Aus dem Papierkorb der Zeit.

Hasenschule.( Zu unserem Bilde.) Es ist ein ganz besonderer, heutzutage wenig gepflegter Zweig der Thier­malerei, den der Spanier Jimenez in seiner Hasenschule vertritt.

Ist es dem Künstler dabei doch nicht um die rein objektive Wiedergabe der Thiergestalten, des Thierlebens, für sich oder in dessen Beziehungen zum Menschen, zu thun, als vielmehr darum, das Thierbild gewissermaßen nur als Maste eigentlich rein menschlicher Handlungen, Situationen, Leidenschaften zu benußen.

Ich möchte sagen, es ist die Darstellung von Thier und Menschenleben in Einem, die Schilderung Eines durch das Andere und somit eine Kunst, die nicht nur eine eminente Kenntniß beider in ihren intimsten Zügen, in ihren charakteristischen Merkmalen voraussetzt, sondern auch einen feinen Instinkt für das Gemeinsame alles animalischen Lebens erfordert, einen Justinkt, wie wir ihm in der Thierfabel und Thiersage oder etwa in den Werken des viel zu wenig bekannten großen deutschen Novellisten E. Th. A. Hoffmann begegnen.

Doch wenden wir uns unserem Bilde selbst zu. Es ist eine überaus drollige Szene aus dem Schulleben der jungen Hasenwelt, in der es nicht anders zuzugehen scheint, als im Unterrichte unserer Kleinen.

Während unter der großen Karte im Hintergrund drei ABC- Schüler mit ihrer ungelenken Pfötchen mühsam die ersten Schreibversuche machen, sollen die anderen zu den Füßen des Herrn Magisters die Kunst des Lesens üben. Aber allzugroß scheint die Begeisterung dafür nicht zu sein. Denn da just einer als unglückseliges Opfer zum Buchstabiren aufgerufen ist. braucht man nicht mitzuthun. Unbemerkt vom Herrn Verer guckt man über das Buch hinaus ins Freie und dent viel lieber an den saftig grünen Klee, an Lust und Sonne, anstatt auf die lang­weilige Erzählung von den Menschen zu hören, die heute durchgenommen wird.

Noch Andere auf der letzten Reihe halten iegt sogar den geeigneten Moment für gekommen, einander tüchtig in die Haare zu fahren, sich regelrecht zu prügeln.

Aber sie sollen nur aufpassen! Zwei Sünder hocken schon vorn neben dem Katheder. Daß es ihnen nur nicht auch so ergeht! Freilich, an einem solchen Schul­vormittag schleicht die Zeit wahrhaftig auch dahin wie eine Schnecke!

Doch nur Geduld. Es ist ja die letzte Stunde. Und wenn es nicht allzuviel Schularbeiten giebt, bleibt ja am Nachmittag noch genug Zeit zum Spielen übrig.

Ueber den Einfluß des Materials auf die Bildung von Kunstwerken. Für die Formengebung und Kompo­sition von Kunstwerken der Malerei, namentlich aber der Plastik, ist die Wahl des Materials für den Künstler nichts weniger als belanglos. Ja, der Kenner wird vielfach sogar schon auf Grund einer guten Abbildung das Material eines Kunstwerks zu bezeichnen wissen: eine lange Reihe verschiedener Faktoren, wie Härte, Textur, physische Beschaffenheit usw., üben einen bestimmenden Einfluß darauf aus. Zum Beispiel ist das Gebiet, auf dem sich die Aquarellmalerei zumeist bewegt, ein anderes als das der Delmalerei. Die Aquarellfarben sind leicht­flüssig und ermöglichen eine ins kleinste Detail gehende Pinselführung, die verschwimmenden Delfarben verlangen dagegen einen Zug ins Große, Breite. Die Aquarell­malerei bewegt sich daher mit Vorliebe in dem engen Rahmen des Zierlichen, Feinen, Detaillirten, während die Delmalerei auf größere Massenwirkungen hinzuarbeiten sucht. Der Künstler, der sich die Darstellung einer Berg­ruine oder einer buntbelebten Marktszene zur afgabe stellt, wird zumeist zu Aquarellfarben greifen, während er beim Malen von Wolfengebilden oder fernen Berg­gipfeln die Delmalerei anwenden wird. Ungleich größeren Einfluß übt das Material auf die Bildung von plastischen Kunstwerken aus. Der Künstler, der aus faserigem, grobkörnigem Material schafft, wie aus Kalfstein oder Tuff, wird jegliche feinere, detaillirte Ausarbeitung zu vermeiden suchen. Ebenso wird ganz hartes, sprödes Material, wie Granit oder Basalt, im Detail kleinlich und störend wirken, dagegen feinkörniges, elastisches Material, wie Elfenbein, eine überaus seine, detaillirte Ausarbeitung ermöglichen. Weiches, feinkörniges Material, wie Thon, läßt feine Spizen und scharfen Kanten zu und verlangt große Rundung und Weichheit in den Formen.

