?" ruft Frau Türk zornig. Sie haben Ihr Geld und hier nichts mehr zu suchen. Das Kind ist unser unser mit allen Rechten und Pflichten. Sie haben versprochen, sich nie mehr darum 311 kümmern sofern Sie sich überhaupt jemals viel um es gefümmert haben. Gehn Sie!"
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Verzeihung, verehrte Dame," fleht ängstlich die Frau.„ Ich bringe ja das Geld zurück. Geben Sie mir mein Kind wieder, nehmen Sie Ihr Geld! Der Kummer bricht mir das Herz!"
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, Sie haben sich also die Sache anders überlegt?" fragt der Nentier. Sie wollen Ihr Kind lieber im Elend aufwachsen sehen, als seine Zukunft in guten Händen wissen?"
Nein, nein," stöhnt die weinende Mutter. ,, Nun, ist es denn bei uns nicht gut aufgehoben? Sie müßten es sehen, wie es sich verändert hat. Garnicht mehr wieder ist es zu erkennen."
ich
Ich weiß es, Herr Türk, ich weiß es weiß auch, daß ich kein Recht mehr an das Kind besize, wenn Ihre Güte es mir verweigert. Darum bitte ich ja auch nur, ich fordere nicht. O, haben Sie Mitleid, verweigern Sie mir meinen einzigen Liebling nicht!"
Warum wollen Sie ihn denn eigentlich zurückhaben? Sie sind ja nicht im Stande, für ihn zu sorgen denken Sie doch mehr an ihn, weniger an sich," erklärt Frau Türk zürnend.
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" Ich kann für ihn sorgen," lautet die rasche Antwort. Meine Verhältnisse haben sich verbessert. Ich habe eine kleine Erbschaft gemacht, nicht groß, aber ausreichend. Freilich, so viel als Sie, kann ich ihm nicht bieten, aber ich denke, die Mutterliebe ist auch etwas werth und die kann ich ihm allein geben!"
Das gutmüthige Ehepaar fühlt sich gerührt, doch hängt es bereits sehr an dem lieblichen Knaben und möchte ihn nicht gern missen. Man läßt die Frau in das Wohnzimmer kommen, niedersehen, und Herr sowohl als Frau Türk erschöpfen alle Künfte der leberredung, um die liebende Mutter zu bewegen, von ihrem Entschlusse abzustehen.
" Sehen Sie nur," sagt Frau Türk, wie hübsch er es bei uns hat. Er wird gepflegt und gehätschelt wie ein Prinz. Früh Milch und Kakao, ein Ei zum Frühstück, Mittags vorzügliches Essen, jeden Nachmittag gehen wir mehrere Stunden mit ihm spazieren. Er trägt schöne Kleider, wird mit. Allem versehen, was er sich nur wünschen kann. Sobald er das Alter hat, schicken wir ihn in die beste Schule der Stadt, er soll etwas Tüchtiges lernen und werden." Sie führen sie herein, zeigen ihr seine Betten, seine Kleider, sein Spielzeug sie ist voll Freude und Bewunderung, aber beharrt auf ihrer Bitte.
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,, Sie machen das Kind selbst unglücklich," sagt endlich ärgerlich Herr Türk. Es fühlt sich so wohl bei uns es liebt uns und denkt garnicht mehr an Sie. Ich bin überzeugt, es wird garnicht mit Ihnen gehen wollen."
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auf die Wangen und beginnt in väterlichem Tone: Ist es hübsch bei uns, Jakob?"
" Ja!" erwidert das Kind, noch immer den fragenden, bestürzten Ausdruck in den unentwickelten Zügen. ,, Hast Du schöne Kleider ein feines Hütchen? ein feines Hütchen? Ein großes Neitpferd, einen Fuhrmanuswagen und eine Eisenbahn?"
" Ja!"
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" Möchtest Du das Alles wieder hergeben?" fragt Frau Türk.
,, Nein, nein!" erklärte das Kind.
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Die Dame fährt darauf, ihn zärtlich liebkosend, fort: Möchtest Du wieder alte, häßliche Lumpen tragen, schmusig sein und hungern? Nicht mehr Fleisch und Milch genießen, Honigbrötchen zum Frühstück, süße Birnen und Aepfel, Jaköbchen?" ,, Nein, nein, nein!" ruft der Knabe.
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Nun, siehst Du Deine Mutter will Dich wiederholen, sie will Dir wieder schlechte Sachen anziehen, Du wirst wieder arm sein und Hunger leiden. Nicht wahr, Du willst nicht mit ihr gehen, sondern bei uns bleiben?"
Der Knabe sieht seinen Pflegevater mit verwunderten Augen au.
