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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

jetzt unerklärlich blieb, denn die Ursachen sind so äußerst einfach und passen sich derart allbekannten irdischen Verhältnissen an, daß man eigentlich den Vorgang sofort hätte erkennen müssen.

Zur Zeit des Frühlings nämlich schmelzen wechselweise die Rieseneiskappen der Pole gewaltig zusammen, abwechselnd tritt also einmal auf der Nordhälfte, dann auf der Marssüdhälfte Hochfluth auf, gewaltige Massen Treibeis, Eisberge und Eis­felder, welche durch ein Lichterwerden der Czeane sogar dem Auge des Beobachters auf der Erde sich direkt bemerkbar machen, ziehen, analog den irdischen Eisströmen, nach niederen Breiten.

Ein Ausgleich der Niveauverhältnisse der ver­schiedenen Lzeane muß nun stattfinden und daher passiren die gepreßten Fluthen die einzig vorhandenen Verbindungswege, die Kanäle, hier Hochfluth erzeugend.

Genau wie auf der Erde so auch auf dem Mars müssen diese Stromrinnen ein stets oder doch vor­zugsweise mit Wasser gefülltes Nicdrizwasserbett und rechts und links davon, für gewöhnlich trocken liegend, Juundationsterrain( lleberschwemmungsgebiet), das Hochwasserbett, besitzen.

Zur Zeit des Hochwassers verbreitert sich daher der Kanal beträchtlich, die tiefgehenden Eisberge und Eismassen aber können im Großen und Ganzen nur die tiefe, stets Wasser führende mittlere Strom­rinne, in der auch zur Hochwasserzeit die stärkste Strömung herrscht, benußen, das von seichtem Wasser

Periode des Lebens, in welcher sich die ersten dentlichen Spuren herannahenden Alters, die ersten grauen Haare zeigen, als welche die weiße Ver­eisung der Polargebiete und der Hochgebirge, ver­bunden mit einer Verdrängung des Lebens, und die in allen Festländern auftauchenden Wüsten und Steppen, letztere im Wesentlichen bedingt durch das auch auf der Erdoberfläche deutlich nachweisbare Schwinden des freien, sich in den Erdlern zurück­ziehenden Wassers, zu betrachten sind, der Mars dagegen ist über dieses Stadium längst hinaus: er ist ein absterbender Greis mit allen Schwächen hohen Alters.

Recht eindringlich predigt uns daher auch der rothe Mars die Vergänglichkeit alles Seins, doku­mentirt aber auch zugleich durch seine muthig für ihre Eristenz mit den Vernichtung drohenden Natur­gewalten kämpfenden Vewohner, daß auch für unser Menschengeschlecht, welches ciner solchen Kulturhöhe noch fern, ein der Menschheit würdiges Leben erst in ciner allerdings wohl nicht mehr fernen Zukunft seinen Anfang nehmen wird, sowie daß die jeßigen, von manchen Seiten so sehr gerühmten Zeiten im Wesentlichen noch nicht allzuweit von der Barbarei entfernt sind.

Typen aus dem Räuberleben

fannt machte; ihnen schloß sich an: Leiendecker, ein hinkender Schuster, und der Holzhacker Georg Reiden­bach. Ihre Zusammenkünfte hatten sie mit noch anderem lichtschenen Gesindel in Leidenscheid bei Kirn in dem Lokale des Wirthes Gräff, wo sie auch ihre erste Blutthat verübten. Es war in der Nacht vom 16. auf den 17. Fructidor des Jahres III( August 1795), sie vergnügten sich bei Musik und Tanz und schäkerten mit Mädchen. Iltis Jafob hatte seine schöne Frau bei sich, und Placken- Klos seine Geliebte, Elise Werner, eine ausblühende Schönheit von fanm sechzehn Jahren. Diese damals schon durch und durch verderbte Buhlerin war gemeinschaftliches Gut der Bande, zog gar in Husareniform mit einem französischen Offizier im Lande herum, den sie jedoch verließ, weil er grob und griesgrämisch war und- sie heirathen wollte. sie heirathen wollte. Nicht uninteressant ist, was ihr späterer Geliebter, ein ungarischer Husar, Martin Schmidt, vor Gericht von ihr ausgesagt hat: Sie habe ihm erzählt, daß der Placken- Klos ihr erster Schatz gewesen, der sie nachher verlassen und sich an die Burzliese Annie gehenkt hätte, und welcher endlich bei Gelegenheit cines Vorfalles mit dieser Annie von Schinderhannes, Fink und Seibert erschlagen worden sei; von ihrer Familie habe sie ihm geäußert, daß ihr Vater zu Trier gehenft, ihre Mutter auf der anderen Rheinseite geföpft und ihr Bruder ebendort gehenkt worden sei."