Ausgabe des denkenden Künstlers kann es demnach nicht sein, aus jedem Material dasselbe Kunstwerk zu schaffen, sondern dieses nach Maßgabe und unter Be­nugung der dem Material anhaftenden günstigen Eigen­schaften zu bilden. Besondere Beachtung verdienen die 3ähigkeit und Schwere des Materials. Bronze und Erz lassen eine viel freiere und ins Einzelne gehende Behand lung zu als Marmor, der infolge seiner Sprödigkeit und Zerbrechlichkeit eine ungleich größere Konzentration und namentlich eine viel genauere Unterstügung des Echwers punktes verlangt als das metallene Kunstwerk.

Wichtig ist ferner bei der Bildung von Kunstwerken aus Erz oder Stein die Farbe der Oberfläche und die Art, wie sie das Licht zurückwirft. Wegen der Reflexe i den beleuchteten Theilen und des Dunkels in den be­schatteten verlangt das Erz eine weit schärfere, ins Detail,

gehende Ausarbeitung als der Marmor: tiefe, zurück­tretende Theile find thunlichst zu vermeiden. Dieser Er­scheinung entspricht die Thatsache, daß im griechischen Alterthum in Metall vorwiegend nackte, in Marmor bekleidete Figuren gebildet worden sind.

Endlich ist noch die keineswegs unbeträchtliche Ver­schiedenheit in dem scheinbaren Maße bei hellen und dunklen Körpern zu erwähnen, die in gleicher Weise bei der Betrachtung des Ganzen und der einzelnen Theile hervortritt, und oft eine schwer zu umschiffende Klippe für den Künstler bildet. Um diesem Uebelstande zu be­gegnen, sieht sich der in Metall arbeitende Künstler ge­nöthigt, die Formen zu verstärken, der in Marmor schaffende, sie schwächer zu bilden. Eine interessante Bestätigung der gedachten Erscheinung bringt der Ver­gleich von getreu ausgeführten Bronzekopien von Marmor­originalen und umgekehrt. Die in Bronze ausgeführten Nachbildungen von marmornen Kunstwerken werden stets dünn und schwächlich, die Marmorkopien von metallenen Statuen unnatürlich dick und geschwollen erscheinen. 2.

Die deutsche Geschichtschreibung. Der Begriff der Geschichte steht trotz oder vielleicht auch wegen der ge­waltigen Fortschritte in der Geschichtschreibung, wie sie namentlich durch eine bis ins Kleinste gehende Arbeits­theilung in der historischen Forschung erzielt worden sind, noch immer nicht völlig fest. Zwar liegen uns die Er­gebnisse einer vielhundertjährigen Forschung vor, aber fast eine jede Zeit ist von anderen Voraussetzungen aus. gegangen und hat die historische Arbeit durch Elemente der ihr eigenthümlichen Lebens- und Weltanschauung beeinflußt. Hohes Interesse bietet eine kurze Uebersicht über den Betrieb der Geschichtschreibung auf ihren ver­schiedenen Entwickelungsstufen. Wenn wir von den kritik­losen, nur auf die Beibringung möglichst zahlreicher Kuriositäten abzielenden Aufzeichnungen der früheren Epochen absehen, von all jenen unzähligen, theilweise gereimten Chroniken, Weltgeschichten und Memorabilien, so herrscht bis in die erste Hälfte des vorigen Jahr­hunderts die utilitarische Geschichtschreibung. Ihren Ver­tretern erschien die Geschichte nicht als Selbstzweck, sondern nur als eine pädagogische Disziplin, als ein Mittel zur Belehrung und Besserung. Die Weltgeschichte war das Weltgericht: man suchte auf jedem ihrer Blätter den Fingerzeig eines gerecht abwägenden, lohnenden und strafenden Gottes. Wo die historischen Thatsachen jeder derartigen Auslegung unbarmherzig widerstrebten, da trug man kein Bedenken, sie zu fälschen und der moralischen Weltanschauung der Zeit anzupassen. Als lezten Aus­läufer dieser Richtung, der freilich von ihren ärgsten Auswüchsen frei ist, dürfen wir den bekannten Historiker Fr. Chr. Schlosser betrachten, namentlich in seinem Haupt­werk, der noch heute viel gelesenen Weltgeschichte für das deutsche Volk.

Schon frühe wurde dieser tendenziösen Methode in der Geschichtschreibung entgegengetreten, am entschiedensten von Herder. Er suchte den Zweck der Geschichte nicht in der Bestätigung des göttlichen Willens und einer aus­gleichenden Gerechtigkeit, sondern in ihr selbst. Er wies zuerst darauf hin, daß im Mittelpunkt der Geschichte die Entwickelung stehen müsse. Wenn auch Herder seine Forderungen nur für die Kultur, und nicht auch für die politische Geschichte aufgestellt hat, so hat er doch für die gesammte moderne Geschichtsauffassung bahn­brechend gewirkt. Das Verdienst, den Herderschen Ge­schichtsbegriff auf das Gebiet der politischen Geschichte verpflanzt zu haben, ist vornehmlich Niebuhr zuzuschreiben. In der Folgezeit trat das subjektive Moment in der Geschichtschreibung mehr und mehr zurück; man war bestrebt, den Verknüpfungen und Wechselwirkungen der historischen Vorgänge bis in die kleinsten Einzelheiten auf die Spur zu kommen und in kalter, leidenschaftsloser Darstellung die Thatsachen selbst sprechen zu lassen. Am meisten wurde die politische Geschichte gepflegt, daneben entwickelte sich eine Reihe von Spezialdisziplinen. Auf dem Gebiete der deutschen Rechtsgeschichte wirkte Eichhorn, auf dem der römischen Savigny bahnbrechend, für die Ausbildung der deutschen Literaturgeschichte gaben die Brüder Grimm den ersten entscheidenden Anstoß, die Wirthschaftsgeschichte wurde vornehmlich durch die For­schungen Roschers und Schmollers zum Range einer historischen Wissenschaft erhoben. Die politische Geschichte, bis dahin Alleinherrscherin auf dem Gebiete historischer Forschung, verhielt sich den genannten Spezialdisziplinen gegenüber lange, bei einzelnen ihrer Vertreter bis in die Gegenwart hinein, kühl und ablehnend. Man wollte sie zwar gelten lassen, aber nur als Stüße und Helferin bei der eigenen Forschung. Und da die Ergebnisse der Kultur­und Literaturgeschichte, die theilweise neue, überraschende Schlaglichter auf weit entlegene Geschichtsepochen warsen, auf die Dauer selbst nicht von den unbeugsamsten Ver­tretern der politischen Geschichte ignorirt werden konnten, half man sich zumeist damit, daß man in historischen Werken zwischen größere Abschnitte historisch- politischen Inhalts kleinere Kapitel einstreute, in denen das gesammte fulturhistorische Material für eine Epoche, so gut es eben ging, zusammengeschachtelt wurde. Unter den spezifisch politischen Historifern hat den größten Ruf Leopold Ranke erlangt. Freilich ist bei ihm und in weit höherem Grade bei seinem Schüler Sybel das Streben nach größt­

Berantwortlicher Redakteur: Gustav Macasy in Leipzig. -

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möglicher Objektivität zur Manier ausgeartet Beiden erscheint die Weltgeschichte als ein ungeleurer Wiechanismus, dessen komplizirter Konstruktion sie bis in das kleinste Detail nachzuspüren bestrebt sind. Als maßgebende Faktoren von Verlauf und Zielen der historischen Entwickelung gelten ihnen vornehmlich die Interessen der Fürsten - und Königsdynastien. Heute erscheint diese Art von Geschichtschreibung bereits als überwunden. Man begnügt sich nicht mehr damit, die Weltgeschichte als eine einzige große Haupt- und Staatsaktion aufzu fassen: man versucht für alle Vorgänge und Erscheinungen einer Epoche den verbindenden Faden zu finden, sie als Ausstrahlungen desselben Pols zu betrachten. Namentlich hat die materialistische Geschichtsauffassung, die allen Er­scheinungen im sozialen und im Geistesleben der Völker als gemeinsame Basis die jeweilige ökonomische Struktur unterlegt, der historischen Forschung eine Sieihe von neuen, fruchtbaren Gesichtspunkten eröffnet und ihr Wege erschlossen, deren Ziele wir heute noch nicht abzusehen vermögen.

Schnikel.

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2.

Der Dompfaff machts wie manches Menschenkind. Sie wissen nicht, daß sie gesa igen sind, Und singen auch nach Vogelmanier: Ein freies Leben führen wir!"

Würde manchem Edlen vom Bader Ausgeschnitten die Bauernader, Müßt er in wenig Minuten Sich zu Tode verbluten.

Leichensermone und Hofberichte Machen keine Weltgeschichte. Thierquälerei straft man heutigen Tages schwer, Doch Menschenquäler laufen noch frei umher. Die Zahl der Mitglieder ist beschränkt In manchem Klub und Verein,

Doch pflegen beschränkter als Mancher denkt, Die Mitglieder selber zu sein.

Du bist ein Deutscher! Das lieb ich sehr, Und bist auch Mensch, das gefällt mir noch mehr. Der Wiz in der Gesellschaft ist Der allerbeste Polizist;

Will Einer sich überheben, Gleich wird ihm was abgegeben. Was fümmert sich der Spekulant Um Ehr und Recht und Vaterland: Schlecht mag es gehen uns und Allen, Wenn nur nicht seine Papierchen fallen. Sich untereinander verstümmeln und morden, Ist eine Wissenschaft geworden, Wodurch man gelangt zu Ehr und Ruhm; Das ist mir ein schönes Christenthum!

Mag noch so viel ein Lehrer auch wissen, Sobald er barsch ist, launisch, verbissen, So mag er andern Beruf sich wählen, Als Kinder zu lehren und sie zu quälen. Wenn eine Bedientenseele gedieh Zu einem hohen Amte,

Den Bedienten kann sie vergessen nie, Und betrachtet Jeden, als ob er, wie sie, Auch von Bedienten stammte. Das ist fürwahr ein erbärmlich Geschlecht, Das sich betrügen läßt um sein Recht, Als wär es zu weiter nichts geboren, Als das Fell ihm zu ziehen über die Ohren. Für's Volk will dichten mancher Poet, Der's Volk nicht versteht, wie's ihn nicht versteht. Ein freies Volk zu Grunde richten Wird auch dem schwächsten Herrscher leicht, Die Freiheit Aller zu vernichten, Das hat noch keiner erreicht.

Hoffmann v. Fallersleben .

Frau Moral.

Die Moral ist eine wack're Madam, Scheert Alles über einen Stamm; Machts wie der Dorfbarbier fürwahr, Wenn der den Bauern schneidt' das Haar, Nimmt er ein holzen Schüsselein, Das sett er Jedem auf den Kopf, Sei nun sein Schädel groß oder klein, Und was hervorguckt von dem Schopf, Das scheert er ab wie nach der Schuur, Das nennt er dann eine Haarfrisur.

Nachdruck des Inhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Herrn G. Macasy, Leipzig , Oststraße 14, richten.

Berlag: Hamburger Buchdruckerei und Berlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg. - Druck: Mar Babing in Berlin .