„ Ich will keine schlechte Sachen haben," spricht er mit kindlicher Offenheit.
" Jakob, mein Jakob!" ertönt da eine leise, zaghafte Stimme.
Der Kleine horcht auf und schaut um sich, indeß seine großen Augen zu leuchten anfangen.
" Jakob!" wiederholt die Frau im Tone entsetzlicher Herzensangst und tritt näher heran. Kennst Du mich noch, Jakob."
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Mutter!" schreit er da, mit einer Stimme, die alle Erinnerungen und Empfindungen seines kurzen Lebens zusammenfaßt. Er reißt sich los, springt vor, auf sie zu und hängt sich an sie, wie damals, vor, auf sie zu und hängt sich an sie, wie damals, als sie ihn verlassen mußte.
,, Mutter, meine gute Mutter!"
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" Jakob, mein Kind!" Wie Triumph flingt es aus ihren Worten, ihre Augen strahlen, ihr Herz jubelt, ihr Kopf ist berauscht und doch fließen ihre Thränen nieder auf sein blondes Lockenhaar, während er sich verzweifelt und ängstlich an sie klammert, fürchtend, sie könnte wieder von ihm gehen.
,, Mutter, nun bleibst Du doch bei uns?" flüstert er, mit scheuen Blicken auf seine Pfleger.
Diese stehen da, innig bewegt, Frau Türk mit umflorten Augen. Sie erkennen, daß ihr Spiel verloren ist. Noch einen Versuch macht die Dame, indem sie den Sleinen streichelt und ihn sanft an redet:„ So willst Du wirklich von uns fort, Jakob?" „ Ich will bei ihr bleiben."
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Und willst alle Deine schönen Kleider und Spielsachen hergeben?"
Einen Augenblick umdüstert sich das hübsche Kinderantlig, dann erklärt der Knabe fest: er wolle
Die bleiche Frau zittert am ganzen Leibe, sie sie hergeben. wankt und hält sich am Tische fest.
" Nicht mit mir gehen?" stammelt sie erschreckt. " Gewiß nicht. Sie werden es uns doch nicht gegen seinen Willen entführen?"
Da fährt sie plößlich auf, blickt den Nentier mit festem Ausdrucke an.
Gegen seinen Willen nicht," erklärt sie ent schlossen.„ Wo, es ihm ant besten gefällt, mag er bleiben!"
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Gut, so sei es!" ruft das Ehepaar.
" Hole ihn, Mama," bestimmt Herr Türk.
Seine Frau holt den kleinen Jakob herein. Er sieht ganz anders aus als vor drei Monaten, viel wohler und blühender. Sein kleines Antlig ist voll und rund, seine Aermchen sind prall und fleischig- trotzdem schreit die Mutter auf und beginnt qualvoll zu weinen, als sie ihn erblickt. Aber der Rentier stellt sich zwischen sie und das Kind, damit der Kleine sie nicht sofort erblickt. So hört er nur den Schrei und schaut sich befremdet um.
Herr Türk kniet vor dem Knaben nieder, stellt ihn vor sich hin, dergestalt, daß er noch immer die Frau nicht sehen kann, dann füßt er ihn liebevoll
Die glückliche Mutter drückt ihn stürmisch an sich, mit aller Macht ihrer schwachen Arme.
„ Ich bin aber arm, Jakob, überlege es Dir. Ich habe fein so schönes Bett für Dich. Weißt Du noch, daß Du mit mir schliefst? In dem kleinen, dunklen Stübchen auf den Hof hinaus, wo die Pferde alle Tage vorbeikamen? Dent nach, Kind, willst Du nicht lieber dableiben? Soll ich gehen?"
" Nein, nein!" schreit das Kind, schluchzt und weint und hält sich fest an dem armseligen Kittel der Mutter.„ Ich will nicht hier bleiben, ich will mit Dir gehen."
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" Das Kind hat entschieden," sagt die Frau des Hauses leise und traurig. Es wäre graufam, es ron seiner Mutter trennen zu wollen gegen seinen und ihren Willen. Nehmen Sie es hin. Was der Knabe trägt und wir für ihn angeschafft haben, soll er behalten."
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" Wie gut Sie sind," schluchzt Jakobs Mutter. Aber Du mußt uns manchmal besuchen, Jakob," wendet sich der Neutier gerührt an den Kleinen. " Willst Du das?"
Ja, das will er aber nicht dableiben!
