Die Neue Welt
Nr. 30
Illustrirte Anterhaltungsbeilage.
Die stillen, heimathlichen Thäler, Die seine Jugend grün umrauscht, Hat längst der lyrische Pennäler Für eine Weltstadt eingetauscht.
In der Weltstadt. W
In
Don Brno Holz.
Er sieht mit Schauder, wie das Laster Sich dort juwelenfunkelnd bläht, Das Elend aber tritt das Pflaster Von Morgens früh bis Abends spät!
Er fühlt, wie wilde, wilde Flammen Ihm heiß und roth das Hirn durchlohn, Und beißt die Zähne fest zusammen Und murmelt: Hohn, Hohn, dreimal Hohn! Er sieht, er hört, er fühlt den Jammer Und wandelt Tags von Haus zu Haus Und grollt dann Nachts in seiner Kammer Sein Herz in wilde Lieder aus.
Auf der Walze.
Aus den Papieren eines Fechtbruders. Von F. Riebeck.
( Fortsetzung.)
Bwölffes Kapitel.
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Der gefräßige Schneider. reimal in der Woche- Dienstag, Donnersreimal in der Woche- Dienstag, Donnerstag und Sonntag speisten wir Mittags im„ Deutschen Kaiser"; das war jenes präch= tig aussehende Gasthaus außerhalb der Stadt, an dem Franz und ich vorbeizogen, als wir von der waldigen Höhe in das traute Thal gelangten. An den anderen Tagen bereiteten wir unsere Kost auf dem kleinen Ofen der Werkstatt. Sie bestand zu meist aus Kartoffelspeisen und Mehlsuppen; die Fleisch fost war zuweilen vertreten durch den nahrhaften Hering.
Im Deutschen Kaiser" bekam ich stets ein gutes Stück Fleisch, und dennoch hätte ich am liebsten Tag für Tag in der Werkstatt gegessen und mich mit Salzkartoffeln und Mehlsuppe begnügt. Aus dem„ Deutschen Kaiser" kehrte ich nämlich regelmäßig mit einem gefunden Appetit heim. Wir aßen zusammen mit zwei Schneidergesellen, und der kleinste von ihnen war einer der verwegenſten Fresser, die mir je im Leben begegnet sind. Das Fleisch lag für jede Person abgetheilt da; die Kartoffeln, oder die Klöße, oder das Gemüse befanden sich in einer gemeinsamen Schüssel. Der kleine Schneider faute feine Speise; er verschlang fie ganz, und wenn ich nicht schnell beherzt zugriff und meine Kauwerk
1897
Er hört, wie Nachts in den Fabriken Der Proletar nach Freiheit schreit, Indeß ein Volk von Domestiken Dem nackten Recht ins Antlitz speit!
Er hat es längst, schon längst vergessen ,. Wie wohl im Lenz die Sonne thut, Und wie's im Wald, umblüht von Kressen,. Sich einst so schön, so schön geruht! Nur manchmal, manchmal noch durchziehen Sein Herz, das nach Erlösung schreit, Die grünen Waldhornmelodien Der längst verrauschten Kinderzeit.
zeuge nicht rasch arbeiten ließ, so erlitt ich schweren Schaden. Es bestanden beim Essen gewisse Anstands gefeße, die wohl auf Ueberlieferung beruhen mochten. So wurde zum Beispiel streng an der Negel festgehalten, daß jeder Kostgänger zunächst nur wenig Speise auf seinen Teller nehmen durfte nur eine Kartoffel, oder nur ein Klößchen, oder nur einen Löffel voll Gemüse. Nachdem ich in den ersten Tagen wiederholt gegen diese Ortsregel gefehlt hatte, fragte mich der Meister auf dem Heimwege bissig, ob ich noch keine Bildung gelernt hätte, und im Anschluß daran hielt er mir einen knappen, eindringlichen Vortrag über die guten Sitten bei Tisch. Ich war tief beschämt, und als ich am nächsten Fleischtage wieder in den Deutschen Kaiser" ging, empfand ich ein starkes, beängstigendes Herzklopfen, denn ich glaubte, ich hätte meinen Tischgenossen eine allzu drastische Probe meiner Unbildung ge= liefert, und ich fürchtete, sie würden mich für gefräßig halten. Ihrer Verachtung sicher, wagte ich bei Tische kaum den Blick zu erheben, und als ich bei Tische kaum den Blick zu erheben, und als ich die erste Kartoffel verspeist hatte und einen ver= stohlenen Blick nach der Schüssel sendete, gewahrte ich mit Grausen, daß sie leer war; der kleine Schneider hatte sie ausgeräumt.
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Was ich auch austellte es gelang mir nicht ein einziges Mal, mich im„ Deutschen Kaiser" satt zu essen. Eine zweite Anstandsregel gebot mir, immer erst zuzufangen, wenn der Meister zugelangt hatte; doch wenn dieser mit der ersten Auflage fertig war und seinen Arm nach der Schüssel ausstreckte, fand er stets nur klägliche Ueberreste gewesener Herr
lichkeit; der aus der Art geschlagene Schneider hatte längst mit der Gier und der Unverschämtheit eines Heuschrecks den übergrößten Theil der Masse vertilgt. Das armselige Ueberbleibsel theilte der Meister großmüthig mit mir. Ich hoffte von Tag zu Tag, er werde das Freßungeheuer zur Rede stellen und eine gleiche Vertheilung der Güter anbahnen; allein er hatte nicht das Bedürfniß, viel mehr zu essen, als ein Stückchen Fleisch, und so schwieg er. Ach, und mir hatte der liebe Gott das zweifelhafte Geschenk eines großen Magens und einer guten Verdauung mit auf den Weg gegeben!
Kompot bekam ich fast nie. Das verhaßte Ungethüm lauerte voll Arglist und Heißhunger, bis mein Meister und der ältere Schneider, der auch nur sehr wenig aß, sich bescheidentlich bedient hatten; dann bemächtigte er sich mit raubthierartiger Schnelligkeit der Schüssel und verschlang den ganzen Inhalt im Handumdrehen. War es Backobst, so grinste er, sich bei mir entschuldigend:„ Backobst ess' ich for mein Leben gern!" Waren es Pfeffergurken, so lautete die Entschuldigung:„ Pfeffergurken ess' ich for mein Leben gern!" und gab es irgend einen Salat, so wendete er denselben Spruch auf den Salat an. Einige Male entriß er mir auch die Brotschnitte mit dem Bemerken, daß er Brot" for" sein Leben gern esse; später aber sah ich mich vor und schüßte das fostbare Gut vor Räuberhänden. Daß er gewöhnlich auch alle Senfnäpfchen leerte, deren er habhaft werden konnte, da er auch Senf für sein Leben gern aß, nahm ich ihm nicht weiter übel.