In jener Nacht nun schäferte Schnallen- Peter

überflutele Summationsgebiet aber wich ganz oder gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. mit der ingen gran bes barüber eifersüchtigen Bttig

nahezu eisfrei bleiben.

Bedenkt man nun, daß sich direkt über den in der Auflösung begriffenen Eismassen, durch Kon­densation des Wasserdampfes der Luft, genau wie auf der Erde, ein dichter, weißer Nebelstreif bildet, so haben wir das Räthsel der Verdoppelung gelöst, wie auf frappante Weise die Skizze auf Seite 284 illustrirt.

Von der Erde aus, also von oben gesehen, er= blicken wir die feine, weiße Längstrennungslinie, das Treibeis und die darauf ruhende Nebelwolfe, rechts und links davon die dunklen Wasserstreifen der Hochfluth.

Beiläufig mag hier darauf hingewiesen werden, daß auch die Marsbewohner, vorausgesezt natürlich, was dech wohl nach Allem wahrscheinlich, daß sie im Vesize cptischer Hülfsmittel sind, auch auf unserer Erde mindestens zwei ganz ähnliche Verdoppelungen erblicken werden.

Die eine an der Ostküste von Grönland , wo zwischen dem permanenten meilenbreiten Eisstrome und dem Festlande zur Sommerszeit stets ein breiter Streifen cisfreien, also vom Mars aus gesehen schwarzen Wassers verbleibt, die zweite dunkle Masse bildet hier allerdings die gewaltige Fläche des polaren Ozeans, die andere im Smithsund, dessen Mitte bei günstigem Winde zu gewissen Zeiten ebenfalls Treibeisströme führt, während die seichten Nand­gewässer eisfrei bleiben.

Aber sollte auch vielleicht die Annahme der Wahrheit entsprechen, welcher einzelne Astronomen zuneigen, daß wir nämlich die eigentlichen Wasser­massen der Marsfanäle garnicht sehen, weil die Stremrinne zu schmal, sondern wir in den dunklen Linien uur den durch das befruchtende Wasser des Kanals erzeugten Vegetationsgürtel erblicken, so würde auch dieses die Erklärung nur unwesentlich beeinflussen, denn immer würde das weiße Treibeis die scheinbare Längstheilung bewerkstelligen.

Achulich unserem Monde, der bereits, wie früher crwähnt( Abhandlung: Unser Mond."), auf dem Friedhofsstadium angelangt ist, zeigt uns nun auch der Mars das Bild einer allerdings noch fernen Bunnft unserer Erde.

Seine Ozeane find bereits erheblich zusammen­geschrumpft, das freie Oberflächenwasser hat sich gewaltig verringert, das Junere der Kontinente ist vermuthlich zum größten Theil Wüstenland, dem vorzugsweise nur an den Küsten und künstlich durch das durch die Noth erzwungene Bewäerungsnetz strichweise im Innern noch Ertrag abgerungen wird, die Luft ist trocken, relativ wolfenarm: der ganze Weltförper ist neben unserer Erde betrachtet, infolge seines höheren Alters rauh und kalt.

Ist ein Vergleich erlaubt, so befindet sich unsere Erde, als Organismus betrachtet, in der

A

Von Jak. Lippmann- Mainz .

I.

Schinderhannes.

Is im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahr­hunderts die lange geknechteten Menschen­rechte in Frankreich um Freiheit und Ge­staltung rangen, in heiligen römisch- deutschen Reich an den Höfen der Kleinſtaaten frasser Despotismus in höchster Blüthe stand, war es, wo an der Grenze beider Länder, am Rhein , an der Nahe und Mosel, sich die Näuberbanden üppig entwickeln fonnten. Eine der bekanntesten ist die von Johann Bückler , genannt Schinderhannes, geführte. Schinderhannes, der als heldenhafte Erscheinung in zahlreichen Hinter­treppenromanen gefeiert und so mancher Köchin noch heute Thränen der Rührung entlockt, war keineswegs so, wie ihn so manche romantische Dichterphantasie zu schildern versucht hat. Vor Kurzem fiel mir cin Büchlein in die Hand, das 1804 in Köln erschienen und im Buchhandel wohl längst vergriffen sein wird. Der Verfasser desselben, B. Becker, war als richter­licher Beamter in dem Prozeß gegen Schinderhannes und Genossen thätig und giebt aftenmäßig den Lebens lauf des berüchtigten Räubers wieder. Im Nach­folgenden bin ich größtentheils der Ausführung Beckers gefolgt.

Tag und Stunde seiner Geburt ist, wie bei so manchem bedeutenden Manne, nicht genau festgestellt. Sein Vater nährte sich und seine Angehörigen kümmerlich, er war Feldhüter und Tagelöhner. fümmerlich, er war Feldhüter und Tagelöhner. Kaum dem Knabenalter entwachsen, trat Schinder­ hannes bei dem Scharfrichter Nagel in Bärenbach in Dienst. Nagel hat später vor Gericht ausgesagt, Schinderhannes sei damals sehr behend und immer willfährig gewesen, habe ein sehr gutes Herz be­wiesen und eine Munterfeit ohne Grenzen gezeigt" trotzdem er seinem Dienstherrn schon nach sehr kurzer Frist sechs Kalbfelle und eine Kuhhaut stahl. Er entfloh mit seinem Schatz, ward erwischt und er= hielt zur Sühne von dem Maire Weber in Kirn fünfundzwanzig Prügel zudiftirt. Schinderhannes hat später vor Gericht ausgesagt, diese öffentliche Exekution habe ihn tief geschmerzt und sein ganzes künftiges Leben entschieden.

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In Kirn hatte er die Bekanntschaft von Johann Niklas Nagel und Engisch gemacht; sie verlegten sich auf den Diebstahl von Schafen, Schinderhannes wurde zum zweiten Male erwischt, es gelang ihm jedoch, bevor ihm der Prozeß gemacht wurde, aus dem Gefängniß zu entfliehen. Er lernte Fink, den Rothkopf, kennen, der ihn mit Seibert, Iltis Jakob Rothkopf, fennen, der ihn mit Seibert, Iltis Jakob und Zughetter, lauter berüchtigten Pferdedieben, be­

Jakob. Es kam zum Streit und Schnallen- Peter ward erschlagen. Elise trat in ihrer Wuth den todten Körper des Geliebten mit Füßen, weil er die Frau des Iltis Jafob vor ihr bevorzugt hatte. Bei dieser Schlägerei erhielt noch ein Un­betheiligter so schwere Verletzungen, daß er am nächsten Tage staró.... Erst fünf Jahre später gelaug es den Behörden, einen an dem Todtschlag Betheiligten, Johann Georg Reidenbach, zu erwischen.

In dieser Gesellschaft fand der junge Schinder­hannes seine ersten Lehrer und Vorbilder, die er sehr bald überflügelte. Nach Schnallen- Peters Tod ward Elise Werner Schinderhannes Geliebte, während die anderen Räuber sich in der Gunst der Burzliese­Annie theilten. Schinderhannes, der von den nicht sehr einträglichen Hammel- und Pferdediebstählen ab­ließ und sich mit seinen Genossen jetzt auf Straßen­ruberei verlegte, ward bald sehr gefürchtet und sein Name zog allerlei Personen, die im Leben Einer der inter­Schiffbruch gelitten hatten, an. essantesten Charaktere der Baude ist der Bänkelsänger Karl Benzel. Er behauptete später, vor Schinder­ hannes immer eine gewisse Achtung empfunden zu haben und schon lange sei der Wunsch in ihm rege gewesen, mit dem Hauptmann auf Raub auszuziehen. Vier Jahre lang habe ihn die Liebe zu einem Mädchen, das ihn immer vor den rohen Gesellen gewarut, zurückgehalten, Räuber zu werden. Erst als er von dem Vater des Mädchens abgewiesen worden, sei er der Bande beigetreten. Es mögen nun einige aftenmäßig festgestellte Beispiele folgen, wie Schinderhannes seine Räubercien ausführte.

Von seinen Getreuen umgeben, pflegte er an Markttagen auf der Spize von Felsen zu sitzen und die Passanten mit einem Perspettiv zu mustern. Einst am Tage des Kreuznacher Marktes saß er bei Wald­beklem an der Nahe. Ein Trupp Juden und Bauern fam gezogen. Nachdem er ihnen die Börsen und Habsel gleiten abgenommen, mußten die Beraubten sich ihrer Schuhe und Stiefel entledigen, die alle auf einen Haufen geworfen und durcheinander gewühlt wurden. Viel Vergnügen bereitete es dann den Räubern, als die Beraubten aus dem Wirrwarr ihre Fußbelei dungen wieder heraussuchten und in Streit geriethen.

Brigadier Adam überraschte eines Tages Schinder­hannes, als er mit einer weißen Schlafkappe auf dem Kopfe auf einer Bank lag, während Benzel am Tische saß und in der Bibel las. Zwei weibliche Wit­glieder der Bande drehten das Spinnrad. Adam schloß die Thür hinter sich, packte den Räuber an der Gurgel und forderte ihn auf, mitzugehen. Schinderhannes schrie um Hülfe und jetzt erst sprang Benzel von seinen biblischen Erbauungen auf, seinen Hauptmann zu retten. Adam packte auch ihn, rang mit Beiden.