So kehrt der kleine Pflegesohn wieder zu seiner Mutter zurück, in ihre armselige Wohnung, aber zu ihren Herzen voll Liebe und Opfermuth. Mutter und Kind gehören zusammen reißt sie nicht aus: einander, sondern ändert die erhältnisse, welche einer Mutter den entsetzlichen Entschluß abringen, ihr Kind fremden Händen zu überantworten. Arme Mütter, arme Kinder wem die Mutterliebe fehlt, dem fehlt der beste Theil des Lebens, das Element, welches unsere edelsten Empfindungen erzeugt.
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So äußern sich am Abend der Trennung tief= bewegt Herr und Frau Türk und letztere hat nicht wieder behauptet, daß die Mütter, die sich von ihren Kindern trennen, sammt und sonders grausam und lieblos feien.
Bu unserem Bilde.
Die Hinrichtung der Communeros. Zur selben Zeit, da der im Juli 1519 zum deutschen Kaiser erwählte König Karl den Boden der Niederlande betrat, kam die schon lang genährte Empörung der Spanier endlich zum offenen Ausbruch.
Unwillig über den Einfluß der Fremden, die als Rathgeber des Monarchen oder im Besize hoher Aemter und Würden, das Land in schamloser Weise ausbeuteten, unwillig über die Bereitwilligkeit der Cortes, die Geldforderungen des Königs zu erfüllen, während dieser für die zahlreichen Bittgesuche und Beschwerden des Volkes fein Ohr hatte, waren im Juli 1520 mehrere Städte Castiliens, allen voran Toledo , zu einem festen Bund, der sogenannten„ Heiligen Junta von Avila" zusammengetreten.
War die Bewegung anfangs eine allgemeine, so daß selbst der Adel und die Geistlichkeit ihr sympathisch gegenüberstanden, so wandte sich das Blättchen, als diese merkten, daß die Kommunen es nicht nur auf die Bekämpfung des fremdländischen Einflusses abgesehen, sondern auch mit den alten Vorrechten und Privilegien des Herrenstandes aufzuräumen entschlossen waren.
Angesichts dieser gänzlich veränderten Verhältnisse besannen sich die Edelsten der spanischen Nation natürlich auf ihre angestammte Loyalität, verständigten sich mit der von einem Ausländer geführten, verhaßten Regentschaft und verstärkten mit ihrem Fähnlein das königliche Heer, das sich bereits anschickte, den Hauptstüßpunkt der Communeros, Tordesillas , anzugreifen.
Hätten die Insurgenten darum auch nicht für ihre, durch eine ansehnliche Truppenmacht gefestigte Position zu sorgen brauchen, so waren doch Zwistigkeiten unter ihnen ausgebrochen, die ihre Kraft lähmten, und vor Allem befand sich das Oberkommando in den Händen eines unfähigen Edelmannes Don Pedro Giron, dem der bisherige Führer, der kühne, feurige Don Juan de Padilla hatte weichen müssen.
So kam es denn, daß troß heldenmüthiger Ver
theidigung Tordesillas fiel, und, weil die daselbst residirende gemüthskranke Königswittwe Johanna den Adel mit offenen Armen empfing, zugleich das Ansehen der Junta sant, die lange Zeit auf die Unterstüßung der Königin gerechnet und ihrem Vorgehen durch sie einen legalen Charakter zu verleihen gedacht hatte.
Allein troß dieses harten Schlages schwand den Communeros nicht der Muth, umsoweniger als der vom Volke fast vergötterte Don Juan de Padilla wieder die Führung übernommen hatte.
Es gelang, die nahe Tordesillas gelegene Veste Torre de Lobaton zu beseßen und von hier aus einen Waffenstillstand zu erwirken; freilich nicht für lange Zeit. Denn Maria Pacheco, die kühne, für die Freiheit begeisterte Gattin de Padillas, spornte ihn und die Communeros zu neuem Kampfe an.
So kam es denn, nachdem die Waffenruhe im März 1521 gekündigt war, bereits einen Monat später zur Entscheidung.
Auf den Gefilden von Villalar geriethen die feindlichen Heere aneinander und nach langem, heißen Ringen mußten die Insurgenten, von denen 800 todt die Wahlstatt deckten, der überlegenen Kriegskunst der Königlichen weichen.
Den Gefangenen machte man als Hochverräthern und Aufrührern den Prozeß und nach kurzem Verhöre mußten Diejenigen, die für des Volkes Wohl und Freiheit ins Feld gezogen waren, unter dem Beile des Henters blutig büßen. Von Allen aber und auch Padilla gehörte zu ihnen die als Opfer grausamer Rachsucht auf dem Schaffot ihr Leben ließen, heißt es, daß sie, würdig der großen Sache, der sie dienten, mit stolzer Unerschrockenheit in den Tod gingen